Von Bernd Berke
Wuppertal. Die Bühne schwarz ausgeschlagen, darauf ein verwitterter Baum. Warten auf Godot? Nein, die Wuppertaler Bühnen haben sich den selten aufgeführten Kleist-Erstling „Die Familie Schroffenstein“ vorgenommen.
Ein aus heutiger Sicht teilweise monströses Stück, das aber auch Stärken hat. Es geht um eine blutige Familienfehde. Zwei Clan-Linien derer von Schroffenstein bekämpfen einander – und das auf bloße Gerüchte und Sinnes-Täuschungen hin. Allseitiges Mißtrauen, dem sich nur (wie in „Romeo und Julia“) ein Liebespaar (mit tödlichen Folgen) entzieht, setzt eine unaufhaltsame Mechanik der Rache in Gang.
Nun muß man ja nicht direkt auf Vorgänge zwischen den heutigen Supermächten anspielen. Was aber unter Regie von Dieter Reible geschieht, jenes textbrave Vom-Blatt-Spielen mit unfreiwillig komischen lauten Emotions-Ausbrüchen, das rückt Kleist in die unverbindliche Ferne eines „Klassikers“.
Kaum ein Einfall hat textdienliche Funktion: Daß die Bühne nach vorn hin abschüssig ist, erschwert allenfalls den Darstellern das Gehen. Daß vor dem Orchestergraben eine „Liebes-Insel“ gegen den „Kontinent der Rachetaten“ abgesetzt ist, ist zumindest ein diskutabler Ansatz. Aber Gregor Höppner und Mechthild Reinders agieren dort allzu hilflos.
Sicher, Kleist ist schwer spielbar – jedoch nicht unspielbar. Das beweist gegenwärtig der Kleist-Zyklus im ZDF. Unglückliches „Timing“ in Wuppertal: Verglichen mit den Inszenierungen von Peymann und Flimm, tritt das Ungenügen hier desto deutlicher hervor. Dennoch herzlicher Beifall des Publikums.