Das Ruhrgebiet – von oben herab

Schon oft habe ich mich über die Münchner Arroganz geärgert, mit der die (ansonsten vielfach schätzenswerte) „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) immer mal wieder das Ruhrgebiet betrachtet – so schräg von oben herab, so triefend mitleidig.

Wir werden’s wohl wieder erleben, wenn Borussia Dortmund deutscher Fußballmeister wird. Dann wird mit ziemlicher Sicherheit die schonungslose SZ-Reportage erscheinen, die die soziale Verwahrlosung in Dortmund beklagt, um hernach zu betonen, wie wichtig doch ein sportlicher Erfolg für solch eine gebeutelte Stadt sei. Geschenkt, Leute! Bringt lieber etwas anderes. Lasst bitte euren Mitarbeiter Freddie Röckenhaus schreiben, der sich in Dortmund und mit dem BVB auskennt.

Gestern haben die Südlichter mal wieder ahnen lassen, was ihnen das ach so ferne Revier bedeutet. Die ruhmreiche Seite 3 ward angefüllt mit einem insgesamt zwar halbwegs erträglichen, doch reichlich redundanten Porträt über Helge Schneider. Ein typischer Beitrag nach dem Larifari-Motto „Es liegt zwar kein Anlass vor, aber heute haben wir mal so richtig Platz dafür“. Die schmale Hauptthese (Helge S. sei ein ungemein freier Mensch, der immer tut, was er will) wird allerdings so unentwegt geraunt, als sei sie hier weltexklusiv erstmals zu lesen. Es ist eine These, die nicht bewiesen wird (wie denn auch?), sondern just ein wenig spazieren geführt wird.

Helge Schneider stammt bekanntlich aus Mülheim/Ruhr, mehr noch: Er ist in dieser Gegend verwurzelt. Seine Art der Komik dürfte inniglich mit dem Nährboden des Reviers zu tun haben. Und was macht die SZ, zum soundsovielten Male? Sie schreibt mal wieder durchweg „Mühlheim“ statt Mülheim.

Wie bitte? Das sei eine Kleinigkeit? Das sei Korinthenkackerei? Nein. Ist es nicht. Weil der SZ und anderen Blättern südlich der Mainlinie genau dieser Lapsus immer und immer wieder passiert. Das ist kein bloßer Zufall, sondern notorische Schnoddrigkeit und Mangel an wirklichem Interesse. Wer diesen Fehler immer wieder begeht, der strotzt vor Ignoranz. Wer sich nicht sicher ist, schaut nach. So einfach ist das. Merkt euch das gefälligst – in Franckfurt, Mühnchen oder Studtgard!

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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6 Antworten zu Das Ruhrgebiet – von oben herab

  1. Heute auf der berühmten Seite Drei der Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 25. Juni 2011 ein unbedingt als Ganzes zu lesender, ausführlicher Reportagebeitrag über das Ruhrgebiet und seine heutige Verfasstheit, insbesondere über die Situation der dort lebenden Menschen. Man könnte sich einzelne Stellen der Reportage herauspicken und sich vielleicht daran stoßen, sie verdient jedoch gerade im Ruhrgebiet selber eine gründliche Gesamtlektüre und eine sich daran anschließende, auch auf Details eingehende Diskussion.

  2. Günter Landsberger sagt:

    Heute auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung: „Das Blaue vom Himmel / Vor 50 Jahren versprach Willy Brandt einen sauberen Ruhrpott“ von Bernd Dörries, ein Artikel, den ich gewiss auch nicht ganz unkritisch sehen kann. Schon die Titelgebung suggeriert, als habe, als hätte hier jemand gelogen, gleichsam das Blaue vom Himmel versprochen. Dass Brandt (sehr weit gefasst) einen „sauberen Ruhrpott“ versprochen hat, ist mir neu, ein versprochener „blauer Himmel über der Ruhr“ ist mir noch erinnerlich, was im Artikel selber dann ja auch steht. – Bestimmte Sätze des Artikels zeichnen ein sehr krasses Bild, mal abgesehen davon, dass berücksichtigt werden müsste, dass auch das Ruhrgebiet schon immer verschiedene Regionen kannte. Aber stimmt so ein Satz in dieser Krassheit – und so pauschal formuliert! – wie der folgende: „In den sechziger Jahren wurde es manchmal gar nicht hell in den Städten, bei Smog konnte man nur fünf Meter sehen.“?

  3. Bernd Berke sagt:

    Nehmt alles nur in allem, so zählt die SZ sicherlich zu den besten deutschen Zeitungen. Umso mehr fallen einem die „Ausrutscher“ auf.

  4. Zur Ehrenrettung der Süddeutschen Zeitung muss aber gesagt werden, dass ihr politischer Redakteur in Düsseldorf, Bernd Dörries, in der Regel über die politischen NRW-Belange gut und zuverlässig berichtet bzw. solide, diskussionswürdige Kommentare schreibt.

  5. Ingo sagt:

    Wenn ich recht informiert bin, hat er sich jetzt bei meinem Geschäft fast um die Ecke ein Haus geleistet – wäre mithin ein Schönebecker; und diese ganz leicht zu ärgern geht mittels Verwechselung mit Essen- Schonnebeck.
    Das ist wie Dortmunder Süden mit Nordstadt … SZ, übernehmen sie!

  6. Martin Kaysh sagt:

    Lieber Bernd,

    im Fall der SZ gilt das alte Wort für Theaterrezensenten: „Sie kritisieren von unten herab“. Das passt dann in diesem Fall auch geografisch.

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