Monatsarchive: Oktober 2007

Wilhelm Busch: Lustvolle Zerstörung der Idylle

Gleich hinterm Eingang blickt der Besucher in einen Zerrspiegel. So sieht man sich nicht gern. Doch im Schloss Oberhausen geht’s ja auch um einen Verzerrer der sichtbaren Wirklichkeit: Wilhelm Busch, Urahn vieler späterer Comic- und Cartoon-Künstler. Der Schöpfer von „Max und Moritz”, „Hans Huckebein” und zahlloser weiterer Bildergeschichten hat klassisches Rüstzeug an Kunstakademien erworben. Wenn er will, kann er etwa im Stile der alten Holländer malen. Doch schon beim anfänglichen Maschinenbau-Studium karikiert er seine Dozenten. Schalkhafte Blätter aus Kollegheften zeugen davon.

Die Ausstellung „Herzenspein und Nasenschmerz” stellt Wilhelm Buschs Werke in Zusammenhänge mit Vorläufern und Nachfahren. Karikierende Tendenzen gab es z. B. schon bei Francisco Goya (Verzerrung durch Schmerz), beim Franzosen Grandville oder beim Engländer William Hogarth, der mit Vorliebe … Weiterlesen

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Ibsens „Gespenster“ in Bochum: Bodenlose Angst vor der Wahrheit

Bochum. Die Bühne ist gnadenlos grell ausgeleuchtet, das spärliche Mobiliar schimmert in edlen Weiß-Tönen. In dieser geheimnislosen Helligkeit soll sich etwas verborgen halten? Aber ja! Gespielt wird Henrik Ibsens „Gespenster“-Drama.

Das 1881 verfasste Stück trägt historische Schleifspuren. Damals galt es als Menetekel der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Lebenslügen.

Der vor Jahren verstorbene Familienvorstand Alving war ein Wüstling und trieb’s mit dem Dienstmädchen. Dem Verhältnis entspross Regine, die gegen Schweigegeld dem Tischler Engstrand als Tochter untergeschoben wurde. Alvings legitimer Sohn Osvald büßt derweil genetisch für die Sünden (bzw. die fatal eingezwängte Lebenslust) des Vaters, er leidet unter syphilitischer Paralyse.

Und wie hat Frau Helene Alving über die Jahre an der Familienschande gelitten! Nun kommt gespenstisch alles ans Licht, angetrieben vom ebenso … Weiterlesen

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Aus der Krise ins gleißende Licht – Wuppertaler Museum vergleicht Auguste Renoir mit Vorbildern und Zeitgenossen

Von Bernd Berke

Wuppertal. Auguste Renoir? Kennt man doch. Hatte man mal als liebliches Kalenderblatt an der Wand. Duftige Farben, ätherisch zarte Frauen. Auch Wuppertals Museumsdirektor Gerhard Finckh hat sich ganz früher mal Renoir-Reproduktionen hingehängt. Eins dieser Motive kann er jetzt im Original zeigen – und etliches mehr.

Über 50 Bilder des berühmten Franzosen präsentiert das Von der Heydt-Museum. Hinzu kommen rund 50 weitere Werke von Anregern, Freunden und Zeitgenossen des Impressionisten. Fürwahr ein großer Auftritt und viel flutendes, flirrendes Licht!

Doch Finckh behauptet: Eigentlich kennen wir Renoir gar nicht richtig – oder jedenfalls nur einen kleinen, zumeist vor 1881 entstandenen Teil seines Werks. Bis dahin hat Renoir bereits grandiose Bilder geschaffen, doch der große Erfolg bleibt aus. Die führenden … Weiterlesen

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Blinky Palermo: Rebellion mit Wasserwaage

Düsseldorf. Mit Blinky Palermo verhält es sich so: Manche seiner Arbeiten hat dieser Künstler aus Unzufriedenheit selbst vernichtet. Von vielen anderen hat sich später die Spur gleichsam im Nichts verloren.

Das erhaltene Gesamtwerk des 1977 mit nur 33 Jahren auf den Malediven gestorbenen Künstlers ist überschaubar. Nur rund 200 größere Bilder und Objekte sowie etwa 600 Zeichnungen nennt der Œuvre-Katalog. Wohl gerade deshalb gilt Palermo als Mythos. Knappes Werk und früher Tod – das sind nach den Marktgesetzen zwei Bedingungen, die solch einen Status begünstigen können.

