Zum Tod von Götz George: Was für ein Kerl mit welch einem Herzen! – Wiedersehen mit „Schimanskis“ erstem Fall

Und schon wieder so eine zutiefst betrübliche Nachricht: Der Menschendarsteller Götz George ist, wie jetzt bekannt wird, bereits am 19. Juni mit 77 Jahren gestorben. Gewiss: Er hat auf der Theaterbühne, im Kino und im Fernsehen viele, viele Rollen eindrucksvoll verkörpert. Doch nicht nur uns im Revier bleibt er naturgemäß vor allem als „Schimanski“ in Erinnerung. Daher hier noch einmal der Rückblick auf seinen allerersten „Tatort“-Fall, wie er in den Revierpassagen am 22. Juli 2013 geschildert wurde:

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Von Zeit zu Zeit liebe ich ein Wiedersehen solcher Art. Darum habe ich mir jetzt den allerersten Schimanski-„Tatort“ noch einmal angeschaut. Untertitel: „Duisburg-Ruhrort“. Erstausstrahlung: 28. Juni 1981. Damalige Zuschauerzahl: 15,38 Millionen.

Wenn ich mich recht entsinne, durfte ich den Film schon damals zur Erstausstrahlung rezensieren. Ich lese lieber nicht nach, was ich da geschrieben habe. So viel Wiedersehen muss denn doch nicht unbedingt sein.

Anlass der erneuten (leider nächtlichen) Sendung im WDR-Programm war natürlich der 75. Geburtstag von Götz George (23. Juli). Der Darsteller, der mit den Jahren zusehends die Statur eines – auch ohne viele Worte – allseits Respekt gebietenden Titanen angenommen hat, taucht dieser Tage häufiger auf; vor allem in der Rolle seines Vaters, des in die NS-Zeit verstrickten Schauspielers Heinrich George (arte, 22. Juli 2013, 20.15 Uhr und ARD, 24. Juli, 21.45 Uhr).

Handreichung: Götz George als Schimanski (rechts) und Eberhard Feik als Thanner. (© WDR)

Handreichung: Götz George als Schimanski (rechts) und Eberhard Feik als Thanner. (© WDR)

Als Kommissar Horst Schimanski dürfte Götz George das Ruhrgebiets-Image mindestens ebenso geprägt haben wie etliche Jahre zuvor Jürgen von Manger; und wahrscheinlich nachhaltiger, als selbst Herbert Grönemeyer, Herbert Knebel (alias Uwe Lyko) oder auch Frank Goosen dies vermocht haben. Da darf man also entschiedene Prägekraft konstatieren – und allein das ist schon eine Leistung für sich.

Der damalige Auftakt-Fall, der sich um Binnenschiffer und Waffenschmuggel drehte, soll hier nicht noch einmal aufgerollt werden. Doch die – seinerzeit ungewohnte – Machart des Krimis kann sich heute noch sehen lassen. Wie da gleich in der ersten Sequenz der Charakter der Hauptfigur zwischen Flüchen, Suff, Hafenmilieu und Pferdewetten anklingt, das ist schon verdammt gut und punktgenau gemacht. Von wegen „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“. Hier ist Dienst auch Schnaps. Und Bier. Und die eine oder andere Bettbekanntschaft. Im Verlauf einer solchen erfuhren wir auch, dass Schimi schon damals tätowiert war. Heute würde er damit einen faden Durchschnitt repräsentieren.

Regisseur Hajo Gies zeigte in fahlen, gleichsam längst abgeblätterten Farben ein wahrlich tristes Ruhrgebiet, stets Grau in Grau und nieselig. Und hinter jeder Straßenecke lauerte das Verbrechen. Das Bürgertum lebte sozusagen auf einem anderen Stern. Dafür war „Derrick“ zuständig. Schon „Normalos“ waren in den Schimanski-Filmen eine eher exotische Seltenheit.

In einem weiteren Punkt waren die Schimanski-Folgen geradezu Avantgarde: Lange vor dem Aufkommen von Begriffen wie „Prekariat“ und „Migration“ konnte man in diesen Filmen entsprechende sozialen Verhältnisse besichtigen. Wobei wir beides nicht miteinander vermengen wollen.

Herrlich übrigens die schon in der ersten Folge angerissene Kontrastzeichnung zwischen dem durchaus prügelfreudigen Weiberhelden Schimanski und dem eher feinsinnig veranlagten Thanner (Eberhard Feik), der gleich in einer der frühesten Szenen mit distinguierten Französisch-Kenntnissen glänzte.

Bei aller polternden „Raubeinigkeit“ (ein Wort, das seither quasi für ihn reserviert zu sein scheint) ist Schimanski freilich auch praktizierender Melancholiker. Und am Ende steht ohnehin immer die Erkenntnis: Was für ein Kerl mit welch einem Herzen!

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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3 Antworten zu Zum Tod von Götz George: Was für ein Kerl mit welch einem Herzen! – Wiedersehen mit „Schimanskis“ erstem Fall

  1. Michaela sagt:

    Ich mochte den Haferkamp auch. Trotzdem fand ich die oben beschriebene Szene witzig – wenn ich auch gerade feststellen musste, dass ich das „spöttische Grinsen“ offensichtlich hineininterpretiert habe: Wirklich erkennen kann man (konnte ich?) es nicht.

  2. Bernd Berke sagt:

    Haferkamp/Felmy war völlig anders, aber ebenfalls klasse. *seufz*

  3. Michaela sagt:

    Eine meiner liebsten Erinnerungen an den ersten Schimmi-Tatort ist, wie er sich vor einer Plakatwand den Schuh zubindet, auf der Hansjörg Felmy (der den Tatortkommissar Heinz Haferkamp gespielt hatte) irgendeine Werbung macht – und im Weggehen dann den werbenden „Kollegen“ noch mal ansieht und dabei spöttisch grinst …

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