Paris als Bühne des Lebens – Fotografien von Fritz Henle

Von Bernd Berke

Dortmund. Ursprünglich waren Fritz Henles Paris-Fotografien ein Fehlschlag. Die berühmte (und in Sachen Fotografie stilbildende) US-Illustrierte „Life“ hatte den gebürtigen Dortmunder 1938 eigens in die Seine-Metropole entsandt. Der ließ sich denn auch vierzehn Juli-Tage lang durch die Weltstadt treiben und hielt Facetten einer heute längst versunkenen Lebenswelt fest.

Doch die amerikanischen Auftraggeber druckten die auch technisch hervorragenden Bilder damals nicht, sie hatten wohl ein ganz anderes Paris-Bild in den Köpfen: ein bißchen Can-Can, ein bißchen Toulouse-Lautrec – das konnte und wollte „Mister Rollei“, wie er wegen seiner bevorzugten Kamera genannt wird, nicht liefern.

Jetzt, aus Anlaß seines 80. Geburtstags, richtet ihm die Geburtsstadt eine Ausstellung der Paris-Bilder aus, die für Henle (neben einer Präsentation in New York) „zu den beiden schönsten meines Lebens“ zählt. Diese Ausstellung wird durch viele deutsche Städte und nach Paris wandern.

Henle, 1936 schon ein international bekannter Lichtbildner und aus Nazi-Deutschland in die USA emigriert, hat sich Paris nicht mit sozialkritischem oder politisch geschärftem Blick genähert, obwohl er 1938 natürlich wußte, daß NS-Deutschland Frankreich als Feindesland ansah. Er suchte Szenen ästhetischer Harmonie, die er nach eigenem Bekunden in seinem Inneren verspürte. Auch Armut wirkt, so gesehen, idyllisch.

Menschen aller Gesellschaftsschichten stehen im Mittelpunkt. Grundsätzlich aber gilt für Henle, der sich nie thematisch festlegen ließ und nach dem Krieg auch Industrie- und Modefotos nicht scheute: Alles, was vors Auge der Kamera gerät, kann interessant sein.

Henles schweifender, „flanierender“ Blick entdeckte in Paris lauter Bühnen des Lebens, er fand eine Themen-Überfülle eher an den Rändern der Ereignisse. Bestes Beispiel ist die Serie über den Auftritt eines Drehorgelspielers nebst Affen. Der Mann taucht lediglich auf zwei Bildern auf, dann zeigt Henle nur noch die Reaktionen der Zuschauer. Sichtbar werden Wirkungen und Widerschein des Geschehens auf den Gesichtern.

Fritz Henle: „Paris 1938″ (Fotografien). 24. Juni bis 27. August. Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund, Hansastr. 3. Katalog 34 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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