Von Bernd Berke
Duisburg. ,,Wir sind die ,Primitiven‘ des Raumzeitalters. Wir müssen noch einmal ganz von vorn beginnen.“ Der so die Umkehr zu den Ursprüngen beschwort, heißt Agenore Fabbri und ist einer der Altmeister der italienischen Bildhauerei.
Seine Werke waren in aller Welt zu sehen, wurden aber hierzulande bisher kaum zur Kenntnis genommen. So kann sich Duisburgs Wilhelm-Lehmbruck-Museum nun rühmen, mit 50 Skulpturen und 23 Zeichnungen die erste umfassende Fabbri-Retrospektive Deutschlands zusammengestellt zu haben.
Zurück zu den Anfängen – diesen Leitspruch verwirklicht Fabbri bereits bei der Wahl seines bevorzugten Materials: ,,Ton – weil er schon von den ersten Menschen verwendet wurde“, begründet der Mann, von dem sich einst sogar Pablo Picasso in der Kunst der Tonverarbeitung beraten ließ. Handfesterer Grund: Bei einer Keramikfabrik in Albisola gab es diesen Werkstoff kostenlos.
Seine Werke seien nicht im herkömmlichen Sinne schön, erklärte der 1911 geborene Bildhauer gestern bei einem Ausstellungsrundgang. Sie stellten einen Protest gegen die von Menschen ausgeübte Gewalt dar. Dazu gehören keine ebenmäßigen Formen, sondern schmerzverzerrte Gesichter. Die meisten der von Fabbri modellierten Figuren tragen deutliche Spuren von Gewalt. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen zeigen sie Verletzungen, tiefe Risse und Schnitte in der ,,Haut“. Die Haltung der meist erdfarbenen Leiber: Abwehrstellungen, verzweifelte Demutsgesten, aber auch – und dies könnte man den ,,utopischen“ Aspekt nennen – Aufbäumen und raumgreifende Bewegungen, die die unerträglich beengte Umgebung zu sprengen scheinen. Was in Fabbris Frühzeit eher sinnbildlich in Tiergestalten (Titel z.B. ,,Kriegshund“, ,,Verbrannte Katze“) gebannt ist, verdichtete Schreckmomente der Gewalt, nimmt später in Menschendarstellungen erschütternde Form an.
In den 50er Jahren, auch dafür finden sich Beispiele in Duisburg, experimentierte Fabbri mit Möglichkeiten der Abstraktion, deren Umsetzung in sehr einleuchtender und unmittelbarer Weise auf Wirkliches bezogen ist. Unter dem Eindruck von Hiroshima etwa fertigte Fabbri einen ,,Mondmenschen“ sowie apokalyptische, insektenähnliche Schauerwesen, die an Mutationen in einer atomar verseuchten Umwelt denken lassen.
Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg. Agenore Fabbri: Skulpturen / Graphiken. 16. November 1983 bis 1. Januar 1984. Di 11-20, mi bis so 11 bis 17 Uhr, montags geschlossen.