Wenn die Literatur in Bilder gefaßt wird – „Buchillustration 1900-1945″ im Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Buchillustration kann so betrieben werden: Der Künstler läßt sich intensiv auf den betreffenden Text samt seiner historischen Bedingungen ein und versucht, den „Geist“ des Buches auszudrücken. Er kann sich aber auch oberflächlich am Inhalt des Geschriebenen orientieren und es im Sinne „seiner“ gewohnten Kunstrichtung umsetzen.

Für beide Vorgehensweisen finden sich Belege in einer Ausstellung, die sich gar nicht recht ins sonstige Programm des Dortmunder Ostwall-Museums einfügen will und eigentlich eher ins Haus für Kunst und Kulturgeschichte gehört hätte: „Literatur und Zeiterlebnis im Spiegel der Buchillustration. 1900-1945″ (bis 27. August, di-so10- 18 Uhr, Katalog 39 DM).

Rund 200 ausgestellte Bücher werden in Dortmund ergänzt durch selten präsentierte Graphik (Kirchner, Barlach, Pechstein, Beckmann u. a.) aus den Ostwall-Magazinen. Von diesen Künstlern findet man dann auch jeweils Buch-Illustrationen.

Für die oben skizzierte „Einfühlungs“-Methode stehen – ungeachtet großer historischer Abstände – etwa so kongeniale Illustrationen wie Jacques Callots Kupferstiche zu E. T. A. Hoffmann, Alfred Kubins Zeichnungen zu Erzählungen von Edgar Allan Poe oder Max Liebermanns Bilder zu Heinrich Heines „Rabbi von Bacharach“.

Für die andere Art, die oft eher einer Entfernung vom als einer Annäherung an den Text gleichkommt, finden sich vor allem Belege aus dem Umkreis des Jugendstils, der den verschiedensten Buchvorlagen fast unterschiedslos seinen „Zeitgeisf‘-Stempel aufdrückte.

Zur Sammlung des Bad Homburger Juristen Ulrich von Kritter, der die Exponate für Dortmund selbst ausgewählt hat, gehören Buch-Illustrationen vieler bekannter Künstler. Neben den Genannten sind dies u. a. Lovis Corinth, Conrad Felixmüller, George Grosz, John Heartfield, Th. Th.Heine, Frans Masereel und A. Paul Weber. Nur in den seltensten Fällen freilich werden Original- und Erstausgaben präsentiert, meist handelt es sich um neuere Editionen.

Die Ausstellungsstücke sind in Dortmund weder typologisch noch stilistisch und auch nicht durchweg chronologisch geordnet. Auch wirken die Ausstellungssäle mit ihren Vitrinen (das sinnliche Vergnügen des Blätterns in den Büchern ist natürlich nicht möglich) geradezu klinisch nüchtern wie ein Labor.

Am besten, man konzentriert sich auf einzelne Stücke und sieht großzügig über das Ambiente hinweg. Dann kann man auch hier viele kleine Entdeckungen machen und historische „Linien“ ziehen, mitunter auch im direkten Verßleich. Welch ein Unterschied etwa zwischen Ernst Ludwig Kirchners Leidensbild von Chamissos Schattenverkäufer „Schlemihl“ und Emil Preetorius‘ gefälliger Bebilderung des gleichen Buchs.

Die nächste Ausstellung im Ostwall-Museum, dem Stil des Hauses wohl wieder gemäß, wird übrigens das Verhältnis zwischen Bild und Text sozusagen umkehren. Sieht man jetzt Bilder inmitten von Schriften, sind’s ab 10. September „Schrift-Bilder“ – Kunstwerke, die sich in irgendeiner Form mit Buchstaben befassen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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