Castrop-Rauxel. Einer ist keiner. Jeder ist wie der andere: „Mann ist Mann“. Das ist Bert Brechts lehrstückhafter Abgesang auf „Charakterköpfe“, aufs Individuum überhaupt.
Wie ein Zahnrad ins andere greift, wird hier der Beweis geführt: Der Mensch kann neu montiert wereden – wie Galy Gay, der Packer vom Hafen, der zum Massenprodukt „Soldat“ umgepolt wird. Mit „Mann ist Mann“ startet das Westfälische Landestheater (WLT) in die neue Saison.
Nicht mehr die britische Armee in Indien ist Gegenstand des Beweisführungs-Spiels. Aus dem Tempel ist die glitzernde Spielhalle mit elektronischem Kriegsgerät geworden. Ein metallenes Gerüst beherrscht den Spielort.
Mann ist Mann, aber Brecht nicht immer gleich Brecht. Allzu bereitwillig hakt die Inszenierung (Regiedebüt in Castrop: Kurt Lambrigger) bei Stichworten ein, die Unterhaltungswert signalisieren. Wenn von Wetterunbill die Rede ist, singt die laszive Witwe Begbick (rollengerecht: Ingrid Franckenstein) postwendend den Schlager „Am Tag, als der Regen kam“, wenn die irische Stadt Tipperary aufs Tapet kommt, folgt sogleich die entsprechende Volksweise. Unterhaltung, die sich glatt anschmiegt, sich an nichts reibt. Komik, die sich an Widersprüchen entfaltet, wirkt allemal nachhaltiger.
Beste Szene: Galy Gay, genüßlich frähstückend, während drei MG-Soldaten ihn über die Vorzüge des Militärlebens aufklären wollen. Heldengeschwätz contra Frühstücks-Ei. Ein hervorragender Einfall auch, den Rüssel des „falschen Elefanten“, durch dessen Versteigerung Galy Gay endgültig zum Soldatsein gezwungen werden soll, mittels Gasmaske zu imitieren. Solche Doppelverweise setzen etwas in Gang.
Heinrich Cuipers als Galy Gay – ein Hans-im-Glück-Typ. Nur selten merkt man, daß etwas zumindest Zwiespältiges mit ihm geschieht – Ununterscheidbarkeit der Menschen als Fluch, aber auch als Chance zur Gleichheit. Blaß bleibt Wolfgang Schneider als Sergeant Fairchild, der „Blutige Fünfer“, während das Soldatentrio – auch mehr „lustiger Haufen“ denn Schreckenstrupp – gut aufeinander eingespielt ist und Alfons Wecker als Bonze Wang durch kühle, zurückgenommene Präsenz überzeugt.
Auf der Bühne wird Dortmunder Bier getrunken. „Wir danken der XX-Brauerel für ihre freundliche Unterstützung.“ Die Marke steht im Programmheft. Kein Kommentar.