Erbarmen! „Die Expeditiven“ kommen – ins Ruhrgebiet

Expeditiv (?) oder wenigstens speditiv unterwegs im Ruhrgebiet – hier auf der B1, genauer: auf der Dortmunder Schnettkerbrücke. (Foto: Bernd Berke)

Kein sonderlich origineller, sondern ein altgedienter Befund: Noch immer hinkt das Revier vielen anderen deutschen Regionen in mancherlei Hinsicht hinterher. Die Scharte lässt sich aber fix auswetzen, indem man die Backen ganz voll nimmt und diesen pseudokreativen, neudeutsch verblasenen Imponiersound hören lässt.

Beispiele folgen sogleich, sie stammen von der Ruhr Tourismus GmbH (RTG), die just eine n e u e Tourismusstrategie für das Ruhrgebiet „ausgerollt“ hat, wie man in diesen hippen Kreisen vermutlich sagt. Laut Informationsdienst (idr) des Regionalverbands Ruhr (RVR) sollen nunmehr Tourist*innen aus einer n e u e n Zielgruppe angelockt werden, die so bezeichnet wird:

„Unkonventionell, digital, kosmopolitisch, neugierig – im Fachjargon ,expeditiv‘.“

Wisster schomma Bescheid, woll?! Oder au nich.

Digitaler „Reisekumpel“

Die Überschrift zur selbstverständlich millionenschwer geförderten n e u e n Imagekampagne (wie viele hatten wir davon schon im Ruhrgebiet, was haben sie gefruchtet?) lautet:

„Metropole Ruhr: Digitale Modelldestination NRW“

Wow! Es kommt aber noch geiler. Denn das Projekt mit n e u e m Corporate Design und dito n e u e r Homepage sowie Fotoshootings mit n e u e r Bildsprache verfügt über einen „regionalen Datenhub und eine Content-Datenbank“. Angestrebt wird mal wieder eine „systematische Vernetzung“ und das „Zusammenspiel der Akteure“. Merke: Vernetzung und Akteure sind in diesem F(l)achjargon stets ein Muss. Hierzu setzt die RTG – wie sich das gehört – „voll auf digitale Inhalte“. Da wir aber im Revier sind, heißen die digitalen Reiseführer wie? Nun? Ja, sicher: „Reisekumpel“. Leck mich fett!

Noch einmal zum Mitschreiben: Hauptsächlich angesprochen wird die „n e u e Hauptzielgruppe der Expeditiven“, doch man hat noch zwei weitere, etwas weniger wichtige Gruppen (wörtlich: „untergeordnete Produktzielgruppen“) „ermittelt“: die Adaptiv-Pragmatischen und die Post-Materiellen. Is‘ klar, ne?

Achtet also mal drauf, welche Gäste künftig so herrlich unkonventionell, neugierig, kosmopolitisch und digital durch unser Revier streunen werden. Es werden wahrscheinlich ausgesprochen expeditive Leute sein, andernfalls eben adaptive – oder post-materielle, die es übrigens mit Kultur haben sollen. Boaaah, glaubsse!

 

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 69 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Design, Netzwelten, Region Ruhr, Sprache, Stilfragen, Unterwegs abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert