Von Subkultur kaum eine Spur – Rocklegende Lou Reed in Düsseldorf

Von Bernd Berke

Düsseldorf. „Fuck You!“ – Einige aus der Menge riefen dem Star immer mal wieder solche Kraftworte zu. Ein ganz besonderer Anhänglichkeitsbeweis. Denn Lou Reed war da. Und der schleppt immer noch Ruf und Ruch eines Underground-Vorturners mit sich herum.

Jedoch: Von Subkultur keine Spur. So könnte das Fazit seines Konzerts in der Düsseldorfer Philipshalle lauten. Reed, ehemals Kopf der legendären „Velvet Underground“, macht wieder geradlinigen Rock. Er setzt weder auf Überkünstelung noch auf überdrehte Dissonanzen, sondrn auf motorische Hochenergie. Ohne Esoterik, ohne Allüren. Hochprofessionell und aufregend. Jammerschade, daß der Auftritt in der (halb gefüllten) Arena der einzige in Deutschland während dieser Tournbe bleibt.

Lou Reed war es, der in der Rockmusik ab Mitte der 60er Jahre die „Blumen des Bösen“ hat sprechen lassen. Mit seinen näselnd vorgetragenen Songs aus der Halb- und Unterwelt der Transvestiten und Drogenschießer hatte er damals ein folgenreiches Kapitel der Rockgeschichte aufgeschlagen. Geblieben sind die einschlägigen Texte, sie werden aber kaum noch mit endlosen Rückkopplungsorgien übertönt, sondern mit „Rock pur“ unterlegt. Chuck Berry, zum Beispiel, könnte Pate gestanden haben.

Man hat Lou Reed oft nachgesagt, er sei bei Live-Auftritten immens launisch. Mal liefere er lustlos sein Programm ab, mal reiße er noch die Unterkühltesten zu Ovationen hin. In Düsseldorf, das war bis unter die Haut zu spüren,legte er sich richtig ins Zeug. Und stieg sofort machtvoll ein – mit seinen Klassikern „Sweet Jane“ und „I’m Waiting for my Man“. Mancher andere hätte danach einen Absturz erlitten. Doch Reed und seine Band (2 Gitarren, Bass, Keyboards, also ganz im Trend) konnten auf ein großes Repertoire mit vielen gleichwertigen Stücken zurückgreifen. Titelauswahl: „New Sensation“, „Legendary Love“ „Sally Can’t Dance“. Absolute Höhepunkte: „Satellite of Love“ und, na klar, „Walk on the Wild Side“. Eineinhalb Stunden ohne Pause, danach drei Zugabe-Songs.

Und der Mann selbst? Er betrat die Bühne mit vergleichsweise gnädiger Verspätung (20 Minuten), gab sich bescheiden, verzichtete auf jeden lauen Show-Effekt. Seine Bewegungen erwachsen direkt aus der Musik, nicht aus Imponiergehabe. Kurz: er ist glaubhaft.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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