Männer-Duelle am Billardtisch – Martin Scorseses Film „Die Farbe des Geldes“

Von Bernd Berke

Es geht auf Leben und Tod: Die Kugeln liegen bereit. Kamera-Schuß und Gegenschuß. Zwei Männer duellieren sich.Sie setzen weder Pistolen noch Messer ein, sondern Billard-Queues; doch für Spielernaturen wie Eddie und Vincent besteht da kaum ein Unterschied. Wer verliert, ist vernichtet. Bis zur nächsten Partie.

Martin Scorseses neuer Film „The Color of Money“ („Die Farbe des Geldes“), mit dem heute in Berlin die Filmfestspiele eröffnet werden und der dort außer Konkurrenz läuft, besteht praktisch nur aus solchen Duellen.

Der ergraute „Fast Eddie Felson“ (Paul Newman), Kneipenbesitzer und ehemals Star in Sachen Pool-Billard, hat mit seiner Vergangenheit in verrauchten Salons nur scheinbar abgeschlossen. Als er eines Tages das} junge Naturtalent „Vincent“ (Tom Cruise) bei dessen spontanen Zaubertaten am grünen Filz entdeckt, fängt auch der Altmeister wieder Feuer. Zunächst überredet er Vincent und dessen Freundin (Mary Mastrantonio) zu einer Billard-Reise quer durch die USA.

Vincent spielt – meist erfolgreich – für Geld, Eddie streicht jeweils 60 Prozent vom Gewinn ein und führt das Greenhorn, das die Sache in grober Verkennung der Realitäten zunächst als Teenie-Spaß begreift, durch die harte Schule der Kugelkämpfe in schäbigen Kneipen und Hinterzimmern. Sämtliche menschlichen Beziehungen sind dort vermittelt durch (nur mühsam im Spiel sublimierte) Gewalt und durch Dollars.

Diese einfache, ,aber harte Mixtur erzeugt einen Rausch, der auch die Kamera (Fassbinder-Kameramann Michael Ballhaus) erfaßt und „schwindlig“ macht. Geradezu trunken umkreist sie die Spieltische. Gewaltsam oft auch die Stöße mit dem Queue, gleichsam sexuell und kriegerisch aufgeladen; die Billardkugeln schießen manchmal wie aus Kanonen übers grüne Tuch. Es ist eine Welt für sich, in der die Männer handeln und die Frauen nur zuschauen.

Eddie, gleichzeitig Vincents Ersatzvater, Lehrer und Ausbeuter, sagt’s mit entwaffnender Deutlichkeit: Vicent ist das „Rennpferd“; er, Eddie, bringt ihm das Laufen bei – und die Freundin soll ihn anderweitig bei Laune halten. Doch Eddie gerät selbst in den Sog der Spielwut, er beginnt wieder verbissen zu trainieren und trifft zwangsläufig – Höhepunkt des Films – bei einem großen Turnier zum Showdown auf Vincent, der inzwischen längst auf eigene Rechnung antritt.

Scorseses intensiver Film fängt alle denkbaren Grob- und Feinheiten des Spiels ein, von der puren Aggression bis zur „künstlerischen“ Ausprägung, vom besinnungslosen Zustoßen bis zur reifen Spielkultur. Indem die unterschiedlichsten Spielertypen und Spielauffassungen Revue passieren, wird Pool-Billard gleichsam zu einem begrenzten Versuchsfeld für das Leben. Am Spieltisch wie im Dasein geht es vor allem um Sieg und Niederlage, aber, damit eng verwoben, auch um Selbstverwirklichung; darum, kompromißlos man selbst zu sein. Und so bezieht sich Eddies letzter, triumphaler Satz („Ich bin wieder da“) auf weit mehr als nur aufs spielerische Comeback. Fazit: ein Film. den man nicht unbedingt machen mußte, der aber hervorragend gemacht ist.

Übrigens: Weder Newman noch Cruise ließen sich für die – teilweise exzellenten –Billardstöße doubeln. Paul Newman hat vor langer „geübt“: 1961 spielte er in „Haie der Großstadt“ gleichfalls einen besessenen Pool-Profi.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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