Monatsarchive: Mai 2011

Kleistiana (2): Über Haydns Tod

Kleistgedenkjahr 2011 + Joseph Haydns Gedenktag heute

Etwa 2 Monate vor dem von Hardenberg über Raumer bewirkten, abrupten Ende der ersten Berliner Abendzeitung mit ihrer 153. Ausgabe, jener Zeitung Heinrich von Kleists, die seit dem 1. Oktober 1810 erschienen war, erschien unter den Miszellen ein Beitrag zu Joseph Haydns Tod am 31. Mai 1809. Man mag diesen Text als ganzen vermittels folgenden Links bitte nachlesen: http://modules.drs.ch/data/attachments/2009/090531_Haydn%20heute.pdf

Der Schweizer Rundfunk bzw. Radio (DRS 2) , der den von Kleist übersetzten und geringfügig erweiterten Text ins Netz gestellt hat, hat ihn nach der Sembdnerschen Kleist-Ausgabe zitiert. Nimmt man auch noch die neuere Münchener Kleist-Ausgabe hinzu, wie ich es gerade wohlweislich getan habe, so stellt man vor allem fest, dass das in Kupfer … Weiterlesen

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Spieglein

Spieglein, Spieglein an der Wand, oh Schreck, man hat sich selbst erkannt

 

 

 

 

 

 

Foto: by Stefan Dernbach

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Schubladen

Schublade auf, Schublade zu.

Nochmal auf, gucken, und wieder zu.

Kompaktes Format.

Sehr überschaubar.

Das gibt Sicherheit.

Noch ein paar Nägel in die Rahmung.

Man weiß ja nie was kommt.

Aber man weiß, was sich in der Schublade befindet.

Das weiß man.

In der Schublade liegt das Vermächtnis.

Man hat uns etwas vermacht,

oftmals völlig ungefragt.

Eine Gabe.

Milde Gabe, lustige Gabe, langweilige Gabe, ärgerliche Gabe, liebevolle Gabe …

Alles in die Schublade …

Dort gibt es Fächer wie in Besteckkästen.

Für das Süße, gibt es Kuchengabeln. Kleine Gäbelchen.

Die Messer liegen rechts, damit kann geschnitten, wenn nötig getötet werden.

Aber meistens schaut man auf die Löffel.

Schublade auf, Schublade zu.

Die Teller sind nicht besonders groß,

aber dennoch fällt … Weiterlesen

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Kleistiana (1): „Der Zweikampf“

KLEISTIANA (1)

Verbrechen und Klarheit Zu Heinrich von Kleists meist sträflich unbekannter Erzählung „Der Zweikampf“

Am Anfang der Geschichte steht – wie überliefert, so auch hier – ein Mord. Wer ist der Mörder? Indizien werden gefunden, Alibis und Gegenindizien auch. Durch das plausibel erscheinende Alibi des Hauptverdächtigen gerät eine bisher unbescholtene, als unbedingt ehrenhaft geltende Person in Verdacht, den sich Neider und sehr schnell Überzeugte, will sagen, allzu schnell Überzeugt-sein-Wollende, zunutze machen.

Vordergründig um eine Kriminalgeschichte, um eine Detektivgeschichte handelt es sich in dieser heute immer noch spannenden Kleistschen Novelle, mindestens ebensosehr aber um ein von einem Vorgänger des Jorge Luis Borges stammendes, ihn darin gleichsam vorwegnehmendes Kapitel aus dessen „Universalgeschichte der Niedertracht“. Um eine (zumindest zeitweilig) verwirrende Verkettung von … Weiterlesen

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Kulturhauptstadt Tallinn – nachhaltig eindrucksvoll und übersichtlich

Reisen ist kein Spaß. Man muss warten, man bekommt schreckliches Essen und wechselt die Verkehrsmittel, bevor man den Koffer in sein Hotelzimmer schiebt und erst mal schaut, welche sprachlich und inhaltlich nutzbaren Sender das Fernsehgerät bietet. Aber am Ende lohnt sich meist der Weg. Man ist halt woanders, wo es Gott sei Dank auch anders ist, mehr oder weniger. Zumindest die Sprache ist in diesem Fall eine Höraufgabe besonderer Qualität. Ziel ist eine der Kulturhauptstädte 2011, die Hauptstadt der Esten, Tallinn, je nach Route ca. 1800 Kilometer vom Ruhrgebiet entfernt. Gegenüber liegt Helsinki und die finnischen Nachbarn stehen am Strand und winken ihren estnischen Sprachverwandten zu. Nördlich von Helsinki liegt die andere nordische Kulturhauptstadt Turku. Finnland ist zu teuer – … Weiterlesen

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FAZ: Kopf-Gevögel?

FAZ-Sonntagszeitung: Sexueller MissbrauchDas gewichtige Blatt liegt vor einem, ein paar Seiten umdrehen, anhalten, schauen.

„Von Tätern und Opfern“…29. Mai 2011 – FAZ – Sonntagszeitung

Die Protagonisten: Christoph Röhl & Tilman Jens.

Der Röhl hat einen Film gemacht & der Jens ein Buch geschrieben. Das klingt dann zunächst mal alltäglich, ja wäre da nicht die Odenwaldschule. Wer sich etwas mit der Gesellschaft befasst, bei dem klingelt es sofort. Aber warum ist dieser Artikel in der Rubrik – Politik – gelandet?

Eine Debatte, na ja, eher ein Streit zweier Kulturschaffender.

Man hat sich in den Haaren, zieht und zerrt.

Wer hat denn nun geschlampt? – der Röhl oder der Jens – oder beide? Auf jeden Fall haben sich beide Protagonisten an das Thema – … Weiterlesen

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„Du musst Dein Leben ändern!“

29. 05. 2011: „Du musst Dein Leben ändern!“ Mahlers Siebte mit den Bambergern Symphonikern unter Jonathan Nott in der Philharmonie Essen

Hätte ich genau diese Aufführung der 7. Symphonie Gustav Mahlers schon früher hören können und genau so hören können, wie es gestern Abend in der Essener Philharmonie der Fall gewesen ist, und wäre das noch in sehr jungen Jahren erfolgt und nicht erst jetzt nach einem langen Berufsleben, ab sofort würde ich einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen haben und mein Leben fortan ganz der Musik widmen.

1952, von Salzburg in den Essener Norden gekommen, hätte ich so den zweieinhalb Jahre zuvor begonnenen Klavierunterricht auch unter den widrigsten Bedingungen einer vorherrschend musikfremden Umgebung, in der ich nun weiter aufwuchs, unbedingt … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (4): Sandburg

Ein zweijähriges Mädchen am Inselstrand. Selbstvergessenes Spiel. Die Eltern müssen nur zuschauen.

Da erscheinen zwei Gymnasialklassen (man bemerkt sofort den Mittelschichts-Habitus), sechstes und siebtes Schuljahr. Die Phase, in der es zu „knistern“ beginnt. Mindestens.

Zunächst die Mädchen. Eine von ihnen kümmert sich sogleich rührend um das Kleinkind, baut eine Sandburg mit ihm. Ganz aus freien Stücken. Ganz geduldig. Die anderen schauen interessiert hin, freilich mehr oder weniger verstohlen; manche vielleicht auch mit dem Vorbehalt, ob das denn „cool genug“ sei. Die eine, sozusagen Pionierin, macht unverdrossen weiter – und bricht alsbald den Bann. Ein ums andere Mädchen schließt sich dem Spiel an, bis schließlich ein ganzer Kreis beisammen ist, alle um das Kleinkind geschart, das beglückt lacht.

Von der so … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (3): Profis

Vierköpfige Schülergruppe, nachmittags. Ungefähr 9 bis 10 Jahre alt. Plötzlich entfährt dreien von ihnen der gegen den Vierten gewendete Ruf: „Loser!“ Tadellos ausgesprochen, geradezu mit Kennerschaft dahingesagt. Man merkt die medial vermittelte Gewohnheit. Sagt man so. Macht man halt. Kommt in jedem dritten „Tatort“ vor. Anlass zweitrangig. Und sie kennen noch ganz andere Worte…

Dann die unvermeidliche und doch erstaunliche Steigerung: Die Drei skandieren „Mob-bing, Mob-bing, Mob-bing…“ Sie ironisieren es und lassen es doch nicht bleiben. Sie mobben sozusagen auf höherer Ebene, laut und schmutzig – und stehen zugleich drüber, sind abgebrühte Profis.

Zutiefst dümmlich und zugleich hochreflektiert.

Doch, das geht. Anything goes.

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Thanks for your company, Bobby

Keine Ahnung, wann es war, aber ich war ganz sicher ein Jüngelchen, da trällerte ich auf dem Schulweg, so etwa in Höhe der Kreuzung Lindemannstraße/Kreuzstraße in Dortmund „Like a rollin‘ stone“ – hatte ich nächtens gehört, via Transistorradio. Keine Ahnung wer da sang, aber es ging widerstandslos ein und blieb in Erinnerung.

Ehrfürchtig meinte mein damaliger Schulfreund, der mich wie jeden Morgen begleitete: „Ah, Bob Dylan …“ Und ich tat so, als wüsste ich, wer das ist. Wenig später wusste ich es, wusste ich, wer dieser Robert Allen Zimmermann war, der sich (man weiß nie, ob man ihm wirklich glauben darf, oder er einen schlicht auf den Arm nimmt), der sich also nach Marshall Matt Dillon nannte, weil ihm die … Weiterlesen

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Meerjungfrauen und mongoloide Kinder: Eine postdramatische Theaterparodie

"Die Schauspielerin (Katharina Ley) reißt Josef Ackermann engagiert die Maske vom Gesicht. Foto: Thomas M. Jauk

"Die Schauspielerin (Katharina Ley) reißt Josef Ackermann engagiert die Maske vom Gesicht. Foto: Thomas M. Jauk

Auch wenn man als Dramatiker gerade einmal 30 Jahre alt ist, kann man dem Theaterbetrieb einmal so richtig den Zerrspiegel vorhalten. Genau das tut Autor Wolfram Lotz in seinem bereits mit dem Kleist-Förderpreis gekrönten Stück „Der große Marsch“, das nun bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen seine Uraufführung erlebte. Seine Thesen sind zwar nicht unbedingt originell, aber unterhaltsam und durchaus ungewöhnlich verpackt. Leider haben sie in der lahmen Inszenierung des Saarländischen Staatstheaters keine Chance.

Die Bühne (Florian Barth) ist eine Showbühne samt Treppe, gegeben wird Theater im Theater: Eine Schauspielerin (Katharina Ley) moderiert eine Revue, mit der das Theater beweisen will, wie kritisch und politisch es … Weiterlesen

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Was hättest Du getan?

Melanie Lüninghöner und Liam Adler in "Waisen". Foto: Birgit Hupfeld

Melanie Lüninghöner und Liam Adler in "Waisen" Foto: Birgit Hupfeld

Ein Stück „über das, was hier und jetzt passiert“ und über das, „woran man glaubt“ wollte der britische Dramatiker Dennis Kelly schreiben – und hat mit „Waisen“ tief in das Herz unserer Gesellschaft geschossen. Schauspieldirektor Kay Voges positioniert seine Inszenierung im ehemaligen Gebäude des Ostwallmuseums und rückt sie so atemlos nah an uns heran.

Im ersten Moment fühlt man sich wie bei einer Vernissage: Videos von Daniel Hengst zeigen Szenen der Stadt, interessiert beschaut von den Besuchern, die durch die wohlbekannten Museumsräume wandeln. Die Holzbox im Lichthof wirkt da fast wie ein Störfaktor, eine Black Box, in die sich doch nach und nach alle hineinbegeben. Um den eigenen Monstern hallo … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (2): Kontoauszug

Ein stilecht abgewrackter Punk schlurft daher, heftig tätowiert, flächendeckend gepierct. Wie es das Klischee verlangt.

Auf seinem rissigen Shirt prangt die Aufschrift „Ihr seid alle ätzend!“ Hasserfüllt die ganze Haltung, jeder Blick Abwehr und Angriff. Oh, der hat Schluss gemacht mit allen Übereinkünften. Der ist sternenweit entfernt von jedem Spießertum, von jeder Normalität. Fast könnte man ihn beneiden.

Doch was tut er jetzt? Er nestelt aus dem abgewetzten Rucksack seine EC-Karte der Volksbank hervor, verschafft sich routiniert Zutritt zum Raum mit den Geldautomaten seines Vertrauens. Zieht alsdann noch die Kontoauszüge, damit das gleichfalls seine Ordnung hat. Gewiefte Marketing-Strategen könnten mit ihm ein Filmchen drehen und so für die allseits tolerante Bank werben. Man will nicht wissen, über wie viel Geld … Weiterlesen

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Gütige Diktatur

Der und jene könnten Anwandlungen haben. Sie könnten sich wünschen, eine „gütige Diktatur“ zu errichten. Dann würde vieles geradezu hingebungs- und liebevoll verboten, ja das Ungefüge würde gleichsam zärtlich von der Erde weggestreichelt.

Wohlig ließe man sich treiben zwischen zeitweiligem Überdruss und bleibendem Widerwillen gegen Dinge und Worte. Wachsende Verbotslust. Anschwellende Verfügungslaunen.

Nun aber frisch begonnen:

Internet? Schluss mit dem infantilen Quatsch. Fernsehen? Ab dafür! Mobiltelefonie? Weg damit. Schleunigst. Keine Leute mehr mit Headsets, die vor sich hin palavern und den Anschein erwecken, als führten sie wirre Selbstgespräche. Ist doch peinlich.

Stracks kommen nun die so genannten SUVs an die Reihe. Diese gewaltförmigen „Spaß“-Tonnagen mit gefühlten tausend PS. Alltagskriegsgeräte, Macht-Maschinen. Ab zum Schrottplatz, wo sie alle sinnvoll zu Granulat zermahlen … Weiterlesen

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Absurditäten des Alltags

Manche Tage beginnen mit einer Ansammlung von Skurrilitäten.

Es fing schon am Kiosk an. Auf die Frage „Haben Sie auch einen Spiegel?“ sah mich die Verkäuferin derart entgeistert an, dass ich schnell hinzufügte „Also, ich meine, die Zeitschrift.“ Da jauchzte die Frau, kriegte sich kaum noch ein und japste „Danke für den besten Witz des Morgens.“

Am Bahnhof dann stand und saß eine Klasse schwer pubertierender Jugendlicher auf dem Weg zu einem Schulausflug, mitsamt einer um Ordnung bemühten Lehrerin. Nach und nach rief sie die Schüler zu sich, um ihre Handynummern abzufragen. Zwischendurch die Durchsage, dass ein Zug ausfällt.

„Frau …, der Zug fällt aus.“ „Ja, aber wir nehmen den nächsten.“ „Tiiiiiiimmmm, kommst Du mal!“ Ein Junge schlurft herbei und … Weiterlesen

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Immobilien-Theater – Raumfessel oder Trutzburg

Steht erst einmal ein Gebäude, kann dort kein anderes stehen. Eröffnet man zum Beispiel in diesem Gebäude ein Theater, kann man die folgenden Jahrzehnte kein anderes eröffnen. Da ist der geschlossene, umbaute Raum. Dort ist das Theater verortet, ob der Mensch will oder nicht.

Und im Innern, in den dunklen Räumen ohne Fenster arbeitet der Theatermensch, der Opernmensch oder an mancher Stelle auch der Tanzmensch an seinem Werk, umschlossen vom Schutzraum, der ihm es gestattet, ja gebietet, dort das Theater mit Leben zu füllen. Es hat also eine Adresse, für die Verantwortung getragen wird. Es wird Geld ausgegeben, damit die Kunst lebendig bleibt. Der Staat, das Land, die Stadt – sie sind die Ermöglicher und eine Immobilie zu betreiben, ist … Weiterlesen

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Sturm und Drang – Vilde Frang

Irgendwo weit draußen muss es eine Quelle geben, der von Zeit zu Zeit aparte Fräuleinwunder entspringen, die eine Geige in die Hand nehmen und die Welt mit Musik verzaubern. Sie sind von klein auf im Reich der Töne zuhause, vollbringen Außerordentliches auf ihrem Instrument. Voila, hier also ist Vilde Frang.

Die Norwegerin, zarte 24 Jahre jung, studierte bei Kolja Blacher, und die Namen ihrer Mentoren flößen Ehrfurcht ein: Gidon Kremer, Martha Argerich, Anne-Sophie Mutter. Ein Glückskind betritt die Szene, und hat uns nun zwei CD’s geschenkt. Zeigt keine Angst, sondern greift sich zunächst nahezu grimmig entschlossen große Virtuosen-Brocken: die Violinkonzerte von Sibelius und Prokofiev (Nr.1).

Wie schnell fliegen da die Finger, wie präzise, wie zwingend ist ihre Gestaltungskraft. Süchtig aber … Weiterlesen

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Bad Painting. Zu den Offenbacher „Kunstansichten“

Wieder eine dieser konzertierten Aktionen, bei denen sich die sonst Konkurrierenden versöhnlich in die Arme sinken, um sich ein Wochenende lang als würdig zum Empfang kommunaler Zuwendungen zu erweisen. Dies ist keinesfalls so polemisch gemeint, wie es klingt – ich persönlich liebe solche Wimmelveranstaltungen und fahre stoisch alles ab (nicht um!), was sich mir in den Weg stellt: Galerien beim Galerien-Wochenende, Ateliers beim Atelier-Wochenende.

Das einzige Auswahlkriterium meines planlosen Besichtigungsrausches, die verkehrstechnische Machbarkeit, führt mich in – sagen wir mal „abwechslungsreiche“ Umgebungen. Es gibt halt solche und solche, und letztere überwiegen zuweilen bei solchen Gemeinschaftsevents.

Sämtliche Bilder sind keine Negativbeispiele sondern veranschaulichen das für den Text zentrale Thema der Vernetzung. Mark Bradford "And Off They Went", 2010, Foto CL

Sämtliche Bilder sind keine Negativbeispiele sondern veranschaulichen das für den Text zentrale Thema der Vernetzung. Mark Bradford "And Off They Went", 10, Foto CL

Harmoniebedürftig … Weiterlesen

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Kraut und Rüben im Regal

Als die Frankfurter Rundschau (FR) weitaus bessere Zeiten gesehen hat als heute, gab’s dort im Feuilleton eine Kraut-und-Rüben-Rubrik, welche da schlichtweg hieß: „Neue Bücher, die FR-Leser interessieren könnten“.

Unter dieser Larifari-Zeile ließen sich Bände auflisten, die die Verlage der Redaktion geschickt hatten und wofür die Lesekapazität und/oder der Platz im Blatt mutmaßlich nicht reichen würden. Man darf annehmen, dass eine Sekretärin die dürren bibliographischen Angaben abgetippt hat und die Redakteure somit ein paar Sorgen weniger zu haben glaubten.

Waghalsige Überleitung: Auch ich habe es nicht geschafft, alle mir zugesandten Bücher gewissenhaft von A bis Z durchzulesen, wie es sich für eine tragfähige Rezension gehören würde. Also muss ich es hie und da bei Schnelldurchgang und Kurzvorstellung belassen – wie es … Weiterlesen

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Über dem Abgrund

Obwohl sie oft nur wenige Straßen voneinander entfernt wohnten, sind Franz Schubert und Ludwig van Beethoven sich wohl nur flüchtig begegnet. Zur Verehrung des 27 Jahre jüngeren Schubert für den großen Meister, der auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stand, gesellten sich Respekt und Scheu bis hin zur Verzagtheit („Wer vermag nach Beethoven etwas zu machen?“).

Wie sehr er gleichwohl über Beethoven hinaus wollte, hinaus musste, klingt in seinen drei letzten Klaviersonaten an, geschrieben in den zwei Monaten vor seinem frühen Tod im November 1828. Schmerzlich schwanken diese Sonaten zwischen Dur und Moll, zwischen zarter Anmut und donnerndem Ausbruch. Ihre Melodien stocken, reißen oft gänzlich ab, lauschen ins Nichts hinein.

Die japanische Pianistin Mitsuko Uchida interpretiert Schuberts letzte Klaviersonaten im Konzerthaus … Weiterlesen

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Abgesang auf alles

Lange nichts mehr gehört und gelesen von Friederike Roth. Seit Mitte der 90er Jahre hat sie keine literarischen Texte mehr publiziert. Jetzt ist ihre „Abendlandnovelle“ erschienen. Und die handelt just vom Anfangen, vom Neubeginn. Die ersten Zeilen lauten so:

„Am Anfang des Anfangs / also vor jedem Anfang / diese Leere voll Hoffnung / diese vibrierende Ruhe…“

Keine Novelle ist dies, sondern ein mäanderndes Prosagedicht, ein ausuferndes Lamento. Es liest sich wie ein Abgesang aufs einst so glorreiche Autorinnenleben ebenso wie aufs Dasein der ganzen Menschheit.

Früher, ja früher waren Anfänge noch verheißungsvoll. Nun aber, da die Jugendzeit dahin ist, gibt es nur noch „dieses verwahrlost verschlampte Jetzt“. Alles verfällt und vergällt einem daher schon den nächsten Anfang, dem … Weiterlesen

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Lisztiana II – Wunderkind wider Willen

Die Musikwelt feiert heuer den 200. Geburtstag Franz Liszts. Das Bild über ihn scheint klar: der Frauenheld, der Tastenlöwe, zuletzt der gottesfürchtige Abbé. Doch wer war dieser Künstler wirklich? Michael Stegemann, Professor für Historische Musikwissenschaft an der TU Dortmund, weiß zu differenzieren. Hier ein Gespräch mit ihm – über Liszt den Neuerer, den Eitlen und Verzweifelten.

Franz Liszt, der Verführer und Virtuose – ist das alles, Professor Stegemann?

Natürlich nicht. Viele haben leider ein Bild über den Komponisten, das sich auf die Zeit zwischen 1830 und 1845 beschränkt und nur etwa zwei Dutzend Werke berücksichtigt. Dabei hat er mehr als 800 geschrieben.

Warum ist das so?

Liszt wurde bereits zu Lebzeiten demontiert, etwa von den publizistischen Gegnern seiner „Zukunftsmusik“. Das … Weiterlesen

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Verbrieft – Bekenntnisse eines Briefschreibers

Die Sondermarke prangt glänzend auf dem Umschlag. Man denkt kurz an Ringelnatz und verabschiedet sich. Ein Kulturwelt-Erbe befindet sich auf dem Rückzug.

Letzte Gefechte?

Noch ein Brief, nochmal an den Schreibtisch, der diesen Namen auch verdient. Freies Sichtfeld. Ein weißes Blatt Papier, jungfräulich schön. Das Schreibgerät liegt gut in der Hand. Das sollte so sein. Man hat ein paar Stunden zu tun. Das ist nicht immer so, aber es ist eine Option, mit der man rechnen muss.

Man kann von einer langen Tradition sprechen. Unzählige Kulturschaffende standen in Briefkontakt und pflegten ihn. Schriftsteller schrieben Briefe, die den Vergleich mit Büchern nicht scheuen mussten. Es ist hier nicht die Rede von Geschäftsbriefen, sondern von persönlichen Kunstwerken,

intimen Mitteilungen und „archäologischen“ Unternehmungen.… Weiterlesen

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Lisztiana I – Faustisches Ringen

Khatia BuniatishviliSie ist eine Pianistin, die keine Kompromisse kennt. Die genau weiß, was sie will. Sich hineingräbt ins Klavier, um sich mit allen gespielten Linien, Läufen oder Akkorden zu umhüllen. Wer sie auf der Bühne erlebt hat, weiß um ihre Präsenz, Kraft und Hingabe. Khatia Buniatishvili scheint introvertiert, doch die aufrauschenden oder zärtlich innigen Klänge, die sie hervorzaubert, lassen Distanz nicht zu.

Nun hat die junge Georgierin, gerade mit üppigstem Beifall bedacht zur Eröffnung des Klavier-Festivals Ruhr 2011, ihre erste Solo-CD (Sony) eingespielt. Mit Werken einzig von Liszt. Das mag den Anschein haben, die Solistin wolle stürmischen Schrittes den Gipfel des Virtuosentums erklimmen. Nichts jedoch ist falscher als das. Alles Flirren und Flittern um seiner selbst willen liegt ihr fern. Hier … Weiterlesen

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Zeche Carl feiert Evil Horde Metalfest – Ruhrpott-Metal kehrt zurück ins Kulturzentrum

Erstmalig findet das Evil Horde Metalfest in der Zeche Carl statt. Was in Oberhausen startete, wird damit nun in Essen-Altenessen fortgesetzt und der Ruhrpott-Metal erhält wieder Einzug an der Stelle, an der die Reise vor mehr als 25 Jahren begann. Am 14. Mai ist es soweit. Ab 15 Uhr lautet das Motto „Metal aus dem Ruhrgebiet – von Fans für Fans“. Neben Konzerten wird es auch Lesungen und Aktionen geben. Ein Gespräch mit Veranstalter Martin Wittsieker.

Martin Wittsieker

Martin Wittsieker

Wann und wie ist die Idee für das diesjährige und damit dritte Evil Horde Metalfest entstanden?

Die Idee entstand bereits 2007. Damals hatte Jens Basten von Night In Gales und ex-Deadsoil, die Idee, ein kleines Festival auf die Beine zu stellen, um … Weiterlesen

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Gereimtes oder Ungereimtes

Ich möchte hier einen Versuch wiederholen. Beim für immer entschlafenen Kulturblog Westropolis (2007-2010) hat es der entsprechende Thread über die Jahre hinweg auf rund 1500 Wortmeldungen gebracht. Man verzeihe mir den preiswerten kleinen Stolz, damit einen Rekord angestoßen zu haben, der dort nicht mehr gebrochen werden kann, weil jene Plattform der WAZ-Mediengruppe Anfang 2011 unwiederbringlich gelöscht worden ist.

Die Idee, wenn man sie überhaupt so nennen soll, ist denkbar simpel und keineswegs originell:

Statt eines Kommentars hinterlässt man/frau hier just einen selbst verfassten Zweizeiler, Vierzeiler, ein Sonett oder sonst etwas Gereimtes / Ungereimtes mit lyrischer Anmutung bis Zumutung.

Einstiegsschwelle niedrig, Skala der Ansprüche nach oben offen.

Als die A40/Bundesstraße 1 im Sommer 2010 fürs kulturhauptstädtische „Stilleben“ gesperrt wurde, gab es … Weiterlesen

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Blutiges Todesmärchen

Theater kann erschüttern, belehren, eine neue Perspektive aufzeigen. Oder für kurze Zeit eine andere Realität auftun, deren Regeln und Bilder uns bisweilen fremd sind, die uns aber gefangen nimmt und verzaubert in ihrer Einzigartigkeit. Federico García Lorca hat mit seiner „Bluthochzeit“ ein solchLeonardo (Björn Gabriel) hat sich seine Braut (Caroline Hanke) geschnappt. Foto: Birgit Hupfeldes Stück geschrieben, für das Paolo Magelli auf der Dortmunder Bühne eine fordernde Übersetzung gefunden hat.

Federico García Lorca war gerade 38 Jahre alt, als er von Handlangern des späteren Diktators Francisco Franco im Bürgerkrieg getötet und in ein Massengrab geworfen wurde. Seine Homosexualität und die linken, gesellschaftskritischen Arbeiten des berühmten spanischen Dichters waren ihnen verhasst.

Der Sohn eines Großbauern jedoch war den Traditionen seiner Heimat eng verbunden, suchte mit einem reisenden Studenten-Theater Kultur und Bildung in … Weiterlesen

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Das „Haus am See“ – mehr als Brüste

Theater-Rezension in exakt 150 Wörtern, Teil I:

Schauspielhaus Bochum „Haus am See“, Uraufführung 6.5.2011

 

Veras Brüste. Wieso denke ich an Veras Brüste? Gab es in diesem Stück nicht mehr? Im „Haus am See“ von Reto Finger, einer Auftragsarbeit für das Schauspielhaus Bochum?

Sicher: Friederike Becht sieht gut aus – auch auf der Bühne, auch nur in Panties. Sicher: Sie hat sie alle bezirzt. Den Chef, seinen Prokuristen, den wirtschaftlichen Taugenichts – alle drei Brüder, alle drei Hauptfiguren.

Sie musste sich umziehen. Warum? Das bleibt das Geheimnis des Autors. Jedenfalls kehrt sie zurück im hauchdünnen Kleid, Größe 44 oder 46. Und weil das noch nicht freizügig genug ist, lädt sie noch alle Herren zum Schwimmen ein. Nackig, versteht sich.

Dass … Weiterlesen

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Hirnforschung – mit den Mitteln der Kunst

Liebes Revier. Genaugenommen braucht es euch nicht zu bekümmern, welche Ausstellung heute in anderen Bundesländern eröffnet. In der vorliegenden aber geht es um ein Hirn. Und ich dachte, weil bei euch der eine oder andere vielleicht auch sowas hat, könnte es interessant sein. Hier also nähere Infos zu

Max Brand: „Meine Gedanken“

Galerie Jacky Strenz, Frankfurt am Main, 7.5. – 1.7.11

Schlechte Sicht. Der Blick von der Straße wird von einem Vorhang getrübt. Die mangelnde Transparenz ist Absicht, ist doch der Ausstellungsraum nichts weniger als die Veranschaulichung eines Gehirns, und als solches bekanntlich von außen nur bedingt einsehbar.

Einmal eingetreten, bietet sich die unverstellte Sicht auf zwei- und dreidimensionale Äquivalente für „Meine Gedanken“. „Seine“ genaugenommen, doch Besitzverhältnisse sind hier … Weiterlesen

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Ein Hyper-Chonder im Bochumer Prinz Regent Theater

Hypochonder? Dieser Mann ist eher ein Hyper-Chonder. Krank fühlt er sich, wälzt sich im Lehnstuhl, greift nach der Sauerstoffmaske, sehnt sich nach Einläufen und wohlklingenden Mittelchen.

Gestatten: „der eingebildete Kranke“, die Hauptfigur aus Molières letzter Komödie. Wolfram Boelzle verkörpert ihn leidenschaftlich, amüsant und stimmig auf der Bühne des Prinz Regent Theaters in Bochum.

DAS STÜCK Nur ein Tag ohne Arznei? Nur eine Stunde ohne Klistier und Fremdwörter-lastige Rezepturen? Das wäre sein Tod, glaubt Argan. Und zahlt. Auch wenn die Rechnungen, der Ärzte und Apotheker ihn direkt in den nächsten Hustenanfall und zurück zum Inhaliergerät treiben.

Ach, hätte er doch schon einen Arzt als Schwiegersohn, wünscht sich Argan und träumt. Von der kostenlosen medizinischen Versorgung im eigenen Haus.… Weiterlesen

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Künstlergruppe Freiraum2010 verabschiedet sich von der Lukaskirche

Zweite Freiraum2010-Ausstellung in der LukaskircheDie entweihte Lukaskirche in Essen-Holsterhausen soll modernisiert werden, die Kunst muss raus. Nach zwei erfolgreichen Austellungen verlassen die Künstler von Freiraum2010 das einst christliche Gebäude in der Planckstraße.

Am 1. Mai war letzter Ausstellungstag. Zum Abschied verkündete Joscha Hendricksen, Pressesprecher der Gruppe, die „100 Thesen zum Freiraum“ – in Anlehnung an René Polleschs „Der perfekte Tag“, wie er betonte. Entsprechend nachdenklich wirken nun die teils lustig, intelligenten und immer irgendwie abgedreht klingenden Thesen nach. „Nach fast einem Jahr auf der Suche nach Freiräumen, ist unsere Gruppe gewachsen. Dass wir jetzt wieder ohne Ort zum Zusammenkommen und Arbeiten dastehen, ist eine Tragödie. Dies schwächt unsere Gruppe und erschwert die Möglichkeit, künstlerische anspruchsvolle Projekte zu entwickeln und zu verwirklichen“, sagte Hendricksen … Weiterlesen

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Well established? Mäßige Ware beim Spinnereirundgang

Die Zeiten des Undergrounds sind vorbei. Die Leipziger Baumwollspinnerei ist gentrifiziert und im allgemeinen Kunstbetriebseinerlei angelangt. Vergangenes Wochenende bewies der Rundgang am Ort der Verheißungen abseits der Bundeshauptstadt, die mit ihrem Gallery Weekend wieder Rekorde brach, dass in Plagwitz die Luft raus ist.

Nicht, dass es in Berlin besser sei, aber: Langeweile bei Judy Lybke, der am Samstag Nachmittag nicht an der Spree weilte, sondern seiner Heimatstadt den Vorzug gab. Er zentriert sein Angebot um eine Arbeit von Carsten Nicolai, „pionier I“. Die Gallerina am Eingang sagt mit Wimpernaufschlag: „In fünf Minuten geht’s los“, als ob im Zoo die Pinguinfütterung begänne. Hatte aber vorher schon gesehen, dass eine Windmaschine einen weißen Fallschirm blähte. Das bisweilen zappelige Ding solle laut Handzettelprosa … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (1): An der Kasse

Die Frau, wahrscheinlich in den Fünfzigern, ist vielleicht ein wenig verhuscht, aber überhaupt nicht verwahrlost. Sie hält noch etwas auf sich, wenn auch nicht mehr so viel wie ehedem. Sie ist auf unscheinbare, gläsern verletzliche Art adrett. Es ist, als stünde sie auf papierenen Füßen. Sie lebt allein, so viel scheint gewiss.

Sie steht an der Kasse. Bevor sie an die Reihe kommt, sortiert sie ihren bescheidenen Einkauf auf dem Laufband sehr sorgfältig um und um. Geradezu liebevoll. Unsinnig liebevoll.

Der Kassierer tippt die Beträge ein und drückt die Additionstaste. 19 Euro und… Mit Mühe kratzt sie knapp 16 Euro zusammen. Ihr hilfloser Blick.

Dieser Kassierer, ein massiver Mensch, schlägt vor: „Was brauchen Sie denn nicht so dringend? Dann lassen … Weiterlesen

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Das pralle Leben: Dortmunder Konzerthaus-Saison 2011/12

Die Farbe des neuen Programmbuchs des Dortmunder Konzerthauses ist rot. Doch keine knallig monochrome Fläche leuchtet uns entgegen, vielmehr bilden sich in feinster Farbabstimmung Gebilde wie Blutkörperchen. Auch auf den Innenseiten sind sie immer wieder zu sehen. Zwischen all den berühmten Dirigenten, Geigerinnen oder Sängern, die sich in der Saison 2011/12 die Ehre geben werden. Die Botschaft: Das Haus lebt.

Intendant Benedikt Stampa drückt das so aus: „Wir wollen uns mehr und mehr in der Stadt verankern und ein Musik-Milieu schaffen.“ Bewusst habe man noch einmal an der Programmschraube gedreht, um nicht nur Gewohntes und Beliebtes zu präsentieren, sondern auch Außergewöhnliches, besondere Werke sowie bemerkenswerte Interpreten.

Neu ist Stampas Ziel, der Urbanität ein starkes künstlerisches Flair beizumengen und dem Publikum … Weiterlesen

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Das Menetekel der Giraffe

Eigentlich wollte ich gestern ein paar Absätze über Bin Laden schreiben. Es wäre beispielsweise um Rechtsstaatlichkeit und christliche Werte gegangen. Dann aber dachte ich mir: Jeder Terrorexperte unserer Breiten hat bereits seine (Fern)-Diagnose auf den Markt der Meinungen geworfen. Da mache ich lieber was Abseitiges – und wenn ich’s aus der Archivkiste hervorzerren müsste. And here we go:

Kürzlich hat Katrin Pinetzki an dieser Stelle über eine Sprachmarotte der Pixi-Bücher geschrieben. Ich möchte ihre Analyse mit einem Deutungsversuch ergänzen, und zwar am Beispiel einer literarischen Hervorbringung der komplexen Sorte. Kenner ahnen es bereits beim ersten Blättern: Ohne hochspezialisiertes interpretatorisches Besteck wird in diesem Falle nichts zu gewinnen sein. Proust, Joyce und Musil lassen nolens volens grüßen.

Das vorliegende Buch hat … Weiterlesen

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Wenn die Zeit still steht – Opernheld Hamlet in Dortmund

Dortmund. Hamlet. Ein Monolith in William Shakespeares dramatischem Schaffen, der Schuld und Sühne, Wahn und Realität verhandelt. Der sich an die letzten Dinge wagt. „Sein oder nicht sein“ – die Wucht eines Satzes als Zentrum von Seelenzuständen. Das jedoch hat Christian Jost nicht abgehalten, oder vielleicht geradewegs angespornt, 2009 seinen „Hamlet“ in die musikalische Welt zu werfen. Er hat nichts weniger geschaffen als ein machtvolles Opern-Lamentoso.

Die Musik ergießt sich in breitem Strome, teils heftig aufzuckend in facettenreicher Rhythmisierung, teil dunkel geheimnisvoll raunend. Das Werk, nun in Dortmund zur Premiere gelangte, ist vor allem eine klangliche Nachzeichnung von seelischer Not. Der Komponist selbst spricht von zwölf musikdramatischen Tableaux. Jede dieser szenischen Stationen scheint die Zeit aufhalten zu wollen. Reflexion ist … Weiterlesen

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US-Kräfte töten bin Laden

Gerade erst aufgewacht und die Welt ist plötzlich ein wenig anders: US-Spezialkräfte haben Osama bin Laden in Pakistan getötet. In seiner Rede erklärte US-Präsident Barack Obama:

The death of bin Laden marks the most significant achievement today in our nations’ effort to defeat al Qaida.

Er hat allerdings auch betont, dass “… the United States is not and never will be at war with Islam.”

Hier das Video von seiner Rede.

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Lebenslust – im Krieg?

Krieg – die Hölle auf Erden? Trotzdem verpflichten sich Jahr für Jahr junge Menschen weltweit als Soldaten. In „Embedded – ein Jahr Afghanistan“ forscht Regisseur Jonas Fischer auf der stimmungsvollen Unterbühne des Theater Dortmund ihren Motiven nach und stürzt die Zuschauer in den Ausnahmezustand.

Dunkelheit. Romantische Gitarrenmusik. Worte ausgerechnet aus der Feder Ernst Jüngers, der von dem Zerreißpunkt eines jeden Menschen raunt, vom Flüstern der Wildnis. Zwei Männer legen Kleidungsschicht für Kleidungsschicht wie eine Rüstung an, feierlich, bedeutungsschwer – der eine Journalist, der andere Soldat.

Zahlreiche Kriegsreportagen hat Regisseur Jonas Fischer ausgewertet und aus den Versatzstücken nun eine Meta-Realität gepuzzelt: Die eines Reporters (Ekkehard Freye), der ein Jahr lang amerikanische Soldaten (allesamt gespielt von Randolph Herbst) im brandgefährlichen afghanischen Korengal-Tal … Weiterlesen

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Schumann-Abend in Essen: Ans Herz gedrückt, ans Herz gelegt

Zum gestrigen Schumann-Abend des Pianisten András Schiff und seiner musikalisch kongenialen Freunde in der Philharmonie Essen

Wann hat man schon die ausgiebige Gelegenheit, an einem Abend nur Lieblingswerke zu hören? Wann schon die Gelegenheit, mehr als 150 Jahre alte Werke ein und desselben Komponisten zu hören und sie dennoch allesamt zu keiner Sekunde ihrer hellstwachen Darbietung als alte Musik zu empfinden? Nein, Schumann war durchweg ganz nah und ganz gegenwärtig. Ob nun beim Klavierquartett op. 47 oder beim Eichendorff- Liederkreis op. 39. Oder ob nach der 1. Pause bei Schumann-Heines „Dichterliebe“ op. 48 bzw. nach der 2. Pause beim abschließenden (wie alles zuvor) ganz großartig (oder doch noch etwas besser?) gespielten Klavierquintett op 44.

Bei all diesen Werken war umsichtig … Weiterlesen

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