Schlagwort-Archive: Frank-Patrick Steckel

Gottsucher auf den finsteren Klippen – Späte Uraufführung des 1938 geschriebenen Stücks „Nacht“ von Gertrud Kolmar

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Regisseur Frank-Patrick Steckel war schon zu seiner Bochumer Intendantenzeit in einem Punkte der Schrecken der schreibenden Zunft: Meist war es bei ihm auf der Bühne so düster, dass sich kein Kritiker Notizen machen konnte, sofern er nicht über einen dieser albernen Leuchtstifte verfügte. Nun hat Steckel am Düsseldorfer Schauspiel ein Terrain tiefster Finsternis aufgetan. Das Stück heisst „Nacht“, und es bleibt in jeglichem Sinne dunkel.

Geschrieben hat es die als Lyrikerin äußerst sprachmächtige und formbewusste, einer Droste oder Lasker-Schüler ebenbürtige Gertrud Kolmar (geboren 1894). Die Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes in Berlin, der sich gänzlich assimilierte und deutscher Patriot war, blieb auch nach 1933 im Lande, als dies bedrohlich wurde. Aufopferungsvoll unterrichtete sie taubstumme Kinder und pflegte … Weiterlesen

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Eingeschnürt ins Korsett der verlogenen Etikette – Frank-Patrick Steckel inszeniert in Wuppertal Molières „Menschenfeind“

Von Bernd Berke

Wuppertal. Da lächelt man und redet freundlich. Doch kaum macht einer die Tür hinter sich zu, so wird gemein getratscht.Wohlbekannte Muster. Über derlei heuchlerische Verhältnisse regt sich Jean-Baptiste Molières Figur Alceste so fundamentalistisch auf, daß er „Der Menschenfeind“ wird.

Frank-Patrick Steckel hat die wohl allzeit gültige Komödie in Wuppertal inszeniert. Eine Welt, in der unverbindliche Schmeichelei gedeiht: überwiegend bonbonfarbig das Bühnenbild (Sabine Böing), rundum mit Schleifchen wie mit falschen Komplimenten verziert. Doch am Rande der Szenerie hockt als dumpfe Skulptur eine Art Neandertaler. Der von simplen Instinkten geleitete Frühmensch steckt zutiefst auch in den höfischen Kostümen.

Unter lächerlichen Schranzen und gezierten Dämchen leidet jener rabenschwarz gekleidete Alceste, der rigoros Ehrlichkeit und tyrannisch Tugend einfordert. Fünf gerade sein … Weiterlesen

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Komik zwischen Heulen und Zähneklappern – Frank-Patrick Steckels großartige Inszenierung von „Warten auf Godot“

Von Bernd Berke

Bochum. Auf der schmutzigbraunen Halde stehen die zwei berühmtesten Landstreicher der Theatergeschichte. Der eine nestelt an seinem Schuh, er stöhnt und ächzt dabei. Der andere pult geistesabwesend in seiner Nase. Es könnte immer so bleiben. Denn Wladimir und Estragon haben nichts zu tun, nur dies eine: „Warten auf Godot“.

Der Kerl, von dem in Samuel Becketts Stück die Rede 1st, kommt bekanntlich nie. Doch die Theaterzuschauer tun es seit Jahrzehnten den beiden Hauptgestalten gleich. Sie warten immer wieder mit. Vielleicht entschlüsselt sich ja doch eines Tages auf irgend einer Bühne dieser Welt, wer dieser „Godot“ ist?

Diese Hoffnung kann man fahren lassen. Becketts längst sprichwörtlich gewordener Klassiker stellt unablässig Paradoxe auf, revidiert sich ständig selbst, spiegelt sich … Weiterlesen

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In finsteren Zeiten – Frank-Patrick Steckel inszeniert Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. Unverstellter Blick in die Tiefe des kahlen Bühnenraums. Manchmal glimmt hier nur eine vereinzelte Glühbirne oder eine Taschenlampe. Da kann man füglich mit Bert Brecht sagen: „Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten.“

Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ steht auf dem Spielplan. Die Szenerie ist zumeist in typische Bochumer Dunkelheit getaucht. Hausherr Frank-Patrick Steckel hat, nur elf Tage vor der Premiere, mal wieder eine Inszenierung an sich genommen. Gastregisseur Niels-Peter Rudolph war damit offenbar in eine Sackgasse geraten.

Brechts „Johanna“ speist zwar die Notleidenden, geht aber anfangs mit frommen Sprüchen der Heilsarmee hausieren. Die Idealistin absolviert anno 1929 – im Umkreis der Schlachthöfe von Chicago – die harte Schule des Materialismus. Brecht biegt ihr bei, daß … Weiterlesen

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Ein Kerl, zerklüftet wie eine Fjordküste – Frank-Patrick Steckels strenge Inszenierung von Ibsens Rarität „Brand“ in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. „Alles oder nichts!“ Unerbittlicher Leitsatz von Henrik Ibsens Dramenheld „Brand“. Halbheiten duldet er nicht. Lauheiten verzeiht er nicht. Ein strenger Patron. Hausherr Frank-Patrick Steckel hat ihn auf die Bochumer Bühne gestellt. War auch er wieder streng mit dem Publikum?

Steckel stemmt erneut einen dramatischen Monolithen. Eine einzige deutsche Inszenierung (1974 in Heidelberg) hat das 1865 von Ibsen in Italien verfaßte „dramatische Gedicht“ in den letzten vierzig Jahren erlebt. Ibsen wollte von Süden aus den Norwegern die Leviten lesen. Und auch Steckel nimmt die Zuschauer in die Zucht, man amüsiert sich bei ihm nicht zu Tode. Weit über vier Stunden hat man auszuharren. Der Brocken steht erratisch in der Landschaft. Das ist eine Qual, aber auch eine … Weiterlesen

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„Die Wupper“: Düsternis am blutigen Fluß – Frank-Patrick Steckel inszeniert Else Lasker-Schülers Stück in Bochum

Von Bernd Berke

Bochums Schauspielchef Frank-Patrick Steckel streift als Regisseur lieber durchs Gebirge als durch die Ebenen. Meist setzt er Stücke in Szene, die erst mühsam erklommen werden müssen. Da gönnt er sich (und dem Publikum) keinen Ablaß.

Diesmal ist es Else LaskerSchülers 1909 verfaßtes Drama „Die Wupper“, das schon wegen seines raunenden Dialektes etliche Schwierigkeiten birgt. Vor allem aber folgt das Stück nur bedingt der „Logik“ des Theaters, es mischt und legiert seine Themen eher auf lyrische Weise. Das abwechselnd zwischen Fabrikanten- und Arbeitermilieu des Jahrhundertbeginns spielende Drama wurzelt in bodenständigem, ja derbem Naturalismus, hebt aber in Traumgesichte ab. Auch sonst führt es in Zwischen-Welten: Zwischen den Glaubensrichtungen und gesellschaftlichen Schichten verlieren sich die Figuren in unerfüllten Sehnsüchten, seltsam … Weiterlesen

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Manege frei für die blutige Geschichte der Deutschen – Frank-Patrick Steckel inszeniert in Bochum Heiner Müllers „Germania Tod in Berlin“

Von Bernd Berke

Bochum. Heiner Müllers fragmenthafte Szenen-Collagen wie „Germania Tod in Berlin“ sind große Herausforderungen an das Theater: Jede Szene hat ihren speziellen Charakter und muß, soll sie ihre Kraft entfalten, mit je besonderen Mitteln auf die Bühne gebracht werden. Da wird denn rasch deutlich, wie groß die Ideenfülle eines Regisseurs ist und wieviel Phantasie er wirksam freisetzen kann.

In Bochum, wo am Samstag mit dem „Germania“-Stück die Schauspielsaison recht verheißungsvoll eröffnet wurde, zeigte sich, daß Frank-Patrick Steckel in dieser Hinsicht aus dem Vollen schöpft. Mittel des Straßen- und Clownstheaters setzt er ebenso ein wie Formen der Pantomime und des Tanzes (Choreographie: Gerhard Bohner).

Zu Beginn eine Toncollage (Ronald Steckel): Marschtritte und der verzerrte „Heil“-Schrei einer ekstatischen Masse. Ein … Weiterlesen

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Bochums „fliegende Untertasse“

Von Bernd Berke

Das Theater, sinniert Bochums Schauspielchef Frank-Patrick Steckel, sei vielleicht einer „fliegenden Untertasse“ vergleichbar. Es komme nicht aus unserer Alltagswelt, sondern „von woanders her“. Ob die Insassen feindliche oder freundliche Absichten hätten, sei so schnell nicht auszumachen.

Mit diesem galaktischen Denkbild gab Steckel den Filmemachern Axel Bornkessel und Claus-Ferdinand Siegfried ein Stichwort, auf das diese offenbar nur gewartet hatten. Hartnäckig vertretene These ihres WDF-Beitrags „Schaupielhaus Bochum – eine Stadt und ihr Theater“: Die Bühne der Revierstadt sei weit entfernt von der täglichen Realität und besonders von den Problemen der arbeitenden Bevölkerung. Man kann so etwas behaupten, doch hier fehlte der schlüssige Nachweis.

Steckel bestätigte immerhin: Peter Zadek und Claus Peymann seien mit ihren Produktionen aufs Publikum zugegangen. Bei … Weiterlesen

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