Wagnisse erwünscht – das Programm der Ruhrfestspiele 2013

Programmheft RuhrfestspieleAufbruch und Utopie – unter diesem Motto stehen in diesem Jahr die Ruhrfestspiele. Nach ergiebigem Studium des Programmheftes stellt sich allerdings schon die Frage, ob das Motto nicht ein wenig zu gewagt und da eher der Wunsch der Vater des Mottogedankens ist.

Wenig spektakulär, kaum wagemutig mutet das Programm an. Schon quantitativ ist es weniger umfangreich als in den letzten Jahren. Ein Zeichen, dass auch das Programmheft kleiner ist als sonst? Ein Zeichen, dass man in der sonst so umlagerten Kartenstelle sogar in der ersten Woche des Vorverkaufs ohne Wartezeit sofort drankommt? Ich hoffe nicht. Denn eigentlich ist es ja Konsens, dass die Ruhrfestspiele den Machern und dem Publikum gleichermaßen am Herzen liegen.

Geben wir also jener Epoche eine Chance, die gerne die Geburt der Moderne genannt wird. Denn aus dieser Zeit, beginnend mit dem wilhelminischen Zeitalter bis hin zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, sind die Werke, die 2013 zur Aufführung auf dem Hügel und umliegender Spielstätten gelangen. Kafka, Hauptmann, Schnitzler, Wedekind, Fallada – um nur wenige zu nennen, deren Werke das gewünschte Spannungsfeld zwischen Realität und Utopie zeigen sollen.

Hedda Gabler wird die Ruhrfestspiele eröffnen, eine Premiere in Ko-Produktion mit dem Deutschen Theater, Berlin. Auch im weiteren Verlauf setzt man auf bewährte Ko-Produktionen, so mit dem Théâtre National du Luxembourg. Das St.Pauli Theater Hamburg, welches in den letzten Jahren vielleicht nicht immer für Highlights, aber zuverlässig für Kontroversen sorgte, ist diesmal leider nur mit einer, eher brav anmutenden Ko-Produktion dabei.

Internationale Stars glänzen eher durch Abwesenheit, auf dem Hügel bereits bekannte Akteure wie Angela Winkler oder Christian Brückner geben sich aber wieder die Ehre. Auch auf einige Stars der Theaterszene, wie die wunderbare Birgit Minichmayr, für die der schöne Festspielort auf dem Recklinghäuser Hügel Neuland ist, darf man sich freuen. Mit der Halle des alten Bergwerks König Ludwig wird zudem ein neuer, traditionsträchtiger Spielort präsentiert.

Ein umjubeltes Highlight war im letzten Jahr das Ballett Onegin in der Choreographie von Boris Eifman. Eifman und seine St.Petersburger werden auch dieses Jahr wieder da sein, diesmal mit Red Giselle, eine der wenigen Produktionen, für die es bereits jetzt nur noch wenige Karten gibt. Ein besonderes Event erwartet man sich dieses Jahr vom Abschlusskonzert. Keine Geringeren als die Fantastischen Vier dürfen den Hügel rocken und wohl wie ihre Vorgänger von der einzigartigen Location begeistert sein.

Allerdings wird gerade beim Abschlusskonzert mit einer langjährigen Tradition gebrochen. Bonuskarten waren einmal. In diesem Jahr gibt es gerade mal 5 Euro Nachlass für die ersten 1500 Ticketkäufer, die mehr als 6 Karten für die Ruhrfestspiele erwerben. Bei 40 Euro pro Karte für das Abschlusskonzert ein mehr als mageres Goodie. Keine Frage, 40 Euro ist ein fairer Preis für Konzerte dieser Art, den Fanta4 sicher auch angemessen. Das soll hier auch gar nicht bezweifelt werden. Dennoch – die Ruhrfestspiele sollten immer auch ein Festival auch für die sogenannten kleinen Leute sein und ihnen den Zugang zu solchen Veranstaltungen ermöglichen. Zudem bleibt zu bedenken, dass man auf dem Open-Air-Hügel nicht überall wirklich gut sehen kann, zudem hat dort um 22:00 Uhr Schluss zu sein.

