Schlagwort-Archive: Heinz Ostermann

Ein fast schon harmlos wüster Weltenzirkus – Wolfgang Trautwein inszeniert Georg Büchners „Woyzeck“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Beim Militär wird der mittellose Mann nach Belieben geschurigelt, die Medizin demütigt ihn mit schäbigen Experimenten, und die dralle Marie hintergeht ihn mit einem strammen Tambourmajor. Geld weg, Frau weg, Ehre weg – der traurigste Blues. Schulbuchhaft gesagt: Georg Büchners „Woyzeck“ ist eine der großen Leidensgestalten unserer Dramenliteratur.

Aufwühlender Stoff also, den sich Wolfgang Trautwein am Dortmunder Schauspiel vornimmt. Blatt- und astlose Baumstümpfe hängen hier vom dunklen Himmel herab, im Hintergrund leuchtet grob skizziertes Liniengeflecht nach Art eines ausweglosen Straßen-Labyrinths (Bühnenbild: Thomas Gruber). Eine abgetötete Welt. Stumme Figuren zeigen anfangs ein Transparent mit unverständlichen Wortfetzen. Eine Welt, gegen die man auch nicht protestieren kann, weil die Sprache zerstört ist.

Dann aber betritt jener Woyzeck (Jürgen Uter) … Weiterlesen

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Piraten bei Windstille – Matthias Zschokkes Stück „Brut“ im Dortmunder Schauspielhaus

Von Bernd Berke

Dortmund. Piraten? Hey-Ho, mit denen geht’s wild übers Meer. Wenn man nur dran denkt, hat die Phantasie schon Wind in den Segeln. Doch was sind das nur für Freibeuter, die wir in der Dortmunder Inszenierung von Matthias Zschokkes Seestück „Brut“ kennenlernen?

Mag sein, daß sie alle möglichen Abenteuer schon hinter sich haben, aber das muß lang her sein. Nun sitzen sie, mitsamt ihrer Kapitänin Tristana Nunez (Ines Burkhardt), die nicht mehr auf blutige Taten, sondern auf passende Worte sinnt, in irgendeinem gottverdammten karibischen Dschungel fest. Wenn sie später doch noch in See stechen, so fahren sie mit ihrem blinden Steuermann Azor (Günther Hüttmann) im Kreise, immer und immer wieder. In ihren Sätzen tauchen Formeln auf wie „Immer … Weiterlesen

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Unglück lauert überall – Ibsens Seelendrama „Gespenster“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Es beginnt wie ein Salonstück: So geläufig und scheinbar freimütig parliert Pastor Manders mit Helene Alving über Gottesfurcht und weltliche Geschäfte. Doch es ist nicht die wahre Leichtigkeit des Seins: Insgeheim lauern schon Ibsens „Gespenster“.

Sewan Latchinian hat das Seelendrama im Dortmunder Schauspielhaus inszeniert. Er ist mit dem Stück im großen und ganzen deutlich behutsamer umgegangen als kürzlich mit Shakespeares „Sommernachtstraum“.

Bühnenbildner Tobias Wartenberg hat den hinteren Teil der Szene mit lauter überdimensionalen Kartons vollgestellt. Damit sind sinnfällig Auswege verbaut. In den Kisten steckt wohl fast der gesamte Hausrat der Witwe Alving. Es springt schon mal ein Deckel auf, und dann kollern – wie peinlich! – geleerte Alkoholflaschen zu Boden. Doch ansonsten: alles weggepackt und dem … Weiterlesen

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Der braune Sud kann ständig überkochen – Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Ist das nicht nett, wenn man beim Theaterabend an Tischen Platz nehmen darf und wenn dann noch Sekt gereicht wird? Doch diesmal ist es auch hinterhältig. Denn was tut man mit seinem Sekt. wenn auf der Bühne der Gerichtspräsident Rudolf Höller mit eben jenem Getränk auf den Geburtstag des „Reichführers SS“, Heinrich Himmler, anstößt? Am liebsten würde man das Zeug wegschütten.

Der unverbesserliche Altnazi Rudolf Höller bildet mit seinen altjüngferlichen Schwestern Vera und Clara das infernalische Trio in Thomas Bernhards Stück „Vor dem Ruhestand“, das jetzt in Dortmund unter der Regie von Catharina FIeckenstein Premiere hatte.

Die drei Geschwister leben zwischen verlogenem Plüsch mit Piano im Kultur-Eckchen (Bühnenbild: Tobias Wartenberg). In solchem Ambiente gedeiht und überwintert … Weiterlesen

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Wenn alle Witze heillos vergiftet sind – „Comedians“ von Trevor Griffiths im Dortmunder Schauspiel

Von Bernd Berke

Dortmund. Was ist eigentlich Komik? Typisch deutsche Grübelfrage, nicht wahr? Doch in diesem Fall stellt sie der Engländer Trevor Griffiths. Sein 1975 verfaßtes Stück „Comedians“ („Komiker)“ hatte jetzt in Dortmund Premiere.

Das Studio im Schauspielhaus ist eine karge Schulklasse. Ab und zu poltert der Hausmeister (Günther Hüttmann) herein, um herumzumaulen oder den Kaktus zu gießen. Gibt es Tristeres auf Erden? Doch hier bekommen sechs Männer Abendunterricht in Sachen Witz. Alle schlagen sich sonst mit Gelegenheitsjobs durch. Eine Komiker-Karriere, und sei es in Kneipen, wäre die Chance. Folglich herrscht bissige Konkurrenz. Die Luft knistert von Brutalität, die nur notdürftig in Scherze verpackt wird. Der Stoff, aus dem die Witze sind, ist vergiftet.

Dann betritt der Lehrer Eddie Waters … Weiterlesen

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