Wo Bürokraten bräsig walten, pflanzt sich das Unvermögen fort

Ob die Weisheit all dieser Eulen ausreicht, um dieses Land voranzubringen? Beim Philosophen Hegel hieß es jedenfalls vielsagend: „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ (Foto: Bernd Berke)

Wer hat in letzter Zeit ähnliche Erfahrungen mit der kläglichen Unzulänglichkeit gewisser Unternehmen gemacht; besonders mit den Abkömmlingen früherer Staatsbetriebe: Post, Bahn, Telekom? Blöde Frage: natürlich wir alle.

Die Älteren erinnern sich: Post und Bahn hatten – bei aller Gängelung und piefigen Beschränkung – einst auch etwas Wohliges und ziemlich Verlässliches an sich. Heute aber bedeutet Bürokratie längst nicht mehr Ordnung und Sicherheitsgefühl, sondern es hat sich eine gewaltige Brems- und Verhinderungs-Maschinerie herausgebildet, die die gesamte Gesellschaft immer wieder fesselt und zurückwirft. Bizarre Beispiele lassen sich täglich in den Medien finden (bei denen es freilich auch nicht rundweg zum Besten steht).

Die raffinierten Fallensteller

Ich erspare es uns, detailliert von meinem neuesten Dauerärger mit der Telekom zu berichten, der sich bei genauerem Hinsehen als Kommunikations-Debakel der Hotline erweist. Ruft man z. B. drei „Berater(innen)“ an, hört man mindestens drei verschiedene, einander teilweise widersprechende Ratschläge. Sie schicken einen in die absurdesten Unsinns-Schleifen und sind ganz groß darin, immer wieder neue Hindernisse aufzubauen. Gar manche erweisen sich als raffinierte Fallensteller.

Damit verknüpft war u. a. das Versagen eines „Dienstleisters“ (nur in Anführungsstrichen) mit dem Namensbestandteil „Angel“, der für die Telekom Versandaufgaben übernehmen soll. Man ist versucht, in diesem Falle von „Hell’s Angels“ zu sprechen. Jedenfalls mochte ein Smartphone auch nach Wochen partout nicht eintreffen, doch die Telekom wollte es – nach einem rechtzeitigen Widerruf – gleichwohl als Retoure haben. Bring mir das Nichts!

Leider „in Verlust geraten“

Schließlich wurde dann doch ernsthaft nachgeforscht und es hieß, das Gerät sei – so wörtlich – „in Verlust geraten“. Also verschlampt, geklaut oder sonst etwas Unerfreuliches. Zusätzlicher schlechter Witz: Eine geringfügige Änderung war direkt nach Bestellung nicht mehr möglich, weil der Auftrag (so einer dieser Berater) „auch nach Sekunden“ schon nicht mehr rückholbar sei. Hört sich nach rasender Eile an. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, ganz anders als bei den sprichwörtlichen „Kreuzberger Nächten“. Bei der Telekom heißt es offensichtlich: Erst fang’n se janz zackig an – aber dann, aber dann…

Nun muss man sagen, dass im Namen und im Auftrag der Telekom Vorort-Shops arbeiten. Und just in einem dieser Läden wurden alle Problem-Knoten fast wie von Zauberhand gelöst, ja beherzt zerschlagen wie nur je ein gordischer. Was die persönliche Beratung, sofern kompetent verabreicht, doch vermag! Und wie die anonymen Hotlines, auf deren sinnlose Einlassungen man schier endlos harren muss, einen so häufig verzweifeln lassen.

Ihr Hotline-Connaisseure und Connaisseusen fragt, welchen Song die Telekom diesmal in der ca. mindestens halbstündigen Warteschleife abgenudelt habe? Textprobe:

„Es wird mal wieder Zeit für ein’n Moment, der ewig bleibt.
Heut‘ sind wir alle gleich, wenn der Tag Geschichte schreibt…“ 

(Textzeilen aus Mike Singer „Es wird Zeit“)

Nein, wir wollen das jetzt nicht weiter interpretieren. Ohne Wirrwarr und Hirnverknotungen ginge das nicht vonstatten.

Düpiert in Diktaturen

Um zur Eingangs-Hypothese zurückzukehren: In gar zu vielen Bereichen des Geschäftslebens sackt diese Republik ab, als hätte sie sich die Fußball-Nationalmannschaft zum Vorbild genommen. Solche vermeintlichen Zusammenhänge werden ja stets gern konstruiert. So haben sich die einstmals gefürchteten Deutschen auf den Rasenflächen der letzten beiden Weltmeisterschaften (jeweils in Diktaturen abgehalten) u.a. von den „lösbaren Aufgaben“ Südkorea und Japan düpieren lassen.

Die seit vielen Jahren in Fensterreden beschworene Digitalisierung kommt derweil so schleppend voran, dass „wir“ (die einstige „Ingenieurs-Nation“) hinter ehedem belächelte Länder wie Albanien zurückgefallen sind; von Skandinavien, den Niederlanden oder dem Baltikum ganz zu schweigen. Hätte man die Wahl, irgendwo in Europa zu investieren – würde man es hier tun?

Mehr als sieben Brücken musst du bau’n…

Das Unvermögen pflanzt sich durch viele Bereiche fort. Wie furchtbar lange dauert der Bau einer einzigen Brücke, wo doch weite Teile des gesamten Bestandes marode sind?! Fragt mal beispielsweise in und um Lüdenscheid nach. Wie unterbesetzt sind gesellschaftlich notwendige Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder die Pflegebetriebe? Wie oft werden rasche Änderungsversuche und zaghafte Impulse erstickt – beispielsweise auch durch maßlos übertriebenen Datenschutz, ein deutsches Steckenpferd par excellence? Warum konnten sich (trotz mancher Kontrollinstanzen) Korruption, Steuerhinterziehung und haltlose Bereicherung in Teile der Gesellschaft geradezu hineinfräsen?

Immerhin scheinen noch Rechtssicherheit und demokratische Gepflogenheiten zu walten. Mit kleineren Abstrichen hie und da. Da muss man sich eben gegen jeden kleinen Verlust stemmen. Sonst geht auch das noch den Bach hinunter. Man könnte Beispiele nennen; Beispiele diesseits und jenseits der großen Ozeane.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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