Löw hat WM-Kader in Dortmund verkündet, doch das Treffen von Özil / Gündogan mit Erdogan überschattet die DFB-Show

So. Jetzt ist es heraus. Bundestrainer „Jogi“ Löw hat heute in Dortmund sein vorläufiges Aufgebot für die Fußball-WM verkündet. Ein verdammt ungünstiger Zeitpunkt. Just gestern war bekannt geworden, dass die beiden deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, Mesut Özil und Ilkay Gündogan, in London gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Erdogan für Fotos posiert und liebedienerisch Trikots ihrer Vereine Arsenal und Manchester City für ihn signiert haben. Gündogan schrieb gar den Zusatz „Für meinen Präsidenten“. Bloß gut, dass der Kerl den BVB verlassen hat!

Irgendwo in diesem Fotografengewühl saß Bundestrainer Löw. (Screenshot / ZDF Sport)

Irgendwo in diesem Fotografengewühl saß Bundestrainer Löw. (Screenshot / ZDF Sport)

Die beiden Spieler, die anscheinend außer Fußball und weit überzogenen Millionenbeträgen nicht allzu viel im Kopf haben, sehen Erdogan also als „ihren Präsidenten“ an. Und das als deutsche Staatsbürger. Und das mitten im türkischen Wahlkampf, in dem die dämliche Aktion als Sympathiewerbung für den Despoten wahrgenommen wird. Das haben Erdogan und seine Berater perfide eingefädelt. Im Nachhinein wollten die Spieler es als Geste der Höflichkeit verstanden wissen. Lächerliche Ausrede.

Na, klar: Die beiden fahren mit

Diese völlig unnötige, verwerfliche Aktion war gewiss bewusst so hinterhältig terminiert. Was wäre geschehen, wenn sich Löw im letzten Moment ein Herz gefasst und die Nominierung der beiden zurückgezogen hätte? Aber nein, der Bundestrainer glaubt die Herrschaften für die „kreativen Momente im Mittelfeld“ zu brauchen, wie es im Sportreportersprech heißt. Alles ganz unpolitisch, versteht sich.

Leute, ihr ahnt vielleicht, was jetzt in den (a)sozialen Netzwerken los ist. „Spaßes“halber, nein: Aufregungshalber habe ich mal auf der Facebook-Seite der CSU gestöbert. Da geht’s in den Kommentaren richtig zünftig ab. Dass Özil und Gündogan ihre deutschen Pässe abgeben sollen, ist noch einer der milderen Vorschläge. Nein, mit dem AfD-Auftritt habe ich mir dann nicht mehr die Kante gegeben.

Bei jedem Fehlpass wird gegiftet werden

Özil und Gündogan haben nicht nur dem Nationalteam und allen Integrations-Bestrebungen, sondern auch sich selbst enorm geschadet. Was wird während der WM passieren? Bei jedem kleinen Fehlpass von Ö. oder G. werden Millionen selbsternannte Bundestrainer giftige Sprüche absondern – nicht alle vollkommen unberechtigt.

Das alles spielt jenen in die Karten, die ohnehin keine Spieler mit ausländisch klingenden Namen in der Mannschaft sehen wollten. Und mit den hochdotierten Werbeverträgen der beiden Fußballkasper dürfte es auch nicht zum Besten stehen. Welche Firma will schon (wenn auch nur indirekt) mit einem wie Erdogan in Verbindung gebracht werden?

Das Problem kleingeredet und schnell weggebügelt

Doch bei der heutigen Pressekonferenz im Deutschen Fußballmuseum zu Dortmund wurden etwaige Bedenken allesamt rasch weggebügelt. Wortblasen des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel: „Menschen können Fehler machen. Und wir müssen das Maß wahren.“ Man werde zum Miteinander zurückkehren und das Trennende überwinden. Fall erledigt. Joachim Löw sekundierte, es sei „keine glückliche Aktion“ gewesen, die Jungs hätten aber einen guten Charakter, es werde ihnen eine Lehre sein. Und dann, besonders bildkräftig: Bei Spielern mit Migrations-Hintergrund schlügen oft zwei Herzen in einer Brust, die schwer unter einen Hut zu bringen seien. Alles klar?

