Mit starrem Blick nach vorn – zur weiterhin unübersichtlichen Lage beim Dortmunder Konzerthaus

Von Bernd Berke

Dortmund. Man kann es fast mit Händen greifen: Bei den Konzerthaus-Besuchern in Dortmund herrscht derzeit vielfach traurige Stimmung, es drücken die Zukunftssorgen. Seit der Entlassung bzw. „sofortigen Freistellung“ des Intendanten Ulrich Andreas Vogt (der bis 31. Juli weiter seine Bezüge erhält) gibt’s vorwiegend Molltöne an der der Brückstraße. Doch offenbar regen sich Gegenkräfte.

Abwartende Anspannung – so etwa könnte man die Gemütslage der Konzerthaus-Mitarbeiter umschreiben, einer spricht sogar von „Duldungsstarre“; wobei niemand im Hause namentlich zitiert werden möchte, weil öffentliche Äußerungen mit dem neuen Interims-Intendanten Albrecht Döderlein abgestimmt werden sollen.

Döderlein selbst, hauptamtlich Geschäftsführer des Dortmunder Theaters, wünscht sich nun vor allem „Ruhe für unsere Arbeit.“ Es gelte, „Status und die Aufgliedemng“ des Konzerthauses neu zu definieren, ohne das Niveau zu senken. Zur Auslastung (diverse Gerüchte pendeln zwischen 50 und 70 Prozent) mag er noch nichts verraten, man ermittle die Zahlen gerade. Das mit den 50 Prozent sei Unsinn. Die Auslastung liege im Schnitt höher, sie sei aber gegen Ende 2004 stetig gesunken.

Ein ungenannter Konzerthaus-Mitarbeiter zur WR: „Unser Image ist durch die Vorgänge in den letzten Tagen und Wochen schwer beschädigt worden.“ Es frage sich, ob man da noch einen hochkarätigen Nachfolger für Vogt finden könne.

Erste Sponsoren sind abgesprungen

Unterdessen scheint sich die ohnehin schon prekäre finanzielle Lage des Hauses zu verschärfen, sind doch schon Sponsoren abgesprungen, darunter Prof. Michael Hoffmann, der zugleich erzürnt vom Vorsitz der Theater- und Konzertfreunde Dortmund zurücktrat und die Stadtspitzen für die jetzige missliche Lage verantwortlich machte. Insgesamt steuern Sponsoren rund 600.000 Euro jährlich für Aktivitäten im Konzerthaus bei. Kein Pappenstiel.

Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD) ist betrübt über den Rückzug Hoffmanns, der als Kulturförderer „unglaublich viel geleistet“ habe. Aber, so Stüdemann zur WR: „Die Suche nach einem Nachfolger für Herrn Vogt ist gar nicht so schwierig.“ Bis März will er fündig geworden sein. Er sei in den letzten Tagen kaum in Dortmund gewesen, sondern landauf landab auf Intendanten-Suche unterwegs – in welchen Städten wohl? Einige Interessenten hätten sich aus eigenem Antrieb gemeldet. Stüdemanns Folgerung: „Das Konzerthaus wird bundesweit immer noch hoch geschätzt.“

Gutachten voller Binsenweisheiten

Zwischenzeitlich erregte ein Gutachten die Gemüter, das dem bisherigen Konzerthaus-Management Versäumnisse vorhielt. So habe es zu viele Eigenveranstaltungen gegeben, und finanzielle Warnsignale seien übersehen oder gar ignoriert worden. Weder über den Urheber noch die Kosten dieser im städtischen Auftrag erstellten Studie will sich Stüdemann äußern. Derlei Diskretion sei branchenüblich, so der Dezernent, der versichert: „Es war kein Freund von mir, wie schon gemutmaßt wurde. Ich kannte ihn allerdings, denn er ist aus der Branche.“

Doch diese Studie ist wohl kein tauglicher Leitfaden fürs Kommende. Döderlein: „Es stehen praktisch nur Binsen-Weisheiten darin. Außerdem enthält das Papier erhebliche Rechenfehler. Das ist wohl mit der heißen Nadel gestrickt worden und kann nicht viel gekostet haben.“ Jörg Stüdemann lässt unterdessen wissen, dass gleich vier weitere Gutachten zu verschiedenen Aspekten der Konzerthaus-Zukunft vorliegen…

Ein absurdes Gedankenspiel

Matthias Nowicki, Verwaltungsleiter des Konzerthauses, macht mit einem Gedankenspiel die Absurdität der Lage deutlich: Selbst wenn das Haus sofort geschlossen würde, fielen Kosten fast in Höhe der laufenden städtischen Zuschüsse an.

Denn von den jährlich 3,9 Mio. Euro müssten in jedem Falle Zinslästen (1,2 Mio.) und Abschreibungen (1,5 Mio.) abgezogen werden, also insgesamt bereits 2,7 Mio. Euro, die nicht in die künstlerische Produktion fließen, aber halt gezahlt werden müssen. Hinzu kämen weiterhin Heiz-, Strom- und Wartungskosten, wolle man das Gebäude nicht verkommen lassen.

Eigentlich kein Wunder, dass die Stadt Ende 2004 zusätzliche Subventionen in Höhe von (offiziell) 1,4 Mio. Euro nachreichen musste, um die drohende Insolvenz des Konzerthauses zu vermeiden. Man fragt sich, wie der Konzerthaus-Betrieb überhaupt je ohne solche Defizite hätte laufen sollen. Und man rätselt, warum sich die Stadt und Vogt auf solche Bedingungen verständigen konnten.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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