Monatsarchive: November 2007

Rituale statt Rebellion – Interview mit Martin Mosebach

An Martin Mosebach (56) scheiden sich manche Geister: Den Einen gilt der Frankfurter Schriftsteller und Büchner-Preisträger als Vorbote oder gar Leitgestalt einer „konservativen Wende”, die Anderen rühmen Werk und Wirkung. Jetzt hat Mosebach seinen Roman „Der Mond und das Mädchen” bei einer Lesung im Dortmunder Harenberg-Center vorgestellt – Gelegenheit zu einem Gespräch.

Was hat sich mit dem Büchner-Preis für Sie verändert?

Martin Mosebach: Die wichtigste Änderung war schon eingetreten, nämlich das Bewusstsein, dass ich jetzt einen Einschnitt erreicht habe in meiner Arbeit. Ich möchte einen Neuanfang versuchen. In welche Richtung, das wird sich zeigen. Der Preis hat das Gefühl eines Einschnitts nur noch bestätigt. Aber meine Romane unterscheiden sich ohnehin sehr stark voneinander. Ich bin niemals den gleichen Pfad gegangen.… Weiterlesen

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„Freiheit der Linie“: Wie Künstler die Gefühle steigern

Münster. Mit Farbe, Form und Linie muss sich jeder Künstler befassen. Das Landesmuseum in Münster greift eins dieser Grundelemente heraus: die Linie. Nicht einfach so, sondern mit konkreten und teilweise verblüffenden Bezügen.

Die These lautet ungefähr so: Im Jugendstil wurde die Linie zusehends freier behandelt. Sie löste sich immer mehr vom dargestellten Gegenstand und drückte schon durch ihren bloßen Verlauf gesteigerte Gefühle aus; zuweilen geschmäcklerisch und ornamental, aber oft auch empfindsam, geradezu seismographisch. Genau bei solchen Bewegungen konnten die Expressionisten anknüpfen, denen es just um (manchmal steil aufragende) Emotionen ging. Bei ihnen gewann die Linie Kraft und Spannung.

In der Linie liegt die Kraft

Die Münsteraner Schau versammelt nun überraschend deutliche Belege dafür, dass auch Künstler im Jugendstil wurzeln, von … Weiterlesen

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Kreis Unna: Millionen fürs Haus der Moderne gesucht

Unna/Holzwickede. Es ist offenbar ein großes Rad, an dem der Kreis Unna dreht: Um die hochkarätige Wiesbadener Kunstsammlung Brabant in ein künftiges „Haus der Moderne“ einzubringen, müssen zuvor 10 Millionen Euro Spenden gesammelt werden.

„Eine Vision mit großen Chancen“ nannte gestern die Kulturdezernentin des Kreises Unna, Gabriele Warminski-Leitheußer, das Projekt. In der Tat: Der Sammler Frank Brabant (69) hat seine eindeutige Zusage gegeben. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass seine Bilderschätze beim Kreis Unna in guten Händen sind. Alles Vertrauenssache. Unna erhält somit den Vorzug etwa vor dem Landesmuseum in Schwerin (Brabants Geburtsstadt) und diversen Häusern in Süddeutschland.

Der Sammler ist als Kaufmann tätig und erwirbt seit rund 45 Jahren Bilder. Das allererste Werk, einen Holzschnitt für damals 300 … Weiterlesen

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Weihnachtliches Familienchaos

Das muss man erst mal wegstecken: Jan will Weihnachten im trauten Kreise der Familie feiern. Just am Heiligabend eröffnet ihm Gattin Sara, dass sie seine drei Ehe-Vorgänger mitsamt deren aktuellem Anhang eingeladen hat. Zwei Minuten später steht die Meute schon vor der Tür.

