Auf dem Weg in die perfekte Idylle – Ludwig Richter im Folkwang-Museum

Von Bernd Berke

Essen. An Volkstümlichkeit dürfte ihn kaum einer übertreffen: Als Illustrator etlicher Märchen-Schätze ist Ludwig Richter (1803-1884) in nahezu jedem Haushalt gegenwärtig.

84 Exponate, vor allem kleinformatige Zeichnungen und Holzschnitte des Künstlers, der vornehmlich als biedermeierlicher Idylliker gilt, werden jetzt im Graphischen Kabinett des Essener Folkwang-Museums ans (aus konservatorisehen Gründen gedämpfte) Licht geholt. Was kaum jemand weiß: In Essen befindet sich – nach Richters GeburtsStadt Dresden und Ost-Berlin die drittgrößte Anzahl von Zeichnungen des Mannes, dessen Todestag sich im Juni zum 100. Mal gejährt hat.

Nun lernt man hier zwar keinen gänzlich neuen Ludwig Richter kennen. Aber vor allem die frühen Landschafts-Zeichnungen deuten, wiewohl nie sonderlich zugespitzt oder gar „dramatisch“ komponiert, noch nicht unbedingt in die Richtung der späteren, fast fließbandhaften Idyllen-Produktion. Zum Beispiel gelangen Richter auf einer (für Künstler dazumal obligatorischen) Italienreise zwischen 1823 und 1826 einige, mit hartem Bleistift zart modellierte Landschaftsbeobachtungen, die sich vielfach liebevoll den unscheinbaren Details des Naturzusammenhangs widmen.

Mehr und mehr wandte sich Richter dann der Darstellung menschlicher Figuren zu, die zunächst grob und pathetisch gerieten. Mit fortschreitender Übung gewannen sie zwar an Grazie, jedoch nahmen auch schon Stilisierungen und eine gewisse Perfektionsglätte zu. Womit die Beschaulichkeit der Richter’schen Szenen erkauft war, wird schmerzhaft deutlich, wenn man bedenkt, wie wild bewegt der Zeithintergrund war, vor dem sie entstanden: Von der 1848er Revolution und ihren Begleiterscheinungen etwa bemerkt man hier nämlich nicht den leisesten Hauch.

Interessant erscheinen mir einige von Richters Skizzen. In diesen schnell gefertigten Entwürfen blitzt hier und da noch etwas auf, was einem spontaneren und „riskanteren“ Blick auf die Dinge entspricht.

Ludwig Richter, Zeichnungen und Grapik. Museum Folkwang, Essen. 26. August bis 14. Oktober, Katalog 25 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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