Viele junge Indianer, kaum Häuptlinge: Muss man sich Sorgen um den BVB machen?

Greifen wir gleich die Überschriftenfrage auf: Muss man sich Sorgen um Borussia Dortmund machen? Ich glaube schon. Denn was war das in den letzten Wochen? Ein beunruhigender Ausverkauf von Leitfiguren.

Nicht genug damit, dass Mats Hummels zu den Bayern ging, zog es die beiden wichtigsten Kreativkräfte Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan zu den zwei Krösus-Clubs in Manchester.

Hab' da noch so'n altes Trikot 'rumhängen. Soll ich's a) in die Tonne kloppen, b) verschenken oder c) testen, was es noch bei EBay bringt? (Foto: BB)

Hab‘ da noch so’n altes Trikot rumhängen. Soll ich es a) in die Tonne kloppen, b) vermodern lassen, c) verschenken oder d) testen, was es noch bei EBay bringt? (Foto: BB)

Ach, wie herzig hatte Mkhitaryan noch vor kurzer Zeit versichert, er werde Dortmund verlassen, wenn der Trainer Thomas Tuchel geht. Es hörte sich so an, als binde er sein Schicksal an das des Fußball-Lehrers, dem er einiges zu verdanken hat. Der Umkehrschluss freilich, dass er bleiben würde, wenn dieser Trainer bleibt, der war schon rein logisch nicht zulässig. Und wenn dann noch eine dieser parasitären Existenzen (genannt Spielerberater) am großen Rad dreht, dann zählt eh nur noch der Mammon. Wobei man ja auch in den Reihen von Borussia Dortmund nicht gerade Peanuts verdient…

Genug davon. Es ist passiert.

Was aber jetzt? Ungefähr parallel zum erwähnten Ausverkauf wurden, nahezu im Stakkato-Rhythmus, lauter Neuverpflichtungen verkündet; überwiegend Namen, die man bislang noch nicht so kannte. Doch diese Leute werden allesamt bereits als europaweit begehrte Supertalente bejubelt – zumindest von interessierter Seite. Man wird ja sehen.

Wir versuchen mal, die Übersicht zu gewinnen. Dies sind die bislang sechs Transfers zum BVB, namentlich nach Alphabet sortiert:

Der Spanier Marc Bartra kommt vom FC Barcelona nach Dortmund, der Franzose Ousmane Dembélé von Stade Rennes, der Portugiese Raphael Guerreiro vom französischen Club FC Lorient, der Spanier Mikel Merino von CA Osasuna, der Türke Emre Mor vom dänischen Club FC Nordsjaelland und der Deutsche Sebastian Rode von Bayern München.

Alles klar?

Ein so genannter „Leitwolf“, „Führungsspieler“ oder gar möglicher Kapitän ist jedenfalls nicht darunter. Wie denn auch? Die Hälfte der Neuen ist im zarten Alter von 18 (Mor), 19 (Dembélé) oder 20 Jahren (Merino). Auf sie warten beispielsweise der hochbegabte US-Amerikaner Christian Pulisic (17) und der schon vergleichsweise etablierte EM-Spieler Julian Weigl (20).

Viele Indianer, so gut wie keine Häutplinge. Wie soll man mit lauter „Jungen Wilden“ in der Bundesliga und in der Champions League bestehen? Schön wär’s ja… Doch das Ganze hört sich nach einem Abenteuer mit höchst ungewissem Ausgang an.

Auch ein gewiefter Trainer wie Thomas Tuchel wird aus diesem Kader höchstwahrscheinlich nicht im Eiltempo ein schlagkräftiges Team formen können; zumal mit Marco Reus (27) einer der verbliebenen Leistungsträger länger ausfällt. Da darf man schon dankbar sein, dass mit dem Polen Jakub „Kuba“ Blaszczykowski (30) ein erfahrener Spieler aus Florenz zurückkehrt. Hoffentlich bleibt er.

Stellt man den größten Umbruch seit mindestens einem Jahrzehnt in Rechnung, müsste man sich als Realist in der kommenden Saison auf eine Liga-Platzierung zwischen 5 und 12 sowie auf einen zeitigen Abschied von „Europa“ einrichten, oder? Falls sich das Team unfallfrei einspielt, können die dann folgenden Jahre vermutlich nur besser werden.

Es gibt Fans, die in dieser riskanten Situation notfalls einen Pakt mit dem Teufel schließen und/oder sogar zähneknirschend die Rückkehr von Mario Götze gutheißen würden, auf dass er mit Reus harmoniere wie in früheren Zeiten. Überdies halten sich Gerüchte, dass der BVB mit der jetzt prall gefüllten Kasse z. B. den Nationalstürmer André Schürrle aus Wolfsburg holen könnte; eine Perspektive, von der sich etwa www.schwatzgelb.de gar nicht begeistert zeigt.

Andere suchen sich in gewohnter Nibelungentreue mit den üblichen Durchhalte-Sprüchen zu trösten, der Verein sei größer und wichtiger als jeder einzelne Spieler. Ach was. Und wie viele Punkte kriegt man dafür?

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P.S.: Ich lasse mich – wie stets – gern eines Besseren belehren.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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17 Antworten zu Viele junge Indianer, kaum Häuptlinge: Muss man sich Sorgen um den BVB machen?

  1. Bernd Berke sagt:

    Man fühlt sich in diesem Falle ja ungern bestätigt, aber…: http://www.schwatzgelb.de/2016-11-27-spielbericht-es-geht-nicht-nur-um-den-fc-bayern.html

  2. Bernd Berke sagt:

    Mh. Durch das gestrige Spiel in Leipzig fühle ich mich in meiner Einschätzung doch erst einmal bestätigt. Es war die schwächste BVB-Leistung seit langer Zeit.

  3. Bernd Berke sagt:

    Schürrle aus Wolfsburg holen, Kuba dorthin ziehen lassen – da läuft doch was verkehrt, oder?

  4. Paul Blösl sagt:

    Hmm … irgendwie schales Gefühl.
    Ich war ja wirklich gespannt auf die neue BVB-Mannschaft, (relativ) unbekannte Gesichter, interessant.
    Und jetzt … kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass die Sache mit Götze gut geht. Und dann vielleicht noch Schürrle?
    OK. Wenn TT die beiden wieder in die Spur bringt alles richtig gemacht und er ab dann Trainerheld. Bloß, was wird aus den jungen? Vor diesem/diesen Transfer/s hab ich mich jedenfalls mehr auf die neue Saison gefreut.

  5. Bernd Berke sagt:

    Tuchel selbst klingt auch nicht nur zuversichtlich. Ist es Zweckpessimismus oder Realismus? Siehe hier: http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/vereine/655808/artikel_tuchel_ein-mix-aus-apokalypse-und-aufbruch.html

  6. Thomas Schweres sagt:

    Was beim BVB auffällt: Die genannten Neuzugänge, überwiegend ganz junge Spieler, mussten für teures Geld eingekauft werden. Spieler aus der eigenen Jugend in nenneswerter Zahl nachzuziehen, die von Kindheit an die Abläufe im Verein kennen, die man in Ruhe in unteren Mannschaften über Jahre beobachten kann, gelingt dem BVB nicht wirklich gut.
    Georg Schüppe, der Schalker Kommissar im Dortmunder Polizeipräsidium, hat sich in meinem Kriminalroman ‚Die Abdreher‘ (geschrieben im Herbst 2015) darüber auch Gedanken gemacht:
    ‚Dass der BVB erstmals seit Jahren wieder auf der Eins stand, vor den Bayern, das war nur eine Momentaufname am Saisonanfang gewesen. Und was aus Golfsburg wurde, ohne die VW-Millionen nach dem Abgasskandal…Die bekommen sowieso alle noch Probleme, dachte er, wenn die Engländer mit ihren Milliarden der Bundesliga weiterhin die Kader leerkauften. Schalke hätte dann wenigstens noch die Knappenschmiede, die jedes Jahr zuverlässig neue Talente produzierte.‘
    Bei aller gebotenen Demut: In dem Bereich ist der S04 besser. Glückauf!

  7. Bernd Berke sagt:

    Eure Worte in Gottes Ohr.
    Wie gesagt: Ich lasse mich durch die Wirklichkeit gern eines Besseren belehren.

  8. Dr.GelbesHerz sagt:

    60er!!! Ohja. Ich hab da nen Vater der in diesem Jahr sein 59stes 60ger Jubiläum feiert! Im kommenden Jahr gibts dann eine grössere Party!
    Meine Intension war es auch nicht alle als Häuptlinge ins Rennen zu schicken. Tatsächlich traue ich das eben auch keinem Auba oder Shinji zu…! Papa, Schmelle, Castro, Bender und Shahin haben für mich alle das Zeug Leitwölfe zu sein. Wer weiss ob Kuba nicht doch zum Zug kommt. Ihm traue ich das auf jeden Fall zu! Aber auch dem jungen Durm und dem erst 22-jährigen Ginter ist einiges zuzumuten…
    Ich jedenfalls freue mich auf die neue Saison wie n Schneekönig. Daher wird meine erste Station auch das Trainingslager im Tiroler Land sein. 😉

