Puppenhafte Spiele im goldenen Rahmen – Oscar Wildes Komödie „Bunbury“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Ein Abend mit Goldrand: Die ganze Bühnenöffnung ist in einen riesigen Bilderrahmen eingefaßt. Unten rechts steht der Titel des ausgestellten Theater-Kunstwerks: „Oscar Wilde: ,Bunbury'“. Die leichtfüßige VerwechslungsKomödie aus der Feder des lässig-eleganten Zynikers – ein museales Stuck? Nun, jedenfalls tut sich vor unseren Augen eine enthobene Kunstwelt auf.

„Bunburysieren“, das heißt bei Wilde: Ausreden erfinden, um sich heimliche Genüsse erlauben zu können. Zwei dandyhafte Junggesellen sind darin Meister: Jack Worthing erfindet einen liederlichen Bruder namens Ernst, den er angeblich immer mal wieder in London zur Tugend ermahnen muß. In Wahrheit erlaubt sich der vom öden Landleben enervierte Jack selbst als jener Ernst Eskapaden in der Großstadt. Sein Londoner Freund Algernon macht’s umgekehrt: Er ersinnt den ständig kränkelnden, hilfsbedürftigen „Bunbury“, um vor dem Zugriff lästiger Verwandtschaft aufs Land flüchten zu können. Daß derlei Idenütäts-Wechsel Verwicklungen zumal erotischer Art mit sich bringen, versteht sich. Doch am Schluß dürfen drei Paare heiraten.

Ungeachtet trefflicher Seitenhiebe gegen die viktorianisehe Gesellschaft, muß man sich mit diesem Stoff weltanschaulich nicht gar zu lange aufhalten. Hauptsache, das Komödien-Uhrwerk schnurrt temporeich ab. Hier wird nahezu alles verziehen, nur Langeweile nicht.

In der Wuppertaler Inszenierung des vielversprechenden Janusz Kica überzeugen schon die Bühnenbilder (Barbara Rückert) auf den ersten Blick. Vor allem aber: Die Geschwindigkeit, mit der den Personen geistreiche Bonmots von den Lippen perlen, stimmt einfach. Da wird leichthin parliert und alles nicht zu ernst genommen. Kein Mitwirkender steht da zurück, allenfalls könnte man Hans-Christian Seeger Jack/Ernst Worthing) als besonders geläufigen Plauderer hervorheben. Etwas überzogen wirkt der Dauergag mit dem tatterigen Butler „Merriman“ (Bernd Kuschmann), der etwa so spielt, als wenn ein gealterter Alfred Biolek in „Dinner for one“ die Rolle des Freddie Frinton übernähme. Da gibt man halt dem Affen kräftig Zucker.

Bester Einfall aber: Eine Art Verselbständigung der Dingweit, die sich hier immer wieder vor und zwischen die menschlichen Beziehungen drängt. So wandern Gegenstände – Golfschläger, Blumensträuße, Teetassen, Regenschirme usw. – nach einem Irrsinns-System von Hand zu Hand; ein unproduktiver Leerlauf, so recht zur Darstellung einer Schmarotzer-Schicht passend.

Das Zwischenmenschliche als „Sport“ nach Regelwerk: Dem Regisseur präzise folgend, agieren hier zappelnde Figuren, keine blutvollen Mensehen. Sie leben nicht, sie spielen nur – wie aufgezogene Puppen, Marionetten ihrer sozialen Rollen. Wie an lockeren Fäden hängen sie zunächst im Halbdunkel; erst das Rampenlicht brennt diesen Selbstdarstellern künstliches Leben ein. Der zweite Teil, wenn alles unaufhaltsam auf die Eheschließungen zuläuft, wird wie nebenher absolviert. Mit der Wunscherfüllung verliert dieses Spiel für die Figuren allen Reiz und Kitzel. Am Ende könnte das nächste beginnen.

Verdient herzlicher Beifall nach unterhaltsamen zweieinhalb Stunden.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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