Ganovenjagd geht rund um Hochöfen – Hansjörg Felmy als neuer „Tatort“-Kommissar

Von Rudolf Horsmann (alias Bernd Berke)

Das könnte der Krimi-Hit des Jahres werden. Nachdem schon die Wiederholungen aus der „Tatort“-Serie von mehr Zuschauern gesehen wurden als fast alle Erstsendungen, jagt ab April Hansjörg Felmy als neuer „Tatort“-Kommissar Haferkamp die Verbrecher durchs Ruhrgebiet. Ständige Kulisse: die Industrielandschaft.

Titelseite der WR-Wochenendbeilage vom 23./24. Februar 1974 (Fotos: Hüneke)

Hochofen A dröhnt: Abstich. Rotglühender flüssiger Stahl fließt aus der Öffnung in schmale Abflußkanäle. Da kommt ein Mann gerannt, setzt zum Sprung über die heiße Stahlmasse an, ist hinüber und sprintet um den Hochofen herum.

,,Das ganze noch einmal“, pfeift Regisseur Wolfgang Becker seinen Star Hansjörg Felmy zurück. Der ist ein bißchen aus der Puste und friert – trotz Hochofen, denn es bläst ein kalter Wind auf dem Gelände der Oberhausener Thyssen-Werke.

Kurz darauf ist die Szene „im Kasten“. Das Münchner Bavaria-Filmteam ist mit der Dreharbeit für die neue „Tatort“-Folge einen Schritt vorangekommen. „Acht Jahre später“, so heißt die Episode, wird – nach den „Tatort“-Wiederholungen der letzten Wochen – den Neuanfang der Krimireihe bilden. Vermutlicher Sendetermin: 28. April (ARD, 1. Programm).

Die Bavaria-Leute, die die Serie im Auftrag des WDR Köln herstellen, wollen mit ihrem neuen „Tatort“-Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) einen Typ auf die Mattscheiben bringen, der sich deutlich von Kollegen wie ZDF-Renner Erik Ode („Der Kommissar“) unterscheidet.

Melancholisch und geschieden

Erste Besonderheit: Haferkamp arbeitet nicht in einer „schicken“ Stadt wie München oder Berlin, sondern in der Ruhrmetropole Essen. Weitere, zum Teil ungewöhnliche Eigenschaften:

  • Der Kommissar ist ein melancholischer Mann,
  • der Kommissar ist geschieden,
  • der Kommissar trinkt gern und hat eine umfangreiche Jazz-Plattensammlung.

Fragt sich, ob Hansjörg Felmy, der früher mit Vorliebe jugendliche Helden und Naturburschen spielte (,,Wir Wunderkinder“, ,,Und ewig singen die Wälder“, „Haie und kleine Fische“), der richtige Mann für diese Rolle ist. Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU sprach in einer Drehpause mit dem 43jährigen Schauspieler.

Hat Felmy Erfahrung im Kommisisar-Spielen? „Ja vor zehn Jahren habe ich in ,Der Nebelmörder‘ ein Verbrechen aufgeklärt. Außerdem war ich in einem Edgar-Wallace-Film dabei.“

Glühender Stahl mildert klirrende Kälte beim Dreh

Macht ihm die Rolle des Kommissars Haferkamp Spaß? ,,Ich finde das Drehbuch sehr interessant Die Folge, die wir jetzt drehen, geht zum Beispiel völlig überraschend aus. Ganz anders als in anderen Krimis.“

Wie denkt Felmy über die Ruhrpott-Kulissen in Oberhausen und Essen? „Ich stamme aus Berlin. Und da finde ich das alles erstaunlich. Einen Hochofenabstich sehe ich heute zum ersten Male in meinem Leben.“

Angst vor dem Sprung über den flüssigen Stahl hat er nach eigenem Bekunden trotzdem nicht gehabt „Tat bei der Kälte sogar ganz gut“, meint er. Wie seine Verfolgungsjagd am Hochofen endet, möchte er natürlich nicht verraten.

Eines ist sicher: Haferkamp alias Felmy ist dem Täter sehr dicht auf der Spur. In Oberhausen wurde nämlich auch eine Szene abgedreht, in der der flüchtige ,,Schurke“ auf dem Gelände des Stahlwerks in einen fahrenden Bahnwaggon springt.

Ein Assistent mit miesem Charakter

Bei den Außenaufnahmen in Oberhausen und Essen und den Innenaufnahmen in München (wo im Atelier ein Kommissariat nachgebaut wurde) wirken außer Felmy andere bewährte Schauspieler mit: Willy Semmelrogge, Ulrich von Dobschütz (die beiden Assistenten des Kommissars). Etwas, was es bei Krimis selten gibt: Einer der beiden Assistenten, Kaslik (von Dobschütz), hat laut Drehbuch einen miesen Charakter. Er glaubt, er könne alles besser als sein Chef. Karin Eickelbaum spielt die ehemalige Frau des Kommissars. Als Gastkommissar schließlich ist bei dieser Folge ein alter „Tatort“-Bekannter dabei: Klaus Schwarzkopf.

Bis auf Hansjörg Felmy und den Darsteller, der den „Bösewicht“ mimt, war allerdings in Oberhausen kein Schauspieler dabei. Auch das ist drehbuchgerecht. Wenn es nämlich ernst wird, dann kommt eine weitere Eigenschaft des Kommissