Was in Westfalens Museumskellern verrottet – Soest ist nur ein Beispiel von vielen

Von Bernd Berke

Soest. In den Kellern westfälischer Museen verrotten angeblich Hunderte, wenn nicht Tausende von Kunstwerken. Mit einer Ausstellung beschädigter, gefährdeter aber auch gerade noch rechtzeitig restaurierter Bilder will man jetzt in Soest auf die misslichen Zustände aufmerksam machen – ein Anstoß auch für andere Städte?

Was man im Soester Wilhelm-Morgner-Haus zu sehen bekommt, ist vielfach betrüblich. Bei einer einst unsachgemäß gerahmten Gouache von Emil Schumacher presst das „Schutz“-Glas die Farben flach. Ein Bild vom Namensgeber des Hauses, dem Expressionisten Wilhelm Morgner, wellt sich bedenklich. Es hat offenkundig unter falschen Klima-Bedingungen gelitten. Ein erst kürzlich im Soester Depot wiederentdecktes Werk von Josef Albers (aus der Serie „Hommage to the Square“ / Huldigung ans Rechteck) zeigt deutliche Spuren der Verschmutzung. Andere Gemälde werden bereits von Schimmel angegriffen. Und so kläglich weiter, und so grässlich fort. Der doppelsinnige Ausstellungs-Titel („Bilder, die aus dem Rahmen fallen“) bringt die Misere so ziemlich auf den Begriff.

LWL-Restaurator drängt zur Eile

Restauratoren könnten hier und andernorts eine Menge bewirken, sie könnten den Verfall zumindest stoppen. Doch dafür fehlt bekanntlich das öffentliche Geld. Also will man jetzt (gleichsam im Testlauf für ganz Westfalen) mit der Ausstellung um Bürgerspenden werben. Dafür macht sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) stark, der auch Zuschüsse in Aussicht stellt.

Klaus Kösters vom LWL-Museumsamt mag keine einzelnen Städte mit ähnlichen Problemen nennen. Spielraum für düstere Ahnungen lässt aber sein Satz: „Soest ist kein Einzelfall. Es gibt keine westfälische Stadt, die man hier nicht erwähnen könnte.“ Ergo: Wohl alle Kommunen sind mehr oder weniger betroffen. LWL-Restaurator Eckehard von Schierstaedt drängt zur Eile: „Jahr für Jahr verfallen sonst große Werte.“

Fundus nur verwaltet, nicht gepflegt

Die Restaurierung eines einzigen Bildes kann mehrere tausend Euro kosten, oft geht’s aber preiswerter. Klaus Kösters beziffert den finanziellen Gesamtbedarf allein für Soest auf einen sechsstelligen Euro-Betrag, allerdings im unteren Bereich der somit denkbaren Skala. Rund 3400 Werke stehen insgesamt auf den Besitz-Listen der Stadt, davon etwa 1400 von „höherem Wert“, was immer das heißen mag. Noch ist gar nicht genau ausgemacht, welcher Anteil der Bestände restauriert werden muss.

Nun sind freilich in Soest auch besondere Sünden an der Kunst begangen worden. Hier, wo man bislang keine richtige Kunsthalle (erst seit kurzem fungiert das Morgner-Haus als solche) und dementsprechend kaum kundiges Personal hatte, ist so manches Bild in nicht museumstauglichen Kellern vergammelt. Der Fundus wurde bestenfalls „verwaltet“, jedoch nicht gepflegt. Schlimmer noch: Etliche Bilder, die in Amtsstuben hingen, sind gar spurlos verschwanden. Bis dato hat sich niemand darum gekümmert.

„Bilder, die aus dem Rahmen fallen“. Wilhelm-Morgner-Haus, Soest, Thomaestraße 2: Ab Freitag, 21. Januar (bis 27. Februar). Geöffnet Di-Sa 10-12 und 15-17 Uhr, So 10.30-12.30 Uhr. Eintritt frei.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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