Eine Welt voller Fälschungen – Hagener Ausstellung über Imitationen

Von Bernd Berke

Hagen. Die „Betenden Hände“ sind im Osthaus-Museum zu sehen, aber sie stammen nicht von Dürer. Auch die „Démoiselles d’Avignon“, Ur-Bild der Moderne, sind hier nicht von Picasso. Und ein gleichfalls berühmtes Pissoir-Becken ist nicht jenes Objekt, das Marcel Duchamp seinerzeit zur Kunst erklärte (wobei der ja selbt schon den Originalitäts-Begriff ad absurdum führte).

Bei der Ausstellung „Imitationen“ dreht sich eben alles – verwirrend vielfaltig, vertrackt vielschichtig – um Fälschungen, Nachahmungen, Duplikate, Simulationen, Kopien, Parodien und dergleichen mehr.

Die Ausstellung kommt aus Zürich. Sie war dort in einer großen Halle des Museums für Gestaltung zu sehen, wo man sich hauptsächlich mit Design befaßt. In Hagen hat man einiges verändert. Die Schau schlängelt sich hier durch weite Teile des Museums, sie greift auch – beinahe dschungelhaft – auf den Altbau über. Aber man hat hier durch das Design-Dickicht „Kunst-Schneisen“ geschlagen, wie es einem Kunstmuseum zu Gesicht steht.

Auf die falsche Toilette gelockt

Auf dem Geländer sitzt ein Junge, er droht in die Tiefe zu stürzen. Wenn man schon „Vorsicht!“ rufen will, merkt man: es ist eine Plastik. Fälschungen überall. Selbst der Feuerlöscher an der Wand stammt von einem Künstler. Ja, die Besucher werden sogar auf eine falsche Toilette gelockt, Fotos von Prominenten erweisen sich als Doppelgänger-Porträts. Und die Exponate aus der Warenweit sind allemal verdächtig. Nicht jedes Hemd mit Krokodil stammt bekanntlich von Lacoste.

Auch der Mensch wird „umgefälscht“. Mal besteht der Körper zum Teil aus Prothesen, mal steckt er, als vermeintlich unverletzbarer „Soldat der Zukunft“, in einer roboterhaften Kampfmaschine. die bei diversen Armeen tatsächlich geplant wird.

Und weiter geht’s: eine vor Jahren in Iserlohn gefunde Bombe – schnöde Attrappe; Stücke aus der Berliner Mauer – trotz eines hingehudelten „Zertifikats“ anrüchig.

Am Ende ist man rundum mißtrauisch

Mitunter bekommt man auch einen Einblick in die Werkstätten der Augentäuschung. So hat der Dortmunder Geigenbauer Volker Bley in einem Kasten alle Utensilien gesammelt, mit denen man nagelneue Instrumente auf „Stradivari“ ummodeln kann, Staubschicht der Jahrhunderte inclusive. Man erhält Verwunderungs-Anstöße en masse. Nur eine vom Bochmer Stadtarchiv zusammengestellte Geschichtscollage aus Fundstücken fügt sich nicht ganz glücklich ein.

Am Ende des Rundgangs ist man jedenfalls dermaßen mißtrauisch, daß man selbst die echten Exponate aus der ständigen Sammlung scheel anguckt. Doch die sind genau so echt wie die Besucher, die man gestern zur Eröffnung einer strengen Ausweiskontiolle, vorgenommen durch einen Schauspieler, unterzog.

„Imitationen“. Osthaus-Museum, Hagen. Bis 15. April. Begleitbuch 35 DM, Ausstellungsführer ca. 18 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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