Idyllische Landschaften, Kühe auf der Weide – das könnten Szenen aus Bayern sein. Doch spätestens wenn man die Titel der Gemälde liest, stellt man erstaunt fest, wie gründlich man sich geirrt hat. Die Freiluftmotive stammen aus dem Staate Indiana im Mittelwesten der Vereinigten Staaten.
Nun ist ja die unterschwellige „Verwandtschaft“ Bayerns und gewisser Landstriche der USA auch schon im Kino mehrfach dingfest gemacht worden. Doch in der Kölner Ausstellung „Zwischen Tradition und Moderne“ gibt es viel direktere Bezüge. Das Wallraf-Richartz-Museum stellt nämlich eine Gruppe von Malern aus Indiana vor, die sich ihr handwerkliches Rüstzeug mitsamt motivischen Anregungen allesamt in den 1880er Jahren an der Münchner Kunstakademie geholt haben.
William Forsyth, John Ottis Adams, Theodore Steele und einige andere aus ihrem Umkreis zog es damals aus drei Gründen ins Bajuwarische. Erstens war die Münchner Akademie leidlich renommiert (auch ein Lovis Corinth studierte damals dort), zweitens war Paris weitaus kostspieliger und drittens hatte man als unbekannter Amerikaner eh kaum Chancen, in die Académie der Seine-Metropole aufgenommen zu werden.
Als die Gruppe in den 1890ern in die US-Heimat zurückkehrte, hatten sich die Künstler jedenfalls dermaßen mit europäischer Kunst „vollgesogen“, daß innige Nachahmung gar nicht ausbleiben konnte. Niederländische Genremalerei wurde genau so als Anregung begriffen bzw. gar „geplündert“ wie die Kunstauffassung etwa von Rubens oder von Wilhelm Leibl.
Manches wirkt dabei arg brav oder schrammt gar haarscharf am süßlichen Kitsch vorbei. Am erstaunlichsten aber: Auch nach der Rückkehr in die Staaten überwogen zunächst bayerisch geprägte Landschaften, so etwa bei Theodore Steele, der das Flüßchen Pleasant Run bei Indianapolis noch ganz dunkeltonig im Stile der Münchner Schule malte.
Nur ganz vorsichtig begann man die andere Licht- und Farbqualität der heimatlichen Landschaften zu entdecken. Die Palette hellte sich auf, allerdings auch unter deutlichem Einfluß französischer Impressionisten, deren Bilder 1893 auf der Weltausstellung in Chicago Furore machten.
Interessant ist es nun, den allmählichen Wandel von „Bayern“ zu „Indiana“ sowie das äußerst behutsame Herantasten an Positionen der Moderne zu verfolgen, die freilich damals schon zur Nachhut zählten. Diese Gruppe amerikanischer Maler, weit davon entfernt, auf eine große, eigene Tradition zurückgreifen zu können, wagte sich lediglich bis zur Grenzlinie des Impressionismus der 1870er Jahre vor, dem sie noch um 1905 huldigte. Die wirklich große Zeit der amerikanischen Kunst, das läßt diese Ausstellung ahnen, war eben noch nicht angebrochen.
„Zwischen Tradition und Moderne. Amerikanische Malerei 1880-1905″. Köln, Wallraf-Richartz-Museum (direkt am Dom). Bis 27. Januar 1991.