Kunst-Spaziergang wie im dreidimensionalen Lexikon – Stockholms „Moderna Museet“ gastiert in Bonn

Von Bernd Berke

Bonn. Nein, es ist beileibe kein bloßer „Schwedenhappen“, den uns die Bundeskunsthalle serviert, sondern ein reichhaltiges Kunstmenü. Zum vierten Akt der Ausstellungs-Reihe „Die großen Sammlungen“ gastiert am Rhein diesmal das „Moderna Museet“ aus Stockholm. Die teilweise grandiose Kollektion ist derzeit heimatlos, weil das Stammhaus bis 1998 umgebaut wird. So viele Werke wie jetzt wird man dann nimmermehr abgeben.

Der Querschnitt durch die Moderne würde auch eine Reise in den Norden lohnen. Nun aber haben wir’s – bis Januar nächsten Jahres – ganz bequem. Von Picasso bis Mondrian, von Magritte bis Warhol wird alles in Bonn präsentiert, und zwar umfangreicher, als es bisher je in Stockholm möglich war. Zeichen der Bedeutsamkeit: Schwedens Königin Silvia kam eigens zur Bonner Eröffnung der Schau.

Neben den Klassikern der Moderne und Berühmtheiten der Gegenwart kann man etliche hierzulande unbekannte schwedische Künstler entdecken. Sie gehören freilich zum weniger wichtigen Teil der Schau. Einer der ausgestellten Schweden ist allerdings weltberühmt, nämlich der Schriftsteller August Strindberg. Wie man hier sieht, ist er auch als Maler nicht zu verachten. Das im gleißenden Licht flirrende, ins Über-Natürliche ausgreifende Natur-Bild „Das Wunderland“ (1894) könnte von einem hochkarätigen französischen Impressionisten stammen.

Am allerbesten sortiert ist das „Moderna Museet“ offensichtlich im Umkreis der Popart. Kein Wunder, denn das Haus wurde 1958 gegründet und verlegte sich vornehmlich aufs Zeitgenössische. Direktor war von 1959 bis 1973 jener Pontus Hulten, der – welch glückliche Fügung – 1990 „Intendant“ der Bonner Bundeskunsthalle ward. Daher die innige Verbindung beider Museen.

Pontus Hulten und das Gespür fürs Kommende

Hulten muß in seiner Stockholmer Zeit jedenfalls ein untrügliches Gespür fürs Kommende besessen haben, hat er doch – zu den günstigen Preisen der Entstehungszeit – eine der weltweit gehaltvollsten Sammlungen mit Kunst der 60er Jahre zusammengetragen. Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Jean Tinguely, Yves Klein, Frank Stella, George Segal, Claes Oldenburg (gebürtiger Schwede), James Rosenquist und viele andere Größen jener Zeit sind mit markanten Arbeiten vertreten. Da spaziert der Besucher sozusagen durch ein dreidimensionales Lexikon.

Im Katalog kann man nachlesen, wie sehr die Genese einer solchen Sammlung oft von schieren Zufallen abhängt. Da gerieten die Stockholmer etwa an ein Bild von Piet Mondrian, weil der just eine schwedische Freundin hatte. Bemerkenswert ist übrigens ein 1908 entstandenes, zärtlich-realistisches Frauenporträt Mondrians, den man heute nur noch als Heros der geometrischen Abstraktion schätzt.

So viele Berühmtheiten – und ein Rennwagen

Bilder- und Objekt-Ensembles, die ihresgleichen suchen, haben die Skandinavier auch von Pablo Picasso und Marcel Duchamp angehäuft. Daß man „zwischendurch“ immer mal wieder auf den einen oder anderen Kurt Schwitters, Paul Klee, Max Ernst, Marc Chagall oder Joan Miró trifft, versteht sich bei diesem Niveau fast von selbst.

Auf historische Wegmarken eingestimmt, sucht man bei den schwedischen Künstlern nach Vergleichspunkten. Haben nicht die Bilder eines Eric Hallström manches mit denen des Belgiers James Ensor gemein? Weist nicht gar das „Zeitbild“ (1937) von Sven Erixson, das Passanten in Betrachtung eines Zeitungsaushangs zeigt, schon auf den Neo-Expressionismus eines Jörg Immendorff voraus? Man mag Spielchen mit derlei „Verwandtschaften“ treiben, darf aber den Eigenwert dieser Kunst nicht übersehen.

Das auffälligste Exponat ist übrigens kein Gemälde, sondern ein Real-Objekt: der Lotus-Rennwagen, in dem 1963 Jim Clark seine schnellen Formel-1-Runden drehte und der kurzerhand zum Kunstwerk im Grenzbereich von Technologie und Ästhetik erklärt wurde. Ganz im Sinne der Pop-art.

„Moderna Museet“ zu Gast in der Bundeskunsthalle Bonn (Friedrich-Ebert-Allee 4, „Museumsmeile“). Bis 12. Januar 1997. Öffnungszeiten: Di-So 10-19 Uhr. Eintritt 8 DM. Katalog 68 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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