Das war ziemlich großes Kino, was uns die ARD (und ein paar Tage zuvor arte) heute geboten hat: „Die Spiegel-Affäre“ war eines jener raren Fernseh-Ereignisse, für die man denn doch gern seine Gebühren zahlt.
Die Älteren erinnern sich – und hoffentlich wissen auch einige Jüngere ein wenig Bescheid: Im Oktober 1962 berichtete das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ unter der Schlagzeile „Bedingt abwehrbereit“ über die mangelnde Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr.
Kampf um die Pressefreiheit
Franz Josef Strauß, CSU-Verteidigungsminister im Kabinett Adenauer, witterte Landesverrat und erwirkte (durch mehr oder weniger direkte Weisungen) die Verhaftung des „Spiegel“-Chefs Rudolf Augstein, des Artikel-Autors Conrad Ahlers und weiterer Redaktionsmitglieder. Strauß belog den Bundestag über seinen aktiven Anteil an den Verhaftungen und musste zurücktreten. Die „Spiegel“-Leute kamen nach und nach frei.
Die perfide Razzia beim „Spiegel“ wurde zum Fanal. Erstmals in solcher Form wurde breiter Protest für die Pressefreiheit laut. Die Affäre hat ungeheuer nachgewirkt und damals viele Menschen in ihrem Demokratieverständnis geprägt. Sie führte überdies später indirekt zur ersten sozialliberalen Koalition und hat gewiss auch erste Keime für die Rebellion von 1968 gelegt.
Duell der selbstherrlichen Männer
Roland Suso Richters Spielfilm-Doku spitzt die Handlung auf den Zweikampf zweier selbstherrlicher und von ihren gegenläufigen Missionen besessenen Männern zu: Rudolf Augstein ( Sebastian Rudolph) und Franz Josef Strauß (Francis Fulton Smith), der die Bundesrepublik unbedingt atomar bewaffnen wollte. Mauerbau und Kuba-Krise schienen seiner harten antikommunistischen Linie in die Karten zu spielen.
Um eine pralle Geschichte zu erzählen, muss man wohl auf diese Weise personalisieren. Gespielt wird das jedenfalls – bis in die Nebenrollen hinein – ganz exzellent. Wir erleben einen fesselnden Politthriller, wie man ihn sonst eher US-Regisseuren zutraut.
Saufen, rauchen, Frauen verachten
Trefflich auch das Zeitkolorit der späten 50er und frühen 60er Jahre. Geradezu bewundernswert, wie eine ganze Welt zwischen historischen Autotypen, Paternostern und stimmigen Interieurs herbeigezaubert wird. Fast möchte man in Nostalgie verfallen, hätte das Ganze nicht einen so ernsten politischen Hintergrund.
Das ungebremst saufselige und frauenverachtende Gockelgehabe der männlichen Akteure entfaltet sich gleichsam in einer gründlich verrauchten Sektkelch- und Bierkrug-Republik – mit Ausflügen in den Weinbrandsuff: „Darauf einen Dujardin – peng!“
Lockere Sprüche in der Redaktion
Mag sein, dass die Sprücheklopfer-Atmosphäre in der „Spiegel“-Redaktion etwas zu locker gezeichnet wird, im Sinne der Spannung und Unterhaltsamkeit funktioniert das alles jedenfalls prächtig. Einige Portionen geschichtlicher Aufklärung fallen dabei allemal ab.
Mag auch das eine oder andere historische Detail etwas verrutscht sein, so stimmen doch insgesamt wohl die Gewichtungen. Man ertappt sich gelegentlich sogar dabei, die Antriebe eines Franz Josef Strauß ansatzweise nachvollziehen (allerdings nicht billigen) zu können. Und das will wirklich etwas heißen.
Ich habe mich auch dabei ertappt, wie ich plötzlich Vertändnis hatte … zumindest ansatzweise.
Und wenn im Film vielleicht auch überzeichnet: Der Augstein war offensichtlich ebenfalls kein besonders angenehmer Zeitgenosse.
Der Film war klasse!