Grenzgänge zwischen Wörtern und Bildern – Ausstellung „In other words“ im Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Am Anfang war das Wort. Oder waren die Bilder doch vorher da? Gleichviel: Derlei Uralt-Fragen müssen wir nicht lösen, um uns mit Buchstaben-Gebilden der Kunst zu befassen. Für die neue und sehr interessante Ausstellung des Dortmunder Ostwall-Museums genügt zunächst der wache Blick.

Später kann man dann z. B. auch ein Englisch-Wörterbuch zu Rate ziehen, denn die meisten der Text-Bilder sind in dieser Sprache „abgefaßt“. Zehn der 13 vorgestellten (und teils recht prominenten) Künstler(innen) stammen aus den USA oder leben dort. Dort hatte Anna Meseure vom Ostwall-Museum auch die Idee zu dieser Präsentation, dort fiel ihr auch der Titel ein: „In other words“ (Mit anderen Worten).

Die bildhaften Sprach-Inszenierungen reichen vom Lachreiz (Richard Prince mit Witztexten auf einfarbigen Untergründen) bis zur vertrackten Philosophie, von plakativen Wörterlandschaften bis in jene Grenzbezirke, wo das Bild in „konkrete Poesie“ übergeht. Den Hauptstrang der Auswahl benennt das Schlagwort Konzept-Kunst. Dieser kopfbetonten Richtung, die sich neuerdings wieder besser gegen entfesselte Malwut behauptet, ist die Kunst-Idee allemal wichtiger als deren Ausführung in Werkgestalt.

In Dortmund steht freilich nicht die radikale Richtung der Konzept-Kunst zur Debatte, die sich mit Einfâllen beschied. Auffallend: Fast alle Künstler (Ausnahme: Ben Vautier) bedienen sich nicht der Schreibschrift, sondern unpersönlicher Formen wie etwa des Druckes oder gar der elektronischen Darbietung. Zeichen der Entfremdung?

Für plakatives, aber gleichwohl hintersinniges Vorgehen steht Les Levine, der zusätzlich reale Plakatwände im Stadtgebiet gestaltet hat. „Hasse dich selbst“, „Verführe dich selbst“ – solche Botschaften prangen einem da wie Werbung entgegen, intimste Regungen öffentlich machend.

Strenger und recht nah bei der Sprachwissenschaft (Linguistik) angesiedelt, sind die Arbeiten von Thomas Löcher, der Wortfelder zur eigenständigen Ordnungswelt/Weltordnung „stapelt“ oder auflistet – Sprache als reines Denksystem. Sprache aber auch als Lebens-Zeichen: On Kawara schickte aus verschiedenen Weltecken Ansichtskarten oder Telegramme: „I’m still alive“ (Ich lebe noch), lautet die lakonisch-postalische Mitteilung.

Mit Neonröhren stellt Maurizio Nannuci seine Kunstschriften in den Raum. Sie kriechen als Wortschlangen am Boden oder deckenwärts, sie erstrahlen als abstrakte Vierecke an der Wand, wobei der eigentliche Wortlaut aus Farblinien erst errätselt werden muß. Nancy Dwyer formt Lettern zu hohen, röhrenartigen Blöcken: „Your Face“ (Dein Gesicht) steht da wie ein ehernes Monument der Meditation.

Die früheste Arbeit stammt von Joseph Kosuth und verschränkt irritierend drei Ebenen der Realität: „One and three chairs“ (1965) besteht aus der wortwörtlichen Lexikon-Definition eines Stuhls, einem echten Stuhl und dem Foto eines Stuhls.

Übrigens: Endlich wieder eine veritable Kunst-Ausstellung im Ostwall-Museum und kein kulturhistorischer Exkurs! Letzteres gehört (wofür man sich am Ostwall auch stark machen will) ins Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße.

(Bis 15.10., di-so 10-18 Uhr, Katalog 38 DM).

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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