Von Bernd Berke
Die US-Schriftstellerin Sylvia Plath hat sich 1963 – mit nur 30 Jahren – das Leben genommen. Ihre Bücher enthalten zwar keine ungefilterte Vorgeschichte dieses verzweifelten Schrittes, sondern bemerkenswerte literarische Schöpfungen. aber biographische Partikel scheinen in den Erzählungen doch immer wieder durch; meist in Form einer unterschwelligen, gleichsam leise sirrenden Bedrohung.
Selbst zunächst ungetrübt scheinende Glücksphasen werden da alsbald sanft und kaum merklich überschattet. Die Katastrophe nistet überall, in jedem Winkel. Und manchmal bricht sie hervor.
Typisch ist jene traurige Kindheitsgeschichte: ein baumstarker Vater, dem die Tochter blind vertraut. Doch dann siecht der Mann, von einer geheimnisvollen Krankheit befallen, dahin. Es bedeutet für die Tochter das Ende der Zuversicht, des Vertrauens in die Welt.
Überhaupt ist das Gleiten aus vermeintlich sorgloser Kindheit ins bedrohliche Erwachsenen-Leben, ist das „verlorene Paradies“ eines der Hauptthemen von Sylvia Plath; beispielsweise in der Erzählung „Superman und Paula Browns neuer Schneeanzug“, in der kindliche Comic-Phantasien mit furchtbaren Kino-Szenen aus dem amerikanisch-japanischen Krieg düster unterlegt werden. Da zerstäuben alle Illusionen über den Zustand der Welt.
Die meisten Geschichten werden leichthin und „beiläufig“ erzählt, üben dann aber eine Art Sog ins Dunkle aus. Die stärksten Erzählungen sind jene, in denen diese Verwandlung lautlos vor sich geht, so etwa „Diese Witwe Mangada“, die zunächst ganz unterschwellige Querelen um Mietbedingungen in einer spanischen Ferienwohnung beschreibt, dann aber hart an seelische Substanz rührt.
Etwas aus dem Rahmen fällt die Story „Steinknabe mit Delphin“ rund um eine College-Fete. Da sind die Verstörungen der Hauptperson überdeutlich in die Außenwelt projiziert, die damit von Anfang an verzerrt erscheint. Überall stürzende Linien, fast wie in einem expressionistischen Bild oder Film. Auch in der titelgebenden Geschichte eines körperlich-seelischen Verfalls, „Zungen aus Stein“, kommt ein schrecklicher Selbstauslöschungs-Drang offen zur Sprache.
Sylvia Plath: „Zungen aus Stein“. Erzählungen. Frankfurter Verlagsanstalt, 36 DM.