Monatsarchive: November 1984

Video lockt neue Besucherschichten in die Bücherei – Bonner Diskussion über Erfahrungen in Bielefeld

Von Bernd Berke

Bonn. Einen erstaunlichen Anfangserfolg kann das Projekt „Video in öffentlichen Bibliotheken“ verbuchen. Wie die Projektleiterin und Direktorin der Bielefelder Stadtbibliothek, Dr. Annegret Glang-Süberkrüb, gestern bei einem Symposion im Bonner Bundesbildungsministerium mitteilte, hat ein Drittel der bisherigen Video-Entleiher noch nie zuvor die Stadtbibliothek aufgesucht.

Mit dem zusätzlichen Angebot „guter“ Video-Filme grabe man sich also offenbar nicht selbst das Wasser ab. Im Gegenteil: Die Kassetten könnten vielleicht sogar eine Steigerung der Buchausleihe nach sich ziehen. Außerdem sei Videokonsum nicht unbedingt ein Übel. Formulierte die Bibliothekschefin: „Es stimmt ja nicht, daß immer ,blöd geglotzt und klug gelesen‘ wird!“

Am soeben angelaufenen Projekt sind die Stadtbüchereien in Duisburg (Start: Frühjahr ’85), Bielefeld und Celle beteiligt. Es werden jeweils einige hundert Kassetten … Weiterlesen

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Endloses Trauma der Verfolgten – Judith Herzbergs „Schadenfreude“ in deutscher Erstaufführung

Von Bernd Berke

Wuppertal. Mut zum eigenwilligen Spielplan beweisen die Wuppertaler Bühnen. Binnen zehn Tagen gab es nun schon die zweite deutsche Erstaufführung. Nach Ayckbourns „Stromaufwärts“ jetzt: Judith Herzbergs „Schadenfreude“ (Regie: Ulrich Greiff).

Judith Herzberg (50), geboren in Amsterdam, ist Jüdin. Ihr Stück (Originaltitel: „Leedvermaak“) führt eine Anzahl von Menschen bei einer Hochzeitsfeier zusammen. Die jüdischen Eltern der Braut haben zwar die KZ-Haft überlebt, sind aber seelisch zerstört. Unauslöschliehe Nachwirkungen auch bei der Braut „Lea“, die „damals“, ihrer Identität beraubt, zu einer christlichen „Kriegsmutter“ kam. Dazu die Eltern des Bräutigams, die jeweiligen Ex-Ehepartner der Brautleute; schließlich „Daniel“, der wie eine Leidensfigur aus den Kriegstagen in die Jetztzeit hereinragt.

Hochzeiten veranlassen für gewöhnlich die Älteren zur Bilanz, die Jüngeren zur Zukunftsschau. … Weiterlesen

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Rodin und die Inszenierung des Körpers

Von Bernd Berke

Münster. Für eine Skulptur des Schriftstellers Honoré de Balzac nahm sich Auguste Rodin viel Zeit. 1891 bekam er den Auftrag, bis 1898 fertigte er zahllose Skizzen und Entwurfsstudien. Rodin recherchierte genau. Sogar den Schneider des berühmten Toten suchte er auf und entlockte ihm exakte Angaben über die KörpermaBe des Dichters – Kunst, mit wissenschaftlicher Akribie betrieben. Auch darin war Rodin ein Kind seiner Zeit.

Daß Rodin (1840-1917) d e r stilbildende Bildhauer des späten 19. Jahrhunderts war, ist fast ein Gemeinplatz. Daß er auch als Zeichner zu kaum weniger vollendete Formen fand, kann jetzt – umfassend wie nie zuvor – im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte nachvollzogen werden. Eine Reihe von Architekturzeichnungen wird erstmals außerhalb Frankreichs … Weiterlesen

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Mütter als Landschaften – Arbeiten von Henry Moore in Marl

Von Bernd Berke

Marl. Zwei Themen ziehen sich wie rote Fäden durch das Werk von Henry Moore. Der berühmte britische Bildhauer formte immer wieder liegende Figuren, und er kam so häufig auf das Thema „Mutter und Kind“ zurück, daß man geneigt ist, darin eine Art Besessenheit zu sehen.

Um so erstaunlicher, daß noch kein einziges Museum auf die Idee gekommen ist, die Mutter-Kind-Darstellungen zum Leitgedanken einer Moore-Ausstellung zu machen. Insofern kann das Skulpturenmuseum „Glaskasten“ in der Revierstadt Marl jetzt mit einer Weltpremiere aufwarten.

Die Marler Ausstellung „Henry Moore: Mutter und Kind“ – sie umfaßt 28 Skulpturen, 27 Zeichnungen und 20 Graphiken – ist noch dazu einem immensen Zufall zu verdanken. Der „Glaskasten“ besitzt nur eine Moore-Zeichnung, einen Mädchenakt von 1923. … Weiterlesen

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Bootsfahrt in die Tyrannei – Ayckbourn-Stück „Stromaufwärts“ als deutsche Erstaufführung in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Diese Idee des Briten Alan Ayckbourn ist schon ein mittelschwerer Geniestreich: Theateraktion ganz auf ein begrenztes Bootsdeck zu konzentrieren, auf dem zwei Ehepaare „stromaufwärts“ fahren. Symbolische Überhöhung liegt nahe. Die Flußreise steht für die „Lebensfahrt“. Auch schaffen Bedrängnis und Isolation auf dem Boot ideale Anlässe für Konfliktexplosion. Der Kahn wird zum schwimmenden Sozial-Labor.

Wie schwer all dies jedoch auf die Bühne zu bringen ist, das bekam das Wuppertaler Ensemble bei seiner deutschsprachigen Erstauffûhrung von Ayckboums „Stromaufwärts“ (Regie: Dieter Reible) zu spüren. Denn die Beschränkung des Spiels auf das Boot erzwingt eine Übermittlung fast aller „bewegenden“ Momente durch Gestik und Sprache. Über derlei Erfordernisse triumphieren in Wuppertal oftmals bühnentechnische Mätzchen. Das Boot kreuzt munter über die Bühne, … Weiterlesen

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Kunstmarkt spürt den Dollarkurs – auch auf der Art Cologne

Von Bernd Berke

Köln. Der Dollarkurs läßt, wie könnte es anders sein, auch den Kunstmarkt nicht unverschont. Gut 15 bis 20 Prozent mehr müßte der betuchte Kunstfreund anlegen, wenn er in den USA das Werk eines aktuellen bundesdeutschen Künstlers erwerben will, als wenn er dies hierzulande täte. Das Preisgefälle hat Rückwirkungen. Im Sog der hohen US-Notierungen ziehen auch die hiesigen Preise an.

Solche leichten Eintrübungen können das Bild kaum verwischen, das gestern die Spitzen des Bundesverbandes Deutscher Galerien anläßlich der Eröffnung der Kölner Kunstmesse „Art Cologne“ vom Stand ihres Gewerbes zeichneten. Die Kunstverkäufer haben, so bekennen sie freimütig, Boom-Jahre hinter sich. So vehement habe sich der Handel entwickelt, daß jetzt auch Möbelfirmen nebenbei Kunst anböten, was man seitens der Galeristen … Weiterlesen

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Die Zukunft als Vorwand: Lauter irrwitzige Verwicklungen im Revier des Jahres 2000

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Das Revier im Jahr 2000: Alles ist aus dem Ruder gelaufen. Die Bundesregierung stümpert mit Notverordnungen, in den Verkehrshinweisen wird empfohlen, das Ruhrgebiet „weiträumig zu umfahren“, denn dort rebelliert die Bevölkerung mit Fabrikbesetzungen und Plünderungen.

Fast alle, in vorderster Front die Frauen der Arbeitslosen, machen mit – bis auf die Männer vom Schlage Mani Mack. Der ist sogar drauf und dran, sich von einem Betrüger für „fünf Blaue“ (500 DM) eine vermeintlich goldene Arbeitszukunft im Musterländle Baden-Württemberg aufschwatzen zu lassen.

„Fünf Blaue und ein Mann im Schrank“, vom Ruhrfestspiel-Ensemble im Recklinghäuser „Depot“ uraufgeführtes Stück von Jürgen Fischer, vermehrt nicht die Inflation der im Einheitsmuster gestrickten Ruhrgebiets-Revuen, bezieht dafür aber Anregungen vom italienischen Farcenschreiber Dario Fo. Keine … Weiterlesen

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Nur Stichproben der fotografischen Kunst

Von Bernd Berke

Bochum. Wer immer strebend sich bemüht, wird im weitläufigen Bochumer Museumsbau irgendwann auch auf die beiden Ausstellungen „Fotokunst aus NordrheinWestfalen“ (bis 20.1.85) und „Kunst gegen den Faschismus“ stoßen, die beide heute eröffnet werden.

Die nicht einmal umfangreiche Fotoausstellung (15 Exponate) mußte aus Platzgründen auf zwei Geschosse verteilt werden, die antifaschistische Kunst wird in der ständigen Schausammlung versteckt.

Die Lichtbilder stammen aus dem Besitz des Kultusministeriums, wurden im Rahmen des Spektakels „NRW Kultur ’84“ aus den Magazinen der Landeskunstsammlung geholt und waren bereits in Marl zu sehen. Die 15 Exponate von ebenso vielen Künstlern können allenfalls als Stichproben fotografischer Kunstanstrengungen in diesem Lande gelten. Nicht die fotografische Einzeldarstellung, sondern die – sicher durch andere Massenmedien geprägte – serielle … Weiterlesen

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