Aus New York berichtet
Bernd Berke
New York. Die Kultur des Ruhrgebiets „hat in New York erste Anker werfen können“! Das befand NRW-Kultusminister Hans Schwier, der sich gegenwärtig in der Metropole am Hudson River über Erfolg und Fortgang des Projekts „Ruhr Works“ informiert. Diese Festivalreihe der Essener „Kulturstiftung Ruhr“ hat seit September einem gewissen Teil der kulturversessenen New Yorker Szene „Aspekte des Reviers“ nähergetragen.
Für den meisten Gesprächsstoff haben dabei die Tanztheater, Gastspiele von Susanne Linke (Essen) und Reinhild Hoffmann (Bochum), gesorgt. Die ehrwürdige „New York Times“ berichtete allein neunmal über einzelne Veranstaltungen der Reihe, die noch bis Januar 1990 mit Gastspielen aus den Bereichen Musik, Tanztheater, Literatur. Film und Kunst andauern wird. In dem New Yorker Weltblatt war sogar der schöne Reim von „Allure of the Ruhr“ die Rede (Verlockung der Ruhr/Reiz der Ruhr).
Die Kulturstiftung Ruhr will es, wie hier bekannt wurde, „nicht bei dem Ankerwurf“ an der US-Ostküste belassen, sondem zu weiteren Ufern aufbrechen. 1991 soll ein ähnliches Festival in Sao Paulo starten, 1993 ist Tokyo an der Reihe. Minister Schwier zur WR: „Es ist sinnvoll, gerade in solchen Wirtschaftsmetropolen unsere Kultur zu zeigen.“ So soll es denn in New York auch schon erste Anfragen nach Investititionsmöglichkeiten im Revier gegeben haben – wohl nicht veranlaßt, aber vielleicht beflügelt durch die kulturellen Gastspiele.
Andererseits darf man auch nicht in verfrühten Jubel verfallen. Ehrlich gesagt droht die New Yorker Revier-Reihe, die auch einige programmliche Schwachpunkte hat, doch etwas im Gewimmel dieser Riesenstadt „unterzugehen“. 35 000 gedruckte Programm-Magazine von Ruhr Works können die Millionenbevölkerung wohl kaum überschwemmen. Die Stadt bietet einfach enorm viel – von den Rolling Stones, die soeben hier aufgetreten sind, bis hin zu den laufenden Ausstellungen über Velazquez, Picasso und Braque. Günstige Fügung allerdings: die Frage einer „deutschen Wieder-Vereinigung“ wird auch in New York heftig diskutiert. Das schafft unverhofftes Interesse für solche Belange, indirekt also auch für deutsche Kultur.
Immerhin kamen jetzt zum Beispiel rund 500 Vernissage-Gäste zur Eröffnung einer von vier Revierfotografen bestückten Ausstellung im derzeit führenden Künstlerviertel SoHo, das bis vor einiger Zeit verfallen war und nun plötzlich die meisten, besten und teuersten Galerien der gesamten Stadt beherbergt. In seiner explosiv-kreativen Atmosphäre entfernt an Berlin-Kreuzberg erinnernd, ist dieses quirlige Stadtquartier Schauplatz eines unablässigen „Gallery Hopping“, eines Lieblingssports der hiesigen Kunstszene, der einfach darin besteht, von Galarie zu Galerie zu laufen und „in“ zu sein. Mit dem, was sich allein in diesem Bezirk an Galerien ballt, kann zum Beispiel ganz Köln nicht konkurrieren.
Seltsam übrigens, nach über 6000 Kilometern Flug, hier fotografische Ansichten des Ruhrgebiets wiederzufinden – von Dortmund, Essen oder Bottrop. Noch seltsamer und schwer in Worte zu fassen: diese Aufnahmen lassen eine gewisse unterschwellige „Verwandtschaft“ zwischen dem Revier und New York erahnen. Als Bochums Ex-Theaterchef Claus Peymann vor Jahren sagte, das Revier sei New York, wisse es aber nicht, hatte er wohl nicht ganz Unrecht. Bestärkt wird dieses Gefühl noch durch einen Besuch in der Clocktower-Gallery, die ebenfalls Revierfotos zeigt und außerdem mit einem fast konkurrenzlosen Dachterrassen-Rundblick auf Manhattans Skyline lockt.
Beim New Yorker Goethe-Institut, das Ruhrworks mitorganisiert, zeigt man sich übrigens mit dem bisherigen Verlauf der Revierreihe zufrieden. Es gebe, so Institutsleiter Jürgen Uwe Ohlau, in der Bunderepublik nur ganz wenige Regionen, deren kulturelle Substanz für solche Projekte ausreiche. Das Ruhrgebiet gehöre auf jeden Fall dazu.