Von Bernd Berke
Die Sexwelle, so hört man allenthalben, sei zu Ende. Nun gibt es für diese Behauptung einen untrüglichen Beweis: Selbst Alois Brummer, Bayerns und Deutschlands unermüdlichster Sex-Film-Produzent („Graf Porno“), ist von der Welle an Land gespült worden. An Heimatland.
Brummer resignierend: „Ich bin auf Heimatfilme und Abenteuerstreifen umgestiegen.“ Sein einst so zahlungswilliges Publikum ist übersättigt, und der bayrische Produzent sucht derweil nach neuen Kassenschlagern, denn Heimatfilme – so bekennt er – sind für ihn „nur eine Übergangslösung.“
Qualität hat wieder eine Chance in deutschen Kinos. Unter 27 Filmen, die in der letzten Hitliste der Kinoeigentümer ganz oben rangieren, befinden sich nur fünf ausgesprochene Sexstreifen. Die Hongkong-Welle, deren dominierendes Element brutale Karate-Szenen sind, ist in dieser Liste gleichfalls fünfmal vertreten. Nach Meinung des Filmverleiherverbandes freilich haben Sado-Filme dieser Machart ebenfalls ihren Höhepunkt überschritten. Was Filmtheaterbesitzer nicht für möglich hielten: Selbst der durch erboste Proteste populäre „Krankenschwestern-Report“ erklomm lediglich den 27. Rang.
Bei der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) ist man über den Zahn der Zeit, der nun am Geschäft mit der Pornographie nagt, glücklicher. Die Wiesbadener „Sittenwächter“ beobachten ein sinkendes Interesse an Zelluloidlust. Ein FSK-Mann dazu: „Eine Zeitlang waren die Gerichte verunsichert, was erlaubt sei und was nicht. Jetzt, da feststeht, daß die Pornographie-Freigabe nicht so weit geht wie anfangs geplant, ist es besser.“ Inzwischen sei es so weit, daß Sex fast nur noch ankomme, wenn er ironisch verfeinert oder in härteren Dosen dargeboten werde.
Auch beim Verband der Filmverleiher e.V. Düsseldorf wird „Sex“ kleiner geschrieben als zu Kolle-Zeiten. Mit Sorge beobachtet man, wie allerorten Filmklubs wie Pilze aus dem Boden schießen, in denen es ein wenig lebendiger zugeht, als dies in öffentlichen Kinos möglich wäre.
Der Düsseldorfer Constantin-Verleih, mit Kolle-Produkten Wellenvorreiter und mit Schulmädchen-Reports einer der eifrigsten Serienverkäufer, setzt nur noch bedingt auf „nackte Tatsachen“: Von 70 Streifen, die im vergangenen Jahr vertrieben wurden, behandelten nur noch zwölf das „Thema Nummer eins“. Ganz froh ist man nicht über die Entwicklung, denn Sexfilme habe man „außerordentlich preiswert herstellen“ können.
Im übrigen sei die Welle in der Provinz schon verebbt, während sie in Großstädten ihre letzten Ausläufer in wenigen Kinos habe. Statt dessen kämen in letzter Zeit immer häufiger Anfragen – auch von privater Seite –, ob denn die großen Verleihe nicht mit deftigerer Kost aufwarten könnten. Das können sie nicht: aus rechtlichen Gründen.
Selbst im neuen Kolle-Roman spielt die Lust nur eine Nebenrolle
Günther Hunold, Autor der populärwissenschaftlichen Vorlagen für die „Schulmädchenreports“, deren siebte Folge zur Zeit produziert wird, meint, daß die Sexwoge sich zwar geglättet habe, teilweise aber in die Privatsphäre geschwappt sei. Hunold: „Das sieht man schon daran, daß der Sex-Versand von Beate Uhse hohe Umsatzsteigerungen verzeichnet.“ Der Trend, sich wieder auf den Partner statt auf die Leinwand zu konzentrieren, sei nicht zuletzt durch die Fahrverbote Ende letzten Jahres begünstigt worden.
Das Niveau der Sexfilme sei ohnehin bedenklich gesunken, „obwohl man dachte, jetzt geht es nicht mehr tiefer“ (Hunold). Hunold, dessen bebilderter „Sexatlas“ mittlerweile in zehn Sprachen erschien, wundert sich, was in den Filmstudios aus seinen Reports gemacht wird. „Neulich habe ich mir einen der Schulmädchenfilme im Kino angesehen. Als ich das Kino verließ, habe ich mir die Mütze tief ins Gesicht gezogen…“ Er selbst befinde sich nicht im Sexwellental: „Noch nie war ich mit Arbeit so ausgelastet wie heute.“
Und was meint Oswalt Kolle, einstiger Aufklärer der Nation? „Sexwelle?“, fragt er ungläubig. „Die Menschheit hat seit 2000 Jahren immer viel vom Sex gehalten.“ Allerdings: „Diese Filmwelle, von wegen ,Dampf in der Lederhose‘ und so, das geht wohl jetzt vorbei.“ Er selbst habe mit dieser Welle nichts zu tun. Sein Bestreben, den Sex „aus dem Dunkel und dem Schmutz herauszuziehen“, sei durch einige Filmprodukte arg verwurstet und ins Lächerliche gezogen worden.
Kolle lebt sehr zurückgezogen im holländischen Hilversum. Filme macht er nicht. Statt dessen arbeitet er an einem größeren Werk: „Ich schreibe einen Roman, aber keine Aufklärung, sondern ’ne richtige Geschichte.“ Die Sexwelle ist wohl doch vorbei.