Jetzt zeigt die Düsseldorfer Kunsthalle einen Überblick zum schmalen Schaffen – den allerersten in jener Stadt, in der Palermo einst Meisterschüler des noch ungleich berühmteren Joseph Beuys gewesen ist. Damals bekam der Mann, der … Weiterlesen

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Günter Grass wird 80: Lebenslustiger Pessimist

Es gab Zeiten, da war sein Ruhm kaum noch zu steigern. Als Günter Grass im 1999 den Literaturnobelpreis bekam, war er auf dem Gipfel der weltweiten Reputation angelangt.

Doch die moralische Instanz, die er über Jahrzehnte gewesen ist, hat Risse bekommen. Sein allzu spätes Eingeständnis, mit 17 Jahren Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, hat die Nation im Sommer 2006 wochenlang bewegt. Vor allem konservative Geister, die der linksliberale Grass zuvor vielfach mit polemischen Äußerungen verärgert hatte, witterten nun ihre Chance auf Revanche. Sie warfen ihm anmaßende Selbstgerechtigkeit vor. Aber waren sie selbst frei davon?

Das Lebenswerk des Mannes, der am 16. Oktober 80 Jahre alt wird, hat jedoch Bestand. Und sein Publikum hat treu zu ihm gehalten. Zudem wird … Weiterlesen

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„Geliebte Jane“: Der Wille zur Romanze

Wie wird eine kluge Frau um das Jahr 1795 zur Schriftstellerin? Wie war das beispielsweise bei Jane Austen, die Klassiker wie „Stolz und Vorurteil” verfasst hat? Solche Fragen will der Film „Geliebte Jane” nicht nur stellen, sondern für alle Zeit beantworten.

Die Britin Jane Austen (1775-1817) galt den Biographen lange Zeit als „ältliche Jungfer”. 2003 erschien dann ein Buch von John Spence, der herausgefunden haben wollte, dass es doch eine leidenschaftliche Affäre gab, die Jane für ihr restliches (allzu kurzes) Leben geprägt hat. Ohne diese Episode, so die These, wäre sie eine ganz andere oder womöglich gar keine Autorin geworden.

Diesen Befund nimmt sich Julian Jarrolds Film so sehr zu Herzen, dass er ihr Schaffen fast nur aus diesem amourösen … Weiterlesen

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Künstler ahnen die Katastrophe

Für die Ausstellung „1937 – Perfektion und Zerstörung” ist die Bielefelder Kunsthalle bis an die Grenzen des finanziell Machbaren gegangen. Wenn nicht mindestens 100 000 zahlende Besucher kommen, dürften (trotz erheblicher Sponsoren- und Stiftungsmittel) die künftigen Spielräume sehr eng werden.

Rund 420 Werke aus weit über 100 Museen der Welt bietet man auf, um das Umbruchsjahr 1937 im Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Politik zu erkunden.

Es war das Jahr, in dem die NS-Machthaber die infame Ausstellung „Entartete Kunst” zeigten, mit der sie die gesamte Avantgarde diffamieren wollten. Am 19. Juli 1937 begann die schändliche Schau mit beschlagnahmten Bildern in München. Dort und an weiteren Stationen zog sie bis 1941 rund 2 Millionen (!) Besucher an. Sicherlich waren viele Verblendete darunter. … Weiterlesen

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Genazinos „Courasche“-Stück: Sex zwischen Ödnis und Angst

Vor Jahresfrist war’s ein Skandal zum Blätterrauschen: Da weigerte sich die Schauspielerin Veronica Ferres, bei der RuhrTriennale die Titelrolle im neuen „Courasche”-Stück des Büchner-Preisträgers Wilhelm Genazino zu spielen. Der bis jetzt wie ein Geheimnis gehütete Text war ihr seinerzeit zu „pornographisch”. Nun weiß man: Dieser Vorwurf zielt ins Leere.

„Courasche oder Gott lass nach” kam jetzt endlich als Triennale-„Kreation” (Regie: Stephanie Mohr) in Duisburg heraus. Mit literaturgeschichtlichen Seitenblicken auf Grimmelshausen und Brecht (siehe Info-Kasten) werden sexuelle Machtverhältnisse quer durch die Zeiten erkundet. Egal ob in Krieg oder Scheinfrieden: Männer wollen allzeit „rammeln” – und Frauen lauern auf dürre Vorteile inmitten des sexuellen Elends. Betrüblicher Befund. Zwar hin und wieder drastisch formuliert, doch gar nicht pornographisch.

Drei Darstellerinnen verkörpern die „Courasche”-Varianten … Weiterlesen

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