Zufalls-Themen für Künstler mit Glücksrad und Würfeln ermittelt – eine originelle Aktion in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Man stelle sich vor: Anno 1513. Albrecht Dürer wirft einen Pfeil, trifft auf der rotierenden Scheibe die Nummer 98, sieht in einer Liste unter dieser Ziffer nach und notiert: „Teufel“. Alsdann greift er zu zwei Würfeln, es fällt je eine „Sechs“, macht zwölf, also „Kupferstich“.

Natürlich ist es nicht so gewesen. Dürers „Ritter, Tod und Teufel“ ist keiner solchen Laune zu verdanken. Genau auf die beschriebene Weise aber haben sich jetzt fast 50 Künstler mit Dart-Pfeilen, Glücksrad und Würfeln ihre nächsten Aufgaben vom blinden Zufall stellen lassen. Ort der Handlung: die Ausstellungssäle des Von der Heydt-Museums in Wuppertal-Barmen. Veranstalter: Der Aktionskreis „360 Grad“, der 1979 die Wuppertaler Kunstszene betrat, dann mangels städtischer Zuschüsse sein Wirken einstellen mußte und sich nun mit seinem Kunst-Glücksspiel wieder ins Gespräch bringt.

Bei der wohl einmaligen Verlosungs-Aktion kamen 360 Themenstellungen und zwölf Realisierungstechniken – von der Malerei über Video und Aktion bis hin zur Fotografie ins Spiel. Im Rahmen einer Fete fügten sich vor allem Wuppertaler Künstler, aber auch Kollegen aus Dortmund (Andrea Behn), Bremen, Nürnberg, den Niederlanden und sogar New York „Fortunas“ Entscheidung.

Das Thema „Teufel“ bekam tatsächlich einer zugelost, und zwar gleich der allererste pfeilwerfende Künstler: Raimund van Well aus Duisburg wird, so will es das Schicksal, den Gottseibeiuns auf einem Gemälde verewigen. Der vielleicht bekannteste Teilnehmer, „Anatol“ (Herzfeld) aus Düsseldorf, muß sich eine Aktion zum Thema „Traum“ einfallen lassen, der Nürnberger Bernd Klötzer erwischte die Kombination „Urwald“ und „Musik/Klang“, Till Hausmann aus Düsseldorf die Paarung „Steinzeit/Fotografie“; Klaus Heuermann aus Essen darf eine Bildhauerarbeit zum Begriff „Wende“ anfertigen.

Wie diese und all die anderen Zufallsaufgaben gelöst worden sind, das wird man bald in Augenschein nehmen können. Ab 8. September nämlich werden sämtliche „Resultate“ in den Sälen am Geschwister-Scholl-Platz ausgestellt. Einstweilen kann man über einen möglichen tieferen Sinn der Aktion spekulieren. Wie das Dürer-Beispiel verdeutlicht, setzt man sich jedenfalls spielerisch vom herkömmlichen „Werk“-Begriff ab.

Reizvoll auch die Tatsache, daß nun zahlreiche Künstler über das nächste Projekt ihrer Kollegen Bescheid wissen – ein Umstand, der der Diskussion förderlich sein dürfte. Schließlich bringt der sanfte Zwang des Zufalls zum Beispiel den notorischen Aktionskünstler dazu, sich auch einmal in einem anderen Medium zu äußern.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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