Die WAZ schenkt kräftig ein: Gin und mehr mit Bergbau-Anmutung

Ein Ginflaschen-Verschluss anderer Provenienz – nicht bei WAZens zu erwerben. (Symbolfoto: Bernd Berke)

Wahrscheinlich haben die Trendsetter schon wieder eine andere Flüssigkeit ausgerufen, doch dem durchschnittlichen Genießer gilt wohl immer noch der Gin als d a s hochprozentige Getränk dieser Jahre. „Gib deinem Leben einen Gin!“ appelliert neuerdings eine Werbetafel im Supermarkt, wo dem Feuerwässerchen eine auffällige Extra-Präsentation zuteil wird.

Nicht nur in good old England, wo Gin immer schon besonders geschätzt wurde, weiß man, dass sogar die Queen sich in schöner Regelmäßigkeit ein paar Schlückchen gönnt. Nun ist der vermeintliche Hype auch im Marketing der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) angekommen. Frei nach Schiller: „Spät kommt er, doch er kommt…“ Diese leichten Verspätungen haben ja auch etwas sympathisch Schrulliges. Eile mit Weile – dem Zeitgeist gemächlich hinterdrein.

Mythos vom Kumpel in Ewigkeit

Doch was hat die WAZ mit dem Gin zu schaffen? Nun, ausweislich einer Eigenanzeige auf der heutigen Titelseite bietet das Blatt in seinem Shop „Mineur Gin“ an. Oh, là là! Französisch. Das klingt doch beim ersten Hinhören recht kultiviert und distinktiv. Mineur heißt Bergmann, kann jedoch auch „zweitrangig“ oder „minderjährig“ bedeuten, aber diese beiden Varianten kommen hier eher weniger infrage.

Zurück zum Mineur als Bergmann. Die WAZ wird gewiss bis in alle Ewigkeit den Mythos vom Kumpel pflegen, die Zechen gehören ja gleichsam zur DNA des Blattes. Und so prangen auf dem Flaschenetikett denn auch zwei Bergleute mit Helm und Hacke. Der Wahl- und Werbespruch dazu lautet „So ehrlich wie die Menschen im Ruhrgebiet“. Na gut, das ist ein bisschen dem Motto der Dortmunder Bergmann-Brauerei nachempfunden, deren Bier mit „Harte Arbeit, ehrlicher Lohn“ angepriesen wird. Sei’s drum.

Heimaterde, Kohlenjunge, Püttmann

Klickt man sich durch den WAZ-Shop, so findet man weitere – allesamt etwas krampfhafte – Ruhri-Anmutungen wie den „Gin Heimaterde“, den „Püttmann“ (Lakritzlikör mit demselben Kumpel-Bild wie beim „Mineur“), einen Kräuterlikör namens „Kohlenjunge“ und den „Mond von Wanne-Eickel“, eine im Profil halbmondförmige Buddel mit Apfel-/Birnen-Likör. Wohl bekomm’s.

Um ehrlich und beinahe sachlich nüchtern zu bleiben: Der „Mineur Gin“ hat 44,7% Vol. oder über 44 „Umdrehungen“, wie unverbesserliche Humoristen zu juxen pflegen. Hoffentlich stoßen nicht die Hacker damit an, die die Computersysteme der Funke-Gruppe (und somit auch der WAZ) bundesweit attackiert und für Wochen lahmgelegt haben. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, über die wir nicht scherzen sollten. Sagen wir’s halt mit Wilhelm Busch: „Wer Sorgen hat, hat auch Likör.“

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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