  9. Paul Blösl sagt:

    @ Dr.GelbesHerz:
    Danke, dass Sie noch ein paar zusätzliche Namen ins Spiel brachten. Einen Castro könnt ich mir durchaus auch als Häuptling vorstellen. Marco und Shinji eher nicht, das passt vom Typ her nicht ganz (mein Empfinden). Nuri und Ginter noch eher, wenn in Form, verletzungsfrei und gesetzt. Auba Häuptling? Eher nicht, der will nur spielen, glaub ich (und das mein ich jetzt in keinster Weise negativ).
    Alles in allem seid „ihr“ ganz gut aufgestellt, denk ich. Und auch auf Grund der Neuzugänge bin ich echt gespannt und freu mich.
    @ Rudi: Sei mal quasi seit Geburt 60er Fan … DA lernt man Demut 😉

  10. Dr.GelbesHerz sagt:

    Nunja…! Diese Berichte geistern nun bereits seit 2/3 Tagen herum. Seit inzwischen über 30 Jahren Anhänger, Gott bin ich alt, lasse ich mich von Wasserstandsmeldungen, wie immer, nicht aus der Ruhe bringen und interpretiere nichts. Ich schrieb ja, „Im Fussball ist alles möglich“. Doch glaube ich dass er diese Saison nicht gehen wird. Im Spieljahr 2017/2018 können wir das gerne noch einmal diskutieren! 😉

  11. Dr.GelbesHerz sagt:

    Ich wundere mich doch etwas.
    Natürlich gibt es einen wirklich grossen Umbruch und sicher wird es seine Zeit brauchen bis man diese Mannschaft etsprechend geformt hat. Gleichwohl haben wir noch Marco, Auba, Schmelle, Papa, Ginter, Bender, Shinji, Nuri, Castro, Ramos… alle sind in der vergangenen Saison, nach meiner bescheidenen, subjektiven Meinung, besser geworden! Häuptling braucht es nur einen, dazu eine Hand voll erfahrener Krieger und eben die jungen Indianer… Zu diesen zähle ich auch den bereits etablierten Jule Weigel. Und hier ist der Ansatz! Die alten wollen bestätigen dass sie noch was drauf haben während die jungen sich beweisen möchten und zeigen müssen dass sie es Wert sind auf sie zu setzen. Ehrgeiz und Wille kann alle Berge versetzen. Denn die Tat unterscheidet das Ziel vom Traum!!! Und alle haben Träume die in die Tat umgesetzt werden wollen. Klingt ein wenig pathetisch, ich weiss. Doch ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ich glaube dass wir auch in der kommenden Saison gut mithalten werden. Vielleicht wird sie nicht so gut wie die vergangene, aber so eine Seuchensaison wie das Jahr davor stelle ich mir auch schwierig vor. Unter den ersten 5 werden wir die Saison beenden. Das ist bei mir gesetzt. Im Fussball ist alles möglich – nicht dass es am Saisonende gar einen Titel gibt!?!

    …Irgendeinen!!!

  12. Rudi sagt:

    In so ziemlich jeder Hinsicht bin ich da ganz nahe bei Paul Blösl. Sicher, es wird Herrn Tuchel Arbeit machen. Und sicher, es wird auch Zeit in Anspruch nehmen. Aber auf keinen Fall wird ein total überschätzter Schürrle oder Götze da allheilmittelnde Hilfen bieten. Ich bin eigentlich guten Mutes, dass es gut weitergehen wird, wenn auch nicht so toll wie in den vergangenen Saison. Lange BVB-Fan zu sein, lehrt Demut.

  13. Paul Blösl sagt:

    Ja, wird spannend, wie sich das zusammenfügt.
    Ich persönlich (als relativ neutraler Beobachter) fände spontan Kuba als Leitwolf/Häuptling die optimale Lösung (vermutlich wär auch das Dortmunder Publikum durchaus angetan) und am Rest, der richtigen Mischung langsam feilen. Sokratis wär auch noch so einer, auch einen Bender könnt ich mir als (Jung)Häuptling vorstellen. Also: Keine Panik.
    Götze, ich weiß nicht, eigentlich ein no go (wenn überhaupt, dann ablösefrei). Dass Schürrle überhaupt ins Spiel kommt versteh ich eh nicht.
    Und die Sache mit Miki … find ich gut und sinnvoll, dass es beendet ist. Ich konnte mir nämlich auch (wie wohl viele) nicht vorstellen, dass er sein „Zusatzjahr“ wirklich wieder so herausragend gestaltet. Und dann?

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