„Marktplatz Ruhrszene“: Literatur an der Wäscheleine, Schülerzeitung auf Video und vieles mehr

Von Bernd Berke

Bochum. Mit rund 150 Auftritten und Selbstdarstellungen in 80 Kojen hat von Freitag bis gestern der 4. „Marktplatz Ruhrszene“ etwa 9000 Besueher in die Bochumer Ruhrlandhalle gelockt. Vor zwei Jahren waren 12 000 Besucher in die Essener Grugahalle gekommen.

Die Talentbörse des Reviers wurde in Bochum erstmals auf drei Tage ausgedehnt. Am Freitag hatte der „Schulhof Ruhrszene“ Premiere, bei dem Schulklassen aus dem Revier ihre Künste vorführen konnten, darunter gar eine „Schülerzeitung auf Video“. Die jüngsten Teilnehmer des „Schulhofs“ waren 10 Jahre alt. Gestern wurde beschlossen, diese Talentprobe der Allerjüngsten zum festen Bestandteil des „Marktplatzes“ zu machen.

Neu gegenüber den ersten drei Marktplätzen in Dortmund, Essen und Hamm war auch die Einrichtung eines eigenständigen Literatur-Forums, als dessen sichtbarste Ankündigung eine 50 Meter lange „Wanne-Eickeler Literaturschlange“ auf einer Wäscheleine hing. Zwar etwas abseits im „Judo-Raum“ der Halle postiert, hatten die Autoren diesmal immerhin keine übermäßige Stimmgewalt nötig, um gegen die wieder besonders vielfältig vertretene Rockmusik anzukommen. Der Gelsenkirchener Arbeiterdichter Richard Limpert machte sich allerdings einen verbitterten Reim darauf: „Die Literaten sind geprellt, hinterm Lokus abgestellt“.

Auf der Bühne 3, die der Kleinkunst vorbehalten war, konnten am Samstag vor allem die Dortmunder Blasmusiker von „Atemgold“ und die Duisburger Travestie-Truppe „Pink Chatal Revue“ das Publikum für sich gewinnen. Exotisches war ganz offensichtlich „angesagt“.

Zwischen Bauchrednern, Clowns, Feuerschluckern, Kabarettisten, Musikern (von Rock bis Renaissance), Pantomimen, Puppenspielern, Tänzern und Zauberern aus dem Revier sorgten gestern unter dem Motto ..Szene der Nachbarn“ auch Amateure und Halbprofis aus anderen Ländern und Regionen für Abwechslung. Folkore aus der Türkei, Griechenland, Spanien und Afrika gehörten ebenso dazu wie etwa „plattdeutsche Disco-Musik“ made in Papenburg. Ziel des Veranstalters (Verein „Pro Ruhrgebiet“): Die Ruhr-Szene solle nicht ausschließlich „im eigenen Saft kochen“.

Für den „Marktplatz Ruhrszene“ muß, zumindest bei den Auftrittswilligen, kaum noch geworben werden. Dermaßen etabliert, wird sich der „Marktplatz“ allmählich auch selbst „historisch“. So kamen unter dem Titel „Ruhrszene-Spitze“ einige der erfolgreichsten Gruppen der letzten Jahre, darunter vor allem solche aus Dortmund („Ace Cats“, „Rocktheater Nachtschicht“, „Acoustic Groove Band“), erneut ins Programm.

Vom Erfolg der Letztgenannten können die meisten der über 1000 Mitwirkenden nur träumen. Immerhin war Fachpublikum (Konzertveranstalter, Plattenproduzenten) angereist, darunter – zur Überraschung aller – sogar Talentsucher eines belgischen Privatsenders namens „Distel“.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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