Andere, eher sportliche Einzelfall-Entscheidungen standen so ziemlich im Schatten des hochnotpeinlichen Vorfalls. In Dortmund gab’s ein bisschen medienwirksamen Budenzauber. Das Fußballmuseum war draußen mit 26 Schattenrissen verhängt, die nach und nach durch Porträts der auserkorenen Spieler ersetzt wurden. Das Museum blieb derweil ganztags geschlossen.

Und was ist nun herausgekommen, nachdem der Berg gekreißt hatte?

Ohne Mario Götze und Sandro Wagner

Dass Mario Götze nicht benannt werden würde, war schon im Vorfeld sonnenklar, zumal Joachim Löw selbst in weitaus besseren BVB-Zeiten Berührungsängste hatte, was Dortmunder Kicker anging. In aller Regel nahm er lieber noch einen Münchner und noch einen Landsmann aus dem Südwesten mit… Reicht ja auch, wenn er seine Entscheidungen in Dortmund bekanntgibt. Naja, immerhin steht der Dortmunder Marco Reus (Löw: „Eine besondere Waffe“) im Aufgebot.

Die Namen des vorläufigen Kaders – ohne Mario Götze, ohne Sandro Wagner, vorerst mit Manuel Neuer – wurden in schneller Abfolge eingeblendet (siehe Liste am Schluss), sodann kommentierte Löw seine Präferenzen. Man muss das nicht alles zitieren. Beinahe beiläufig erfuhr man noch, dass die Verträge von Löw und seinem Trainerteam bis 2022 verlängert worden sind.

WM-Vorfreude hält sich vielfach in Grenzen

Es scheint so, als hätten viele Fußballfans eh keine rechte Lust auf diese kommende WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli), bei der sich ab Mitte Juni Präsident Putin im Licht der Weltöffentlichkeit sonnen will, in mancher Hinsicht ein Ungeistesbruder von Erdogan. Der Missmut darüber wird allenfalls noch übertroffen von mulmigen Gedanken an die darauf folgende WM 2022 in Katar. Alles ganz unpolitisch, versteht sich.

Auch an solchen trüben Aussichten mag es liegen, dass sich selbst in der „Deutschen Fußballhauptstadt“ Dortmund nicht genügend Sponsoren für größere Public-Viewing-Veranstaltungen zur WM gefunden haben. Es sieht ganz so aus, als seien die Zeiten fürs bierselige Rudelgucken eh vorbei, weil viele Leute daheim inzwischen ziemlich große Bildschirme oder Beamer haben. Und der Kühlschrank ist auch groß genug.

Ach, übrigens: Die Türkei nimmt gar nicht an der Fußball-WM teil. Sie hat sich – ebenso wie Holland und Italien – nicht qualifiziert. Hätten sich Özil und Gündogan seinerzeit für die türkische Nationalmannschaft entschieden, wär’s jetzt also Essig mit der WM.

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Die 27 nominierten Spieler im vorläufigen Kader (endgültige Liste mit 23 Namen folgt am 4. Juni):

Tor: Neuer, Leno, ter Stegen, Trapp
Abwehr: Boateng, Ginter, Hector, Rüdiger, Tah, Hummels, Kimmich, Plattenhardt, Süle
Mittelfeld und Angriff: Brandt, Draxler, Gomez, Goretzka, Gündogan, Khedira, Kroos, Müller, Özil, Petersen, Reus, Rudy, Sané, Werner

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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5 Antworten zu Löw hat WM-Kader in Dortmund verkündet, doch das Treffen von Özil / Gündogan mit Erdogan überschattet die DFB-Show

  1. Bernd Berke sagt:

    Erst sagen die DFB-Herrschaften aus purer „Staatsraison“ nichts – und auf einmal blöken sie los. Das Ganze ist nur noch eine Farce: https://www.t-online.de/sport/fussball/id_84080304/wm-2018-nach-zoff-dfb-boss-grindel-draengt-mesut-oezil-zu-stellungnahme.html

  2. Bernd Berke sagt:

    Allmählich reicht’s mit dem Herrn. Schade, dass der endgültige Kader seit gestern schon steht: http://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-elf-oezil-schwaenzt-medientag-wegen-kritik-an-erdogan-foto-1.4003056

  3. Josef König sagt:

    Lieber Bernd,

    den hier abgelassenen Ärger kann ich gut nachvollziehen und dafür gibt es ziemlich gute, von Dir genannte Gründe. Und dennoch würde ich einige Stufen niedriger die Sache hängen.

    Um es mal einfach auf mich zu beziehen: Selbst nach inzwischen 55 Jahren in Deutschland hängt nicht nur mein „Fußballherz“ in Brasilien und ich habe wahrlich gelitten, als Deutschland die Brasilianer mit 7:1 abgefertigt haben. Das Gefühl lässt sich verdrängen, nicht aber ausschalten.

    Daher kann ich zurückfragen, was wäre wenn es ein Deutsch-Italiener, ein Deutsch-Engländer, ein Deutsch-Amerikaner gewesen wären, die sich so verhalten haben. Letztlich ärgert uns doch die politische Instinktlosigkeit der beiden und dass sie nicht 100% dem Deutschen Herz zugewandt sind – wobei „wir“ Deutsche uns ja auch noch 40 Jahre, nachdem die ersten Türken als „Gast“-Arbeiter kamen, ihnen noch unsere Vorteile angemessen präsentieren.

    Wie gesagt: Man kann sich darüber ärgern, man kann aber auch Gründe finden, wenn man sich an die eigene Nase packt.

    In diesem Sinne – herzlicher Gruß
    Josef

  4. Bernd Berke sagt:

    Je nun, um den BVB geht es hier nur in zweiter Linie. Das ist eine ganz andere Großbaustelle.

  5. Karl H. Lötzer sagt:

    Über den leider völlig verboszten und verstögerten Tuchel-Shooting-Star der letzten Saison fällt bei Löw kein Wort mehr. Wann begreift Watzke endlich, dass ein echter Neuaufbau zuerst nur noch damit beginnen kann, lieber die mental kaputten Altstars für Kleines sofort zu verhökern als auf ihre zweite Identitätsfindung zu warten.

    Der Absturz des gesamten BVB-Kaders durch Watzkes und Sahins ekelhaften Tuchel-Mobbing schon weit vor dem Pokalsieg und dem anschließenden Ausverkauf spielbestimmender Persönlichkeiten war abzusehen. Es ist der Beweis, dass sich die gesamte Vereinsführung im Auftrag ihrer provinziellen profitgeilen Shareholder total verzockt haben und jetzt immer noch nicht darauf vorbereitet sind ein neues Konzept ohne zu erwartende immense Kostensteigerungen durchzuziehen. Resultat: Es werden genau die Spieler bleiben, die Watzke zurückgeholt hat, um den Fans vorzutäuschen, dass nur sie auf Grund ihrer Erfahrung, die Karre wieder aus dem Dreck ziehen können.

    Gekauft werden ein paar abgelegte Altstars wie etwa Lichtsteiner, während Spieler wie z.B. Hector lieber in die Zweite Liga statt nach Dortmund gehen. Ein paar Scheineinkäufe von jungen „entwicklungsfähigen“ Spielern „auf Perspektive“ kommen dazu … die werden jedoch – wie gehabt – wieder abgeschoben oder ausgeliehen. So hat Watzke (bis heute!) bei ca. 30 angewickelten Transfers in kürzester Zeit in einer Saison 450 Millionen Transfergewinne erzielt und noch mit viel Glück den vierten Platz erreicht. Die Mannschaft, der Teamgeist, das positive Gefühl sind jedoch vorerst im Eimer. Und der neue Trainer und Watzke-Freund wird dem BVB den Rest besorgen.

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