Schlimmer noch: Sara hat schon mal die neue Sauna vorgeheizt und drängt die Männer, selbige gemeinsam „einzuweihen”. Sogleich führen die nackten Herren frivole Gespräche über Saras erotische Qualitäten. Jan leidet darunter wie ein Hund. Später werden dann auch die Seelenzustände gründlich entblößt. Dass Jan hauptberuflich Psychologe ist, hilft ihm dabei herzlich wenig.

„Meine schöne Bescherung” ist der etwas andere Film zum Fest. Zwischen den Männern lodern noch manche Eifersüchteleien, die nun neu entfacht und boshaft ausgetragen werden. … Weiterlesen

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Chinesisch für den eiligen Menschen – Spielerischer Selbstversuch mit neuem Anfänger-Lehrbuch und Sprech-CD

Von Bernd Berke

„Chinesisch superleicht!“ heißt das neue Buch mit Sprech-CD. Nanu? Diese Verheißung ist doch wohl ein Widerspruch in sich. Da wird man misstrauisch. Mal schnell lesen und hören, was es damit auf sich hat.

Das aus dem Englischen ins Deutsche übertragene Bändchen (flockiger Originaltitel: „Easy Peasy Chinese“) ist schmal – und reich bebildert. Bestenfalls reicht’s am Ende für ein Gestammel beim Chinesen um die Ecke. Bitte, danke, schmeckt gut. Ob damit die Herausforderungen der Globalisierung bewältigt werden können, steht dahin.

Trotzdem frisch ans Werk. Denn Hochchinesisch (Mandarin) ist schließlich die bei weitem meistgesprochene Sprache der Welt – und außerdem stehen 2008 die OIympisehen Spiele in Peking an. Nein, mit müden Scherzen wie „Do Ping“ (angeblich Chinesisch für „Spitzenleistung“) … Weiterlesen

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Thomas Virnich: Keine Angst vor dem Teufel

Schwerte. Erstaunlich windschief wirkt dieser „Doppeldom“. Auch scheint die phantasievoll nachempfundene Kölner Kathedrale zu zerfließen wie Kerzenwachs. Doch dem fragilen Skulpturen-Bauwerk ist auch freudige Beweglichkeit eigen; ganz so, als könnte es alle wechselnden Zeiten überstehen.

Die Arbeit ist jetzt in der Katholischen Akademie in Schwerte zu sehen und stammt vom documenta-erprobten Bildhauer Thomas Virnich (Jahrgang 1957). Die teilweise noch nie öffentlich gezeigten Plastiken fügen sich bestens in die Schwerter Ausstellungs-Reihe „Transzendenz im Augenschein“. Deren weltoffene Zielsetzung, abseits von verkrampften Kirchenkunst-Debatten: Nicht fromme Auftragswerke sollen hier zum Zuge kommen, sondern freie, autonome Schöpfungen, die allerdings im weitesten Sinne auch auf „Jenseitiges“ verweisen können.

Gern zeigt Virnich die ganze Erde im Modell, das Kleine findet dabei furchtlos Platz im großen Ganzen. So … Weiterlesen

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Kultur zum Plaudern und zum Streiten – Spektrum von Goethe bis Punk: Erfahrungen und Eindrücke aus dem Kulturblog Westropolis

Von Bernd Berke

Manchmal reicht schon ein Bild mit provozierender Unterzeile: „Die Beatles sind langweilig“, behauptete der Westropolis-Autor Ingo Juknat kurzerhand, stellte ein Foto der Fab Four hinzu – und schon ging’s los mit teilweise empörten Kommentaren.

