Ruhrfestspiele 2011 – ein Rückblick

Noch bevor die Abschlusskonzerte auf dem Recklinghäuser Hügel gespielt waren, verkündete Intendant Frank Hoffmann die frohe Pfingstbotschaft: Die Ruhrfestspiele haben sich selbst und ihren eigenen Besucherrekord von 2009 übertroffen. 212 Aufführungen, mehr als 81.000 Besucher und eine Auslastung von über 91 % zählte das diesjährige Festival. Einmal mehr bewies der Luxemburger Hoffmann damit, dass er der Tradition und dem Anspruch der Ruhrfestpsiele gerecht wird und ihm gelingt, was auf dem Hügel nicht immer selbstverständlich war: Mit einem anspruchsvollen Programm auch in der Breite erfolgreich zu sein. Folgerichtig wurde auch bereits am vergangenen Donnerstag bekannt gegeben: der Vertrag des Luxemburgers Hoffmann ist bis 2015 verlängert.

Was bleibt aus diesem Jahr, Jahr eins nach der Kulturhauptstadt? Stürmische Begeisterung ebenso wie kontroverse Diskussion. Große Namen neben unbekannteren Ensembles, Experimente von provokant gelungen bis arrogant daneben. Der erbrachte Beweis, dass das Werk Schillers – diesjährig im Mittelpunkt stehend – „Brücken in unsere Zeit schlägt“ und Schillers „Nachdenken über die Zunkunft…auch unsere Gegenwart erschließt“. Die Schiller-Adaptionen – u.a. Don Carlos, Kabale und Liebe und als würdiges Finale der radikal gekürzte Klassiker Maria Stuart – wurden durchweg mit Begeisterung aufgenommen. Einzig die Räuber stellten so manchen Zuschauer vor die Frage, ob die Inszenierung eher drastisch oder doch genial furios zu nennen war. Leserbriefschlachten in der Lokalzeitung gaben davon beredte Kunde. Worauf blicken wir noch zurück?

Auf einen grandiosen John Malkovich in einer eher behäbigen Inszenierung der Giacomo Variations. Auf einen experimentellen Ben Becker, der die vor Jahren mit Endstation Sehnsucht geschlagene Scharte auswetzte und düster melancholisch sein Publikum mit dem Todesduell von John Donne und den Elegien von Joseph Brodsky bannte und begeisterte. Becker, der nur eine Woche später gemeinsam mit David Bennent und der großartigen Angela Schmid in „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ einen weiteren Erfolg verbuchte. Nicht wenige feierten diese Inszenierung als die beste der Festspiele.

Kontroversen und Ablehnung dagegen bei „Paris, Texas“. Eine sehr frei assozierte Adaption nach dem Film von Wim Wenders. Comics und Pin-Ups auf der Bühne, schrill, laut und disharmonisch. Bis heute fragt sich so mancher, ob er nun eine Parodie verkannt oder doch einer Aneinanderreihung der Untugenden modernen Regietheaters beigewohnt habe.

Nicht unerwähnt bleiben sollten kleinere Juwelen wie der Chansonabend von Angela Winkler, die sich als Bühne für die Premiere ihres ersten Studio-Albums ausdrücklich die Recklinghäuser gewünscht hatte. Sowie die Lesungen, welche eine eigene, gute neue Tradition bilden. Weniger Resonanz hatte diesjährig das Fringe Festival. Je mehr es sich zum eigenständigen Festival entwickelt, desto mehr gerät es aber auch zum Nischenprogramm als zur gewünschten Einrahmung.

Fest steht, die Recklinghäuser lieben ihr Festival. Zu Recht sind sie nicht nur stolz auf das Programm, sondern auch auf die einzigartige Stimmung auf und um den Hügel. Die mit den Jahren sehr stimmungsvoll entwickelte Gastronomie trägt das Ihrige dazu bei, die rechte „A world stage“ Festival-Atmosphäre zu entwickeln.

Es war Frank Hoffmanns Anspruch, die Ruhrfestspiele 2011 mögen „in die Zeit gefallen“ wie „Schiller der Wirklichkeit ins Gesicht sehen“. Er selber sprach in abschließenden Worten leicht euphemistisch von „der neuen Recklinghäuser Diskussionskultur“, die Resonanz und die Kritiken gleichwohl gaben ihm Recht: Hoffmann ist seinem Anspruch gerecht geworden. Recklinghausen freut sich auf die Festspiele 2012.

( Zitate aus Frank Hoffmanns Vorwort im Booklet zu den Festspielen )

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10 Antworten zu Ruhrfestspiele 2011 – ein Rückblick

  1. Britta Langhoff sagt:

    Schön, Dich hier zu sehen.
    Hier findest Du bestimmt genug Anregungen für Deine Heimatbesuche.
    Westropolis brauchen wir nicht mehr nachzutrauern.

  2. dieJenny sagt:

    Manche im Süden wissen ja genau, was im Pott kocht. Und kriegen dann immer Heimweh…

  3. Bernd Berke sagt:

    Jetzt stapelt der Süden aber tief.

  4. Spieler7 sagt:

    Hochinteressant! Hier im Süden ahnt man ja gar nicht, was bei Euch alles an Kultur geboten wird…

  5. Britta Langhoff sagt:

    Nur zu gerne, meine Liebe. Die Rolli-Plätze im Festspielhaus gaben eine prima Sicht!
    Dies Jahr waren übrigens etliche Produktionen aus HH dabei !
    ebenfalls LG B.L.

  6. Einhard sagt:

    Der Pott lebt, pottseidank

  7. Britta Lange sagt:

    Hallo,
    wenn ich diesen Bericht lese, dann hoffe ich, das ich irgendwann auch mal zu euren Festspielen kommen kann.

    LG B.L.

  8. Britta Langhoff sagt:

    Moin Gina ! Ruhrpott ist immer eine Reise wert, wie Du weisst. Zu Zeiten der Ruhrfestspiele aber ganz besonders.
    Wäre schön, wenn wir das einmal gemeinsam schaffen ! LG B.

  9. Gina TV sagt:

    Moin Moin

    Sehr guter Bericht!
    Ausführlich und dennoch interessant.
    Das macht neugierig auf das Jahr 2012.

    LGGina

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