Widerstand im Zeichen von Glauben und Menschlichkeit: Vor 75 Jahren wurden drei Mitglieder der Weißen Rose hingerichtet

„Es lebe die Freiheit“, schallt es am 22. Februar 1943 kurz nach 17 Uhr durch den Hinrichtungsraum im Gefängnis in München-Stadelheim. Es sind die letzten Worte von Hans Scholl, bevor er durch das Fallbeil sein Leben verliert. Kurz vor dem 24-jährigen starb seine jüngere Schwester Sophie, wenig später der dreifache Vater Christoph Probst. Am Vormittag hatte der berüchtigte Bluthund der NS-Regimes, Roland Freisler, ihr Todesurteil gesprochen.

Büste von Sophie Scholl in der Walhalla (seit 2003). (Bildhauer: Wolfgang Eckert / Foto: Ryan Hulin - Wikimedia Commons - Link zur Lizenz:

Büste von Sophie Scholl in der Walhalla (seit 2003). (Bildhauer: Wolfgang Eckert / Foto: Ryan Hulin – Wikimedia Commons). Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Freisler war extra aus Berlin nach München gereist. Er wollte einen Schauprozess. Aber die drei jungen Leute, Akteure der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“, stahlen dem brüllenden Präsidenten des Volksgerichtshofs die Schau. Ruhig und gefasst vertraten sie ihre Überzeugungen, entgegneten sie den Tiraden.

„Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen … auf mich nehmen“, ist im Vernehmungsprotokoll Sophie Scholls zu lesen. „Heute hängt ihr uns, und morgen werdet ihr es sein“, sollen die letzten Worte von Hans Scholl vor dem Scheingericht gewesen sein.

„Arbeiten wider die Geißel der Menschheit“

Der aktive Widerstand der „Weißen Rose“ begann Ende Juni 1942, als Hans Scholl und Alexander Schmorell das erste von sechs Flugblättern verfassten und verteilten. „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen“, beginnt der Text, und appelliert dann an die Leser: „Daher muß jeder einzelne seiner Verantwortung als Mitglied der christlichen und abendländischen Kultur bewußt in dieser letzten Stunde sich wehren, soviel er kann, arbeiten wider die Geißel der Menschheit, wider den Faschismus und jedes ihm ähnliche System des absoluten Staates. Leistet passiven Widerstand … wo immer Ihr auch seid, verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe es zu spät ist, ehe die letzten Städte ein Trümmerhaufen sind, gleich Köln, und ehe die letzte Jugend des Volkes irgendwo für die Hybris eines Untermenschen verblutet ist.“

In den weiteren Flugblättern prangerten die jungen Widerständler die Massenmorde an Juden und Polen an, von denen Hans Scholl an der Front erfahren hatte. Sie verdeutlichten die Mitschuld aller Deutschen, die das Unrecht ertrugen statt es zu bekämpfen. „Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weisse Rose lässt Euch keine Ruhe!“, heißt es am Ende des vierten Flugblatts.

Tiefes christliches Grundverständnis

Zum Verhängnis wurde den Geschwistern Scholl eine Aktion am Vormittag des 18. Februar. Beim Auslegen des sechsten, von dem später ebenfalls verhafteten und ermordeten Kurt Huber verfassten Blatts in der Universität stieß Sophie Scholl einen Stapel vom zweiten Stock in den Lichthof des Gebäudes. Sie wurden vom Hausmeister, einem SA-Mann, entdeckt und nach Verhör durch den Universitätspräsidenten, einem überzeugten Nationalsozialisten, der Gestapo überstellt. In den Verhören, so ist den Protokollen zu entnehmen, bekräftigten die Geschwister ihre prinzipielle Gegnerschaft zum NS-Regime und seiner Ideologie.

Hans und Sophie Scholl verteidigten Freiheit und Menschenwürde aus einem tiefen christlichen Grundverständnis heraus. Aufgewachsen in einem liberalen evangelischen Elternhaus, zeigten sie anfangs Sympathien für die NS-Jugendorganisationen, wandten sich aber ab, als sie die totalitären Ziele des NS-Staates immer deutlicher erkannten.

Hans Scholl kam in Kontakt mit katholischen Theologen wie Theodor Haecker und Carl Muth. Eine wichtige Rolle für seinen Entschluss, Widerstand zu leisten, dürften neben seinen Fronterlebnissen auch die Predigten des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen spielen.

Das Gewissen in barbarischen Zeiten

Für die umfassend gebildete, musikalisch und literarisch interessierte Sophie Scholl war ein intensiver Glauben einer der wesentlichen Impulse, dass sich die 21-Jährige – gegen den Willen ihres Bruders – der Widerstandsbewegung aktiv anschloss. Die Biologie- und Philosophie-Studentin wirkte im Januar 1943 erstmals daran mit, ein Flugblatt herzustellen und zu verteilen.

Für Sophie wie für Hans Scholl war die Entwicklung ihres politischen Bewusstseins eng mit der Vertiefung ihres Christentums verbunden. Der „christliche Mensch sei Gott mehr als dem Staat verantwortlich“, waren sie überzeugt. Der Münchner Weihbischof Ernst Tewes brachte es auf den Punkt: „Sie hatten die Unbedingtheit ihres Gewissens erfahren und wurden durch nichts davon abgebracht.“

Heute, 75 Jahre nach ihrer Hinrichtung, sind die Geschwister Scholl und die anderen Mitglieder der Weißen Rose ein Beweis, dass selbst unter barbarischen Zeitläuften der Einzelne die Chance hat, nach seinem Gewissen zu handeln.

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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