„Lauf doch nicht immer weg“ – Jens Pesel inszeniert britische Pfarrhaus-Farce in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Verkleidungs- und Verwechslungsspiele bereiten, kommt man nicht mit zu hohen Ansprüchen ins Theater, immer Vergnügen.

Wenn auf den Brettern und hinter jeder Bühnentür Leute stehen, die etwas nicht sehen dürfen oder selbst auf keinen Fall gesehen werden wollen und alles bis kurz vor Schluß unentdeckt bleibt, so mischt sich die Erleichterung des Kindes mit hinein, das bei Heimlichkeiten nicht ertappt wurde. Wenn dann noch das Spiel mit Konventionen betrieben und ein Pfarrer mit Sex, Alkohol und Irrsinn in Berührung gebracht wird, ist der derbe Spaß komplett.

Philip Kings 1945 uraufgeführte Farce „Lauf doch nicht immer weg“, ein ähnlicher Dauerbrenner wie „Charleys Tante“, bietet all das mit britischem Humor ausbalanciert. Die neue Wuppertaler Inszenierung (Jens Pesel) bringt den Text schnörkellos auf die Bühne, ohne Hinter- und Nebengedanken. Das Stück wird nicht, was Jahrzehnte nach seiner Entstehung auch denkbar wäre, „gegen den Strich“ gespielt. Die Konventionen, auf die es anspielt und aus denen es Funken schlägt, sind ja längst nicht mehr so stark. Zuweilen gerät man in die Nähe der harmlosen Boulevardkomödie, doch an den entscheidenden Stellen läßt man der wildgewordenen und absurden Logik der Farce doch freien Lauf.

Britisches Pfarrhaus im Zweiten Weltkrieg. Die Frau des Geistlichen, Ex-Schauspielerin, hat der Leichtlebigkeit nicht entsagt. Als ein Jugendfreund (inzwischen Soldat) auftaucht, wird – schließlich hat eine frömmelnde Gemeindejungfer (Marta Kusztrich) Augen und Ohren überall – Verstellung nötig. Eine Kettenreaktion setzt ein. Zeitweilig sind, Bischof inklusive, bis zu fünf Kleriker auf der Bühne, beileibe nicht alle echt. Das Pfarrhaus wird zum Tollhaus, die Logik schlägt Purzelbäume.

Aus dem temporeich aufspielenden Ensemble ragen Jürgen Hilken als entgeisterter Bischof, Erich Leukert als Pfarrer Toop (ihm nimmt man den Briten noch am ehesten ab), Franz Trager als Pfarrer Humphrey und einmal mehr Michael Wittenhorn als Corporal Winton heraus. Bühnenbildner Hans-Georg Schäfer enthielt sich jeder Stilisierung oder Anspielung auf die Gegenwart. Deshalb stören einige Requisiten (Gerd Klann), wie etwa die Kognakflasche aus dem Supermarkt um die Ecke oder die Hochglanzpapier-Illustrierte.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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