Juxhafter Moment mit Kasperlfiguren bei einem Westropolis-Treffen am 5. Februar 2008 im Essener Bahnhof Süd, u. a. mit dem „Revierflaneur" Manuel Hessling (hinten Mitte, mit Teufelchen), Ingo Juknat (hinten, ganz links) und Nadine Albach (vorn, 2. v. re.). (Foto: Bernd Berke)

Juxhafter Moment mit Kasperlfiguren bei einem Westropolis-Treffen am 5. Februar 2008 im Essener Bahnhof Süd, u. a. mit dem „Revierflaneur“ Manuel Hessling (hinten Mitte, mit Teufelchen), Ingo Juknat (hinten, ganz links) und Nadine Albach (vorn, 2. v. re.). (Foto: Bernd Berke)

Bei Westropolis, dem Kultur-Blog der WAZ-Mediengruppe, zu der auch die WR gehört, werden Musik, Kunst, Kino, Literatur & Co. oft zu heiß diskutierten Streitthemen. Auch als langjähriger WR-Kulturredakteur, der nun seit einigen Monaten ebenfalls bei Westropolis mitwirkt, macht man einige neue Erfahrungen.… Weiterlesen

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„Siehst du, jetzt fangen wir an! – Wie Romane beginnen

Vor zwei Tagen haben die Stiftung Lesen und die Initiative Deutsche Sprache den angeblich schönsten deutschsprachigen Prosa-Anfangssatz gekürt. Es war Günter Grass‘ lapidarer Einstieg in den „Butt“: „Ilsebill salzte nach.“ Nun denn.

Der Autor dieser Zeilen ist vor fast einem Jahr aufs selbe Thema gekommen, der folgende Artikel stand zu Silvester 2006 in der „Westfälischen Rundschau“, für Westropolis ist er jetzt rundum neu – gleichsam „remastered“. Und vielleicht taugt er auch zum nächsten Jahreswechsel, der ja nicht mehr allzu weit entfernt liegt:

Ein altes Jahr verrinnt, ein neues fängt an. Mit welchen Haltungen man wortwörtlich etwas Neues (und vielleicht Großes) beginnen kann, das lässt sich vielleicht bei den Schriftstellern ablesen. Wie haben sie ihre Romane eingeleitet? Wie lauten die ersten … Weiterlesen

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Biermann revisited

Gestern Abend in der Schwerter Rohrmeisterei Wolf Biermann (wird in ein paar Tagen 71) live erlebt.

Musste mal sein, nach so vielen Jahren. Er ist schließlich einer, der stets „begleitend mitgelaufen“ ist auf dem Lebensweg. In mehr oder weniger großer Entfernung. Von „So oder so – die Erde wird rot“ bis zum Kulturkolumnisten der „Welt“ ist’s eben ein weiter Weg. Da kann man nicht jede Strecke mitgehen. Er ist keine Instanz mehr, aber doch einer, auf den man dann und wann hört. Und sei’s, um sich des Abstands zu vergewissern.

Seine notorische Eitelkeit ist immerhin hie und da halbwegs selbstironisch gebändigt. Wie er seinen eigenen Lebenshunger immer und immer wieder feiert. Je nun: Neun Kinder hat er mit diversen Damen … Weiterlesen

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Unterwegs in eine stille und gütige Welt – „Die Unbeholfenen“ von Botho Strauß

Wo brüten sie gleichsam über der Weltformel, wo denken sie über unser aller Rettung nach? Botho Strauß führt uns mit seinem Buch „Die Unbeholfenen” in ein eher unscheinbares Fachwerkhaus inmitten eines schäbigen Gewerbegebiets.

Dort denkt eine merkwürdige Gruppierung über die offenbar zerstörerischen Triebkräfte der Gegenwart nach – und darüber, ob man Einhalt gebieten und umkehren kann. Das klingt nach Erweckung.

Der Ich-Erzähler namens Florian Lackner fühlt sich zunächst unbehaglich fremd in diesem Kreise. Am Gängelband seiner neuen Liebschaft Nadja ist er in die Abgeschiedenheit ihres elternlosen Familienverbands geraten. Zwei Schwestern (davon eine Stumme, die sich nur per SMS verständigt), einen Bruder (im Rollstuhl) und ihren arroganten Ex-Liebhaber Romero hat sie um sich geschart.

Das Spinnennetz der Gegenwart

Wenn sie sich … Weiterlesen

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