Ruhrfestspiele: Klatschen wie Bolle – Brambach liest Bukowski, die Zucchini-Sistaz swingen

Frankreich ist, wie bekannt, in diesem Jahr der kulturell-regionale Schwerpunkt der Ruhrfestspiele. Viel Französisches allerorten im Spielplan, aber doch nicht nur. In den Randbereichen des üppigen Programms blüht einiges, was mit dem Schwerpunkt auch beim besten Willen nichts zu tun hat.

Zwei Veranstaltungen, beide auf kleinerer Bühne, interessierten besonders. Wenn man nun wiederum zwischen ihnen etwas Gemeinsames suchte, so könnte man vielleicht sagen, daß sie beide in US-amerikanischer Kultur wurzeln. Aber das ist schon etwas gequält herbeigezaubert. Schauen wir also mal – erst auf Herrn Brambach nebst Gattin Christine Sommer, sodann auf die Zucchini-Sistaz.

„Roter Mercedes“ – Martin Brambach, Christine Sommer, Matthes Fechner (von links) Foto: Ruhrfestspiele/Peter Kallwitz

Brambach und Bukowski

Martin Brambach also, den man vom Fernsehen kennt und vielleicht auch aus früheren Zeiten vom Bochumer Schauspielhaus, ist ab und zu mit einem Bukowski-Abend unterwegs. Allzu oft aber wohl nicht, auch intensivste Internet-Recherchen förderten nicht mehr zu Tage als einen vorhergegangenen Auftritt 2014 in Dorsten. Jetzt war das Paar Brambach/Sommer in Begleitung des Gitarristen Matthes Fechner im FRinge-Zelt bei den Ruhrfestspielen zu erleben.

Die Veranstaltung hinterließ, sagen wir es zurückhaltend, einen uneinheitlichen Eindruck. Grandios waren die ausgesuchten Bukowski-Texte, gleichnishafte, auf den Punkt durchformulierte graue Alltagsgeschichten über Suff, Sex und Gewalt, durchlebt und durchlitten von alternden Losern beiderlei Geschlechts. Da eskaliert die Eifersuchtsnummer im abendlichen Ehebett zum mörderischen Finale mit der Zweiundzwanziger, da vergewaltigen und ermorden Einbrecher eine junge Frau, der sie zufällig im Haus begegnen, und mit dem prügelnden Ehemann, der aus den ehelichen Gewaltexzessen so etwas wie Selbstbewußtsein zieht, hat man fast Mitleid.

Ein bißchen wie in Hoppers Bildern

Doch obwohl die Brutalität vieler Szenen schwer erträglich ist und Bukowski auch in den schlimmsten Momenten nicht wegsieht, wohnt ihnen atmosphärisch so etwas wie ein unbeteiligtes Schweben inne, eine Globalsicht auf Männer und Frauen und die Einsamkeit und den Gang der Welt. Man fühlt sich an Hoppers trostlose Bilder erinnert, im Glauben an die Unveränderlichkeit der Verhältnisse sind Maler und Autor sich recht nah.

Auch Martin Brambach ist ganz nahe dran an den Elendsbildern aus der Bukowski-Welt. Meistens liest er den Text nur vor, doch immer wieder auch wechselt er – für einen einzelnen Ausruf oder auch für eine ganze dramatische Passage – ins Schauspielen. Dann gibt er nicht nur, nein, dann ist er der verspannte, gehemmte, gehetzte amerikanische Mittelstandsbürger, immer um Fassung bemüht und immer dazu verurteilt, in diesem Streben zu scheitern. Wenn er die Beherrschung verliert, schreit und um sich schlägt und sich im nächsten wieder einzufangen versucht, voll von schlechtem Gewissen über den selbstverschuldeten Kontrollverlust, dann ist das im Kleinen ganz großes Schauspieler-Theater.

Angeschrägter Charakter

Martin Brambach gehört zur kleinen Schar der etwas angeschrägten Charaktere, die in ihren Interpretationen meisterlich zwischen persönlichen Eigenheiten und dem Streben, äußerlicher Erwartung zu genügen, switchen können, ohne (scheinbar) beides in Einklang zu bringen. Ihr sperriger Charakter steht ihnen sozusagen immer im Weg, wenn sie eigentlich kühl, beherrscht und hundertprozentig auftreten wollen; Künstler wie Wolfgang Michael oder Michael Maertens sind Brambachs Brüderchen im Geiste.

Womit das Beste über diesen Abend allerdings auch gesagt wäre. Preisen wollen wir noch Christine Sommer, die nicht nur beim Lesen mit verteilten Rollen eine gute Figur macht, sondern auch als (mitunter männlicher) Dialogpartner.

Nicht preisen wollen wir den Gitarristen, dessen fingerpickendes Spiel zwar handwerklich untadelig ist, dessen Interpretationen gleichwohl sehr viel Gewolltheit innewohnt. Zur Schärfung der Authentizität rauht Matthes Fechner sich die Stimme, doch zum lebensgegerbten Blues-Barden wird er so noch lange nicht. Relativ kurze Textvorträge wechseln ab mit relativ langen „bluesigen“ Klassikern aus dem American Songbook, in Sonderheit der 60er- und 70er-Jahre.

Dem, der gekommen war, um Brambachs Kunst zu schauen, mißfiel die Menge der Musik und die Art ihres Vortrags, die ihren Tiefpunkt übrigens mit der Darbietung von Janis Joplins „Red Mercedes“ als Klatschmarsch erreichte. Oh Lord, – klatsch – won’t you buy me – klatsch – a Mercedes-Benz – klatsch. Mit dunklem Humor könnte man fragen, was wohl Herr Bukowski von einem solchen Liederabend gehalten hätte.

Mit Fahrrad und Münsteraner Hintergrund: die Zucchini Sistaz
(Foto:Ruhrfestspiele/Markus Hauschild)

Gute Musikerinnen

Die Zucchini-Sistaz nun, die mit Brambach/Bukowski, wie gesagt, nichts zu tun haben, sind Teil des kurzweilig-juvenilen „Fringe“-Programmes, treten aber in der Sparkasse Recklinghausen auf, wo das Publikum zu einem beachtlichen Teil der Generation Silberlocke, 50 plus X, entstammt. Das ist an sich auch nicht verwunderlich, wenn man ein Programm à la Andrew-Sisters erwartet, denn die hatten ihre großen Erfolge vor 70, 80 Jahren (Kinder, wie die Zeit vergeht!).

In Kürze: die Drei, die jetzt in Münster wohnen, sind erstaunlich gute Musikerinnen und haben, wenn man einmal so sagen darf, eine Menge Swing und Backbeat im Blut. Sinje Schnittker bläst ins Blech, Jule Balandat, übrigens aus Dortmund gebürtig, zupft am Kontrabaß und macht die Conference, Tina Werzinger weiß mit Banjo und Gitarre umzugehen, und singen können sie alle drei, auch dreistimmig. Und Andrew Sisters könnten sie auch, ganz bestimmt.

Deutsche Texte

Leider aber bevorzugen die drei Zucchini-Frauen in ihren zucchinigrünen Nostalgiekleidern deutsche Texte und Inhalte, die in Sonderheit die Westfalenmetropole Münster preisen. Die Texte sind nicht völlig schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Es wird nicht ganz klar, warum gerade sie zum Vortrag gelangen, die schlüssigen Pointen fehlen.

Befremdlich ist weiterhin, daß das Publikum heftigen Mitmach-Appellen ausgesetzt ist, befremdlicher aber noch, daß es ihnen so freudig nachkommt. Begeistert rufen sie den Damen auf Nachfrage ihre Wohnorte zu, imitieren kaputte Autohupen und klatschen wie Bolle den Rhythmus mit.

Na gut, man will ja nicht den Miesepeter spielen. Wenn’s den Leuten gefällt… Trotzdem hätten die Sistaz doch auch ein paar Klassiker aus den Vierzigern singen können, „Rum & Coca Cola“ zum Beispiel, oder „Bei mir bis du schön“. Aber das ist zugegeben schon keine Kritik mehr, sondern nur noch Ausdruck persönlicher Enttäuschung, wozu die Damen nichts können. Jedenfalls: Wenn sie sich noch einmal künstlerisch umorientieren sollten – mehr Musik, weniger Ringelpiez – ginge ich gerne wieder hin.

So viel, für den Moment, vom munteren Rand der Ruhrfestspiele. Selbstverständlich gibt es hier noch viel mehr zu hören und zu sehen, man kann ja nicht überall sein. Bei nächsten Mal geht es wieder ins große Haus, zu Yasmina Reza und „Bella Figura“.

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