Von Bernd Berke
Dortmund. Hubertus Reichert (34), in München lebender Künstler, beginnt seine Bilder mit gestisch weit ausschwingenden, spontan aufgetragenen Farbexplosionen. Dann übermalt er die „wilden“ Flächen zum Teil wieder – mit geometrischen, monochromen (einfarbigen) Feldern, Streifen, Linien und Ecken.
Geht man näher an die Arbeiten heran, sind die vorherigen Eruptionen unter der Übermalung noch stellenweise als Aufrauhungen oder Aufquellungen sichtbar – wie mühsam verdeckte Emotionen. Aber man kann das Ganze auch recht gut ohne psychologische Klimmzüge, nämlich unter rein künstlerischen Gesichtspunkten betrachten: als leise Zwiesprache von Fläche und Raumtiefe im Bildgefüge.
Vorskizzen fertigt Reichert nicht an. Wenn er ein Bild beginne, sagt er, wisse er nicht, wohin ihn das führe. Auch die „Übermalungen“ seien nicht etwa von Anfang an geplant, sondern sie ergäben sich erst aus dem Malprozeß selbst.
Man könnte versucht sein, ihn versuchsweise in die Tradition des Informel zu stellen. Doch dagegen wehrt sich Reichert ganz entschieden. Diese Richtung, so der ehemalige Schüler von Karl Fred Dahmen, habe ihn „noch nie interessiert“. Er will, daß die Leute hingucken und die Bilder für sich genommen wahrnehmen. In der Tat könnte man ebenso Verbindungslinien zur Farbfeldmalerei oder zum lustvoll-planlosen Action-Painting ziehen, ohne daß man Reichert dadurch besser gerecht würde.
Reicherts „Arbeiten auf Papier“, entstanden in den späten 70er Jahren, wirken hier fast wie Wandbemalungen; sie passen sich in Farbgebung und Komposition den weißen Museumswänden an, als wollten sie sich gleichsam vom Rand her in die Mauern zurückziehen. Auch die späteren (durchweg großformatigen und ausnahmslos unbetitelten) Acrylbilder drängen sich schon farblich dem Betrachter nicht auf. Reichert verwendet vielfach Industriefarben (Rostschutz) – dunkel verwaschene Rot- und Braun-Töne, in Schlieren verwehendes Hellgelb und Violett-Abstufungen herrschen vor.
Von souveräner Eigenständigkeit künden Reicherts Arheiten noch nicht. Es scheint, als suche er noch seinen Weg zwischen den verwirrend konkurrierenden Trends, als befinde er sich noch in abwartender Haltung, aber schon auf dem „Sprung“.
Hubertus Reichert. Dortmund, Museum am Ostwall. Bis 5. April. Täglich außer montags 10-18 Uhr.