Bleibt die Frage, ob diese neue Praxis den Fanta4 geschuldet oder ob es einfach nur folgerichtig für eine Stadt ist, die gerade erst die Grundbesitzabgaben und die Gewerbesteuern deutlich erhöhte, dafür sogar extra in einem Brief um Verständnis warb und es sich nun wohl kaum mehr leisten kann, Karten zu verschenken.

Ausführliche Infos zu den Veranstaltungen finden sich auf der Internetseite der Ruhrfestspiele Recklinghausen.

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4 Antworten zu Wagnisse erwünscht – das Programm der Ruhrfestspiele 2013

  1. Bernd Berke sagt:

    Soeben zum Berliner Theatertreffen eingeladen:

    „Krieg und Frieden“ (nach Tolstoi), Regie Sebastian Hartmann, Koproduktion Schauspiel Leipzig / Ruhrfestspiele Recklinghausen (Premiere Recklinghausen 10. Mai 2012,
    Premiere Leipzig 20. September 2012).

  2. Britta Langhoff sagt:

    Ich muss zugeben, die Castorf Ära ist – aus terminlichen Gründen – mehr oder weniger an mir vorbeigegangen, persönlich hab ich mir damals keinen Eindruck verschafft. Aber was ich so aus den Reihen eifriger Festspiel-Besucher gehört habe, legt den Schluss nahe, dass die Intentionen Castorfs nicht so recht mit dem doch eher volkstümlichen Publikum der Festspiele zueinander gepasst haben.

    Das mit dem Abschlußkonzert ärgert mich schon irgendwie. Bis auf Nena und Skorpions haben wir alle Abschlußkonzerte über die Bonuskarten mitgenommen. War schon von der Atmosphäre her immer ein schöner Abend. Aber die Veranstaltung dies Jahr ist schon von den Preisen her einfach nur was für die FAns von FAnta4 und das widerspricht m.E. der Ausrichtung der Ruhrfestspiele. Ich werde nicht hingehen, aber im Jahresverlauf wird mir was fehlen.

  3. Martin Kaysh sagt:

    Liebe Britta,

    fein geschrieben. Man könnte auch sagen: nachdem Frank Castorf schon systematsich vertreiben wurde, ehe er richtig ankam, herrscht wieder beruhigende Normalität auf dem Hügel. Die Hollywood-Nummer ging nur selten auf. Oft machte man Besucherzahlen mit Kabarett und Zirkus.

    Die Fanta4 zu holen, ist 2013 etwas zum Gähnen. Als sie das erste Mal auf dem Hügel waren, vor ca. 20 Jahren, war es noch spannend. Dazu muss man wissen, dahinter stand das junge forum, längst abgewickelt. Die Menschen dort haben eben nicht immer nur das Bewährte abgegriffen, sondern gewagt und probiert.

    2004 spielte da Adam Green, der war noch ein Insidertipp. Später holte man BAP. BAP! Ich fasse es nicht. Aber klar, da sind hohe Zuschauerzahlen sicher. Warum so ein Festival so etwas braucht, ist mir jenseits der Zuschauerstatistik ein Geheimnis.

    Klar ist mir allerdings, dass das Théâtre National du Luxembourg keineswegs der große Laden ist, den der Name vorgibt.

    Scheint eher so auf dem Level knapp über Prinzregent und Theater im Depot. Hoffmanns Einrichtung taucht im Wikipedia-Eintrag z.B. gar nicht erst auf:
    „Theater hat in Luxemburg eine lange Tradition. Am bedeutendsten sind das Stadttheater (Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg) sowie das Kapuzinertheater in der Hauptstadt, das Escher Theater und das Centre des Arts Pluriels Ed. Juncker in Ettelbruck.“

    Was ich sehr lustig fand: Im Jahr nach dem Rausschmisshat Castorf in eben jenem Grand Théâtre just zur Ruhrfestspielzeit inszeniert. Ist in Recklinghausen aber nicht aufgefallen.

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