John Carpenters „The Ward“ – ein November-Gruselchen

Das Genre Grusel, Horror, Gänsehaut und Co. ist ja generell nix für mich. Probieren tu ich’s trotzdem immer mal wieder, so vorurteilsfrei wie möglich, denn es gibt ja auch wirklich spannende und gute Filme dabei.

Im Vorspann zündet eine blonde junge Frau per Streichholz die Gardinen eines Farmhauses an, und während das Haus lichterloh brennt, kommt auch schon die ländliche Feuerwehr angetütatat, und das Nächste, was wir sehen, ist diese blonde Frau Kirsten (Amber Heard) in der Klapse. Ab hier jetzt denk ich schon, dèja vu, kennste: „Girl Interrupted“ aus dem Jahr 2000 (Regie James Mangold). Mit einer ziemlich jungen Winona Ryder und Angelina Jolie (das einzige Mal, wo sie mir gut gefiel – als Irre).

Zurück zu „The Ward“ jetzt. Nach einer halben Stunde tummeln sich da mindestens ein halbes Dutzend Darsteller (die mir alle unbekannt sind bis auf Heard, deren Namen ich schon mal auf der Besetzungsliste anderer von mir gemiedenen Gruselorgien gelesen habe). Und weil ja jeder weiß (auch die, die noch nie in der Geschlossenen waren), dass es da immer einen großen Aufenthaltsraum gibt, möbiliert mit Omas alten Sofas und Sesseln vom Speicher und ausrangierten Bürostühlen der Sechziger, hat man die uns freundlicherweise da hingestellt. Und der alte Schwarzweiß-Fernseher. Die Beleuchtung ist gern ein schmuddeliges Sepia mit tanzenden Staubpartikeln, also auch die Deko überrascht überhaupt nicht. Vermutlich aus ökonomischen Gründen wird allgemein zur Abendstunde am Strom gespart, denn ins solchen Filmen muss das Anstaltsinnere düster bleiben.

Szene mit Amber Heard aus "The Ward" (Bild: Concorde)

Szene mit Amber Heard aus "The Ward" (Bild: Concorde)

Die Insassinnen sehen aus, wie man sich die üblichen irren Frauen vorstellt. Kennen wir doch alle, die Ein oder Andere: auf den ersten Blick und Ton ein Girl wie du und ich, aber spätestens, wenn die verkniffene Krankenschwester dem widerspenstigen Opfer Medikamente in den Schlund rammt, merkt man, ach ja, klar, die muss irre sein, wenn sie die nicht will. Ansonsten: Die Insassinnen sind alle jung, hübsch, korrekt geschminkt und modisch gekleidet. Na ja, ein bisschen verhaltensauffällig. Aber sonst?

Und natürlich gibt es dann eine Irre, die in Wirklichkeit gar nicht irre ist, sondern nur ein bisschen traumatisiert und verwirrt und amnesiert. Kirsten. Da ist auch der Arzt, Dr. Stringer, der mich etwas an Seymour Philip Hoffman gekreuzt mit David McCallum erinnert, aber Jared Harris heißt, von dem ich auch noch nie gehört habe, weil er mir in der 4. Staffel von „Mad Men“ und in „Benjamin Button“ leider nicht aufgefallen war. Gefällt mir aber in der Rolle als Irrenarzt. Ein bisschen verwaschen, profillos, trotzdem fahl bedrohlich.

Es gibt die böse Schwester und die liebe Schwester (bad cop – good cop) und so nach 45 Minuten weicht der Film etwas von „Girl Interrupted“ ab, denn Kirsten berichtet nun, dass sie einen Geist sieht, der nachts rumschleicht. Doch irre? Wobei, nachts Gespenster sehen oder hören, meine Güte, wer hat das noch nicht? Sind wir deshalb gleich irre? Kleine Monster unterm Bett oder im Schrank… kennen wir doch alle.

Na gut, dann fällt von irgendwo eine halbverweste Hand mit Arm von der Decke, ohne Körper dran, aber die Gänsehaut will sich einfach nicht einstellen (selbst bei mir nicht, und ich bin ein extraweiches Weichei).

Ein diabolische Pfleger übernimmt jetzt das Gruselprogramm, gefolgt von einem krassen Schnitt auf die freundliche Architektur der Anstalt inmitten lieblicher Herbstlandschaft. Dann noch’n bisschen Zwangsjacke, Kreissäge, Zwangsbepillung und ne Verfolgungsjagd durch die düsteren Kellergänge der Anstalt, verbunden mit Hechelei, Schreierei und Möbelzusammenkracher und Umfallerei.

Mr. John Carpenter, you’ve done better before.
Alles in allem, bei weitem nicht so gruselig wie ich dachte.
Alles in allem, die ganz normale Irrizität.
Alles in allem, muss man nicht sehen.

Zwei fahle Sternchen auf meiner persönlichen Richterskala.

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