In einem Lachen kann der Zeitgeist stecken – Rheinisches Landesmuseum in Bonn zeigt Fotografien von Will McBride

Von Bernd Berke

Bonn. Fröhliche Szene im Strandbad. Meint man im ersten Moment. Doch dann blickt man genauer hin, und da heißt das Bild: „Ertrunkenes Mädchen wird geborgen“. Nun sieht man plötzlich auch die fassungslosen Gesichter auf dem 1956 in Berlin aufgenommenen Foto. So ist das bei Will McBride. Seine Bilder bleiben oft im Bewußtsein stecken wie ein Pfeil.

McBride, dem Bonn jetzt eine Überblicks-Ausstellung widmet, war US-Soldat in Nachkriegsdeutschland. Er blieb hier, sah mit Sympathie und Distanz, wie das Land sich veränderte. Er wohnte vor allem in Berlin und Frankfurt. In beiden Städten wehte der Zeitgeist früher und heftiger als andernorts. Besonders zur Zeit der Studentenrevolte.

Vorformen des speziellen „68er-Gefühls“, jener kaum definierbaren Aufbruchstimmung, sind bereits in McBrides Bildern aus den späten 50er Jahren zu spüren – als hätte er Vorahnungen gehabt. Dabei war es „nur“ der präzise Blick, auch bei scheinbar ganz privaten Anlässen (Fluß-Fete „Riverboat Shuffle“, 1959). Das Lachen eines jungen Mädchens erzählt da mehr vom erhofften Durchbruch zur Freiheit as ganze Aufsätze. Dazu würde schon eher die Musik der „Doors“ als von Elvis passen.

Keine Landschaften, kaum Stilleben. McBride und seine Kamera suchen immer den Menschen. Den Freak beim Rockfestival porträtiert er ebenso gültig wie Willy Brandt (tieftraurig, einen Tag nach dem Berliner Mauerbau 1961).

Kein Wunder, daß Will McBride zum Star des stilbildenden Magazins „twen“ wurde. Dort ließ man ihm Raum für vielteilige Foto-Essays. „Ziellos zu wandern, wohin du willst“ heißt eine dieser Serien. Es könnte ein Leitmotiv sein.

Ob im bitterarmen Kalkutta oder im Edel-Internat Salem: Der Mensch beschäftigt diesen Fotografen ganz und gar, also auch die Uralt-Motive Geburt und Tod – und der nackte Körper. Die langhaarigen Darsteller des Musicals „Hair“ quetscht McBride 1968 unbekleidet in Pappkartons: Körper als Zeichen, als „Buchstaben“ aus Fleisch, die von ihren Beziehungen zueinander sprechen.

Will McBride. Schwarz-Weiß-Fotografien. Rheinisches Landesmuseum, Bonn, Colmantstraße 14-16. Bis 27. September. Katalog 45 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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