Ich traue mich eigentlich auch jetzt noch nicht so recht: Sind ernsthaft zu nennende Blogs, die sich in würdigender Weise dem gezausten Themenfeld der Kultur widmen, auch wirklich das angemessene Podium?
Setze ich mich nicht freiwillig der Gefahr aus, mich als tumber Konsument und aufs Glotzen fixierter Allesfresser zu outen? Könnte ich möglicherweise das Schallen der auslachenden Heiterkeit bis nach Hagen hören? Ich mach’s dennoch: Der alte Mann gesteht, er guckt mit einem Heidenvergnügen alle Jahre wieder „Dschungelcamp“, amüsiert sich königlich, wie angeranzte Promis (oder solche, die noch nie welche waren und andere, die betteln, alsbald solche werden zu dürfen), alle Selbstachtung missachtend, allerlei Reste von krabbelnden Bewohnern des raren Regenwaldes von Down Under herunterwürgen. Ertappt.
Alltagskultur im weitesten Sinne
Nun tröste ich mich seit der Stunde, da diese Sendung Grimme-bepreist wurde, damit, dass sie ja im weitesten Sinne ein Stück deutscher Alltagskultur ist; damit, dass über die Ereignisse im sonnigen Promi-Hain von nahezu jedem Medium hierzulande begierig berichtet wird. Selbst Fernsehsendungen nehmen sich dieser Fernsehsendung an – quasi das „Wetten, dass?“ der Privaten. „Dschungelcamp“, das hat also einen Aktualitätswert, den zu unterschätzen zwar ausdrücklich erlaubt ist, aber anscheinend traut sich das niemand wirklich.
Ich bin ja bekennender Fan des gepflegten „Trash-TV“, ährlich. Das Team im Hintergrund der alljährlichen „Camper“-Tragödie ist indes im Rahmen dessen, was die Kollegen der Branche ansonsten so zu Wege bringen („Biggest Loser“, „Bauer sucht Frau“ oder Schlimmeres), beinahe von athletischer Sprachkultur.
Nach meist zurückhaltendem Beginn (man muss die Typinnen und Typen im Camp ja erstmal kennen lernen), fallen spätestens nach dem dritten Tag stets alle Barrieren. Dann beginnt Sonja Zietlow mit Daniel Hartwich (Nachfolger des verstorbenen Dirk Bach) über alles herzuziehen, was zweibeinig durch den Urwald stapft oder hinfällig stolpert.
„C-Promis sind viel zu teuer“
„Was schreiben die nur immer, wir laden doch keine C-Promis ein, die sind doch viel zu teuer“, tönt Sonja. Oder Daniel entfährt gekonnt die Charakterisierung „fossiler Lowperformer“ für Walter Freiwald, den er gern auch in „Freiwild“ umtauft.
Ach ja, muss man ja erläutern, wer das überhaupt ist: Walter Freiwald war einst Anhängsel von Harry Wijnvoord beim frisch geschlüpften Privat-TV von RTL in der kultigen Nachmittagssendung „Der Preis in heiß“. Harry war schon lange vor ihm im Dschungel, schlug sich recht wacker und bekam etwas frischen Wind die Karriereflaute. Die wünscht sich der welke Walter nun auch, bejammert das hilflose Publikum mit bundesweiten Bewerbungsgesprächen, was laut BILDender Zeitung zumindest beim Friesischen Rundfunk angeblich gewirkt haben soll. Anscheinend brauchen sie noch Verstärkung in ihrer Geriatrie.
Illuster ist der Reigen häufig desaströser Karrieren im Showbiz allemal. Und das in jedem neuen Jahr. Ich vermisse eigentlich seit langem eine vorgeschaltete Casting-Staffel, damit ich mal mitkriege, woher sie diese Merkwürdigkeiten eigentlich kramen. Ist aber wohl zu aufwändig.
Maren Gilzer beispielsweise lächelt sich mal wieder in ferne Zuschauerherzen. Die kannte man als anmutig-langbeinige Assisstentin im „Glücksrad“ und später als schauspielernde Krankenschwester im Team der Hospital-Soap „In aller Freundschaft“. Sie hatte sicher die stabilste Leiter von allen aktuellen Campern. Ähnlich stabil lief es bei Rebecca Simoneit-Barum, der ewigen „Iffi Zenker“ aus der „Lindenstraße“. Die kannte ich ja noch beide, alle folgenden erst, seitdem sie im Dschungel Bohnen mit Reis kauen. Ist doch auch ein Erfolg?
Blondine und Muskelpaket
Nun aber der ziemlich unbekannte Rest: Angelina Heger, ein possierliches Blondchen, versuchte mal einen „Bachelor“ zu umgarnen. Ohne Erfolg, was nicht weiter wundert, denn ist sie im Camp genauso auffällig wie die Beschattung durch die Bäume. Oder Aurelio Savina, ein bemaltes Paket Muskel das sich noch an seine Machorolle herantastet und mal eine Bachelorette bezirzen wollte, sich aber rauspöbelte. Benjamin Boyce, dem man nachsagt, er könne singen, weil er mal einer Boygroup angehörte. Jörg Schlönvoigt, von dem es heißt, er sei DJ, Sänger und Allgemeinmediziner bei GZSZ („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“). Ihrer beider Präsenz ist ebenfalls im Baumschatten zu suchen.
Und da hätten wir noch Patricia Blanco, Tochter des gleichnamigen Roberto, was ihr einziger Hinweis auf unmittelbar bevorstehende Prominenz bleibt. Außerdem wären da Rolf („Rolfe“) Schneider, dessen herausragende Leistungen sich bei der Jury-Mitgliedschaft während der Supermodelsuche und glänzenden Haltungsnoten beim Turmspringen finden lassen; Sara Kulka, eine der vielen, die „fast mal Supermodel geworden wären“, die indes Blüten streut, wenn sie ihr spezifisches Deutsch spricht: „Je öfters Du das machst, desto scheißegaler wird Dir das.“ Und schließlich Tanja Tischwitsch, das stimmlose Gesangstalent, das bei „Deutschland sucht den Superstar“ nur wegen seiner Ausstrahlung in den Recall gelangte.
So, hätte ich sie jetzt alle?. Die brummige Leserin, der kopfschüttelnde Leser wird gerade denken: „Ist mir doch egal, dieser Flachsinn!“ Aber wenn sie oder er sich das durchgelesen haben, sind sie genauso weit gekommen und informiert wie die im Spiegel, in der Zeit, der Welt oder vielen, vielen anderen Medien. Aber ich stelle hier mal wertend fest: Kult ist das, kultig kommt es bei mir an und ich lache mich frohgemut in die Bettschwere. Jedoch bis zur Kultur fehlen halt (nicht nur) zwei Buchstaben.
Klar. Manche Themen gehen immer.
Längst hatte ich mich geoutet, ein Gerngucker des Dschungelcamps zu sein. Damit kann man immer noch kontroverse Diskussionen entfachen. Wie? Du? Jawoll! Ätsch.