Von Bernd Berke
Düsseldorf. Jahrgang 1945, und schon eine nennenswerte Werk-Rückschau – Anselm Kiefer, Schüler des einstweilen noch berühmteren Joseph Beuys, ist schon ein Jemand in der Kunstwelt. 50 Gemälde, zumeist in den Kiefer-typischen Riesenformaten, dazu 100 Aquarelle, Gouachen und Buchobjekte zeigt jetzt die Düsseldorfer Kunsthalle (bis 5. Mai, Katalog 30 DM).
Kiefer bezieht seine Stoffe teilweise aus heiklen Bezirken: Germanische Mythen, deren Umformung durch Richard Wagner, „hehre“ Historie: Auf einem Bild namens „Wege der Weltweisheit“ werden führende Köpfe deutscher Geistesgeschichte zu einem mythischen Reigen rund um eine Feuerstelle arrangiert: Dichter und Denker, die (Kiefer zufolge) die „Hermannschlacht“ des Cheruskers immer wieder zum Zentrum nationaler Identifikation gemacht haben.
Gegen Kiefer ist wiederholt der Vorwurf erhoben worden, „faschistische Kunst“ zu produzieren. Auch mir fällt es schwer, unmittelbare und entschiedene Brechungen des skizzierten Themenkreises auszumachen. Vielleicht ist Kiefers Kunst tatsächlich faschistisch (miß)deutbar. Große Vorsicht ist aber geboten, wendet sich Kiefer doch z. B. auch frei nach Theodor Fontane dem „Märkischen Sand“ oder biblischen Motiven zu. Außerdem sollte zu denken geben, daß gerade israelische und französische Aussteller weniger Berührungsangst zeigen: Jerusalem und Paris sind weitere Stationen der Retrospektive.
Auf dem Bild „Vater, Sohn, Heiliger Geist“: drei Stühle, von lodernden Flammen besetzt. Auch auf zahlreichen anderen Bildern wiederkehrend: Feuer, leerer, erdfarbener Raum, zur Mitte zentriert, den Betrachter gleichsam dorthin „einsaugend“.
Weiteres Schlüsselwerk: „Malerei dcr verbrannten Erde“ – eine Palette schwebt in versengter Landschaft. Auch hier, wie so oft bei Kiefer, hingeworfene Schriftzüge. Sie schweben in menschenleeren Räumen oder verlassenem Gelände, durchziehen (u.a. mittels Ankokeln der Bildoberfläche) aufgerauhte, verwüstete Landschaftsformationen. Endzeitbilder einer Einöde, welche die Geschichte hinterlassen und aus der sich der Mensch verabschiedet hat?