Programm vorgestellt: Ruhrfestspiele 2014 entdecken die Inselreiche

Shakespeares „Sturm“ wird die Ruhrfestspiele 2014 eröffnen, Pirandellos „Heinrich IV“, Sean O’Caseys „Purpurstaub“ und Becketts „Warten auf Godot“ werden auf der Bühne des Großen Hauses folgen. Auch andere Spielstätten wie das Kleine Theater im Festspielhaus, das Theater Marl oder das Theaterzelt werden Leben zeigen. Intendant Frank Hoffmann hat den Spielplan der diesjährigen Ruhrfestspiele bekanntgegeben.

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Szene aus Shakespeares „Sturm“, mit dem die Ruhrfestspiele in diesem Jahr eröffnet werden (Foto: Andreas Pohlmann/Ruhrfestspiele)

„Inselreiche. Land in Sicht – Entdeckungen“ lautet das diesjährige Motto, wie wir jetzt wissen, und da ist ein Eröffnungsstück wie „Der Sturm“ natürlich naheliegend, bläst der Namentliche doch in Shakespeares spätem Meisterwerk eine illustre Gesellschaft auf eine unbewohnte Insel, wo sie sich sozial neu sortieren muß und das auch recht lustvoll tut. In Gisli Örn Gardarssons Einrichtung für Ruhrfestspiele und Residenztheater München allerdings ist die urwüchsige Vegetation des Eilands einem gefängnishaften Gebilde aus Gitterstäben gewichen, wie erste Probenvideos zeigen. Nun gut, es gibt ja auch Gefängnisinseln, man bleibt gespannt, wohin die Irrfahrt ging. Jedenfalls spielt Manfred Zapatka den Prospero.

Irische Kaltgetränke in der frühen Pause

„Inselreiche“ ist natürlich ein Allerweltsmotiv mit universaler Tauglichkeit. Und wenn die Stoffe es nicht spontan hergeben, dann muß wenigstens der Autor von einer Insel stammen, einer britischen oder der irischen bevorzugt. An solchen war im Heer der Stückeschreiber bekanntlich nie ein Mangel, und auch in Recklinghausen finden sie sich, wenn man einmal so sagen darf, reichlich ein: Samuel Beckett of course, von dem neben „Warten auf Godot“ ein mit Wolfram Koch und Ulrich Matthes exzellent besetztes „Endspiel“ (Regie: Jan Bosse) ebenso zu sehen sein wird wie der extrem kompakte Zweiteiler „Eh Joe/I’ll Go On“, in dem ein Sterbender mit Namen Malone Abschied von Muttern und der Welt nimmt. Erste Pause ist nach 29 Minuten, Intendant Hoffmann verspricht für die Pause die Bereitstellung irischer Kaltgetränke. „Eh Joe…“ ist ein Gastspiel des Gate Theatres Dublin mit Barry McGovern und anderen.

Weitere Autoren von westlichen Inselreichen sind Owen Mc Cafferty mit „Quietly“, Brian Friel mit „Molly Sweeney“, Harold Pinter mit „Verrat“, James Joyce mit „Penelope“.

Angesichts der Fülle von höchst passablen Theaterproduktionen könnte man sich sowieso auf einer Insel der Seligen wähnen. Doch da geht es dem Publikum deutlich besser als dem Personal auf der Bühne, das sich hin und wieder intensiv mit den Unerfreulichkeiten dieser Welt beschäftigen muß, mit Gewalt und Terror zumal. So erzählt Owen McCaffertys Stück „Quietly“ von der Begegnung eines Attentäters mit einem Überlebenden, der bei dem Attentat einen Angehörigen verlor. Und in Dennis Kellys „Waisen“ entpuppt sich ein desolates Familienmitglied als übler Rassist, der einen Moslem gefangenhält und foltert. Das Stück steht übrigens auch in Dortmund auf dem Spielplan, wo es oben im Harenberg Citycenter gezeigt wird, von wo aus man mit großer Geste auf die Nordstadt zeigen kann, wo es Probleme dieser Art (vermeintlich) ganz bestimmt gibt. Übrigens führt bei der Produktion des Hamburger St. Pauli Theaters der Altmeister Wilfried Minks Regie, und auf der Bühne stehen Uwe Bohm, Judith Rosmair und Johann von Bülow.

Prominente Namen zuhauf

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„Das letzte Band“ in Recklinghausen war eine seiner letzten Rollen. Ein Themenabend mit Meret und Ben Becker erinnert an den großen Otto Sander (Foto: Momme Röhrbein/Ruhrfestspiele)

Bekannten Künstlern wie Hannelore Elsner, Katja Riemann, Thomas Thieme oder auch Sophie Rois traut man zu, daß sie mit Lesungen das Große Haus füllen werden. Im Theaterzelt gibt sich die Nomenklatura des deutschen Comedy- und Kabarettwesens – wer kann das immer so genau unterscheiden – ein Stelldichein, von Tina Teubner über Ingo Oschmann und Georg Ringswandl bis Wigald Boning. Meret Becker singt Lieder in Begleitung von Buddy Sacher, Jasmin Tabatabai tut Gleiches in Begleitung des Quartetts David Klein. Es gibt Tanz, Jazz, Zirkus und Artistik, Straßenkunst (was nichts Schlechtes ist!) unter der Überschrift „Fringe“ für ein jüngeres Publikum – 192 Aufführungen, 78 Produktionen, 20 Koproduktionen, wie wir dem Waschzettel entnehmen können.

Unmöglich ist es, alles aufzuzählen. Ab Donnerstag, 23. Januar, findet sich das komplette Programm auch im Netz. Besondere Erwähnung muss auf jeden Fall aber noch der Bochumer Komponist Stefan Heucke finden. Er hat „Iokaste“ komponiert, ein Musikdrama nach Motiven von Homer und Sophokles, das mit einer einzigen Person auskommt, die alle Personen der Tragödie spielt resp. singt. „Sie werden große Oper erleben“, kündigt Heucke freudig an.

Nach Zeiten der Irritation ist auch die Recklinghäuser Kunsthalle wider mit von der Partie. In dem von Ferdinand Ullrich geleiteten Haus ist Kunst aus Island zu sehen, die nicht Vulkane noch Bankenkrisen ausschließt, wie man hört.

Also alles paletti? Eigentlich schon, in den Jahren seiner Intendanz hat Frank Hoffmann die Ruhrfestspiele perfektioniert, hat sie zu einer ersten Adresse für deutsches Theater und darüber hinaus ganz generell für deutsche und internationale Bühnenkunst gemacht. Vielleicht täte dem Programm etwas mehr Reibung, Provokation, Polarisierung gut, doch dürfte sich solches nicht in Mätzchen erschöpfen. Wie auch immer. Die Ruhrfestspiele geben auch in diesem Jahr wieder einen guten Grund, sich auf den Mai zu freuen.

www.ruhrfestspiele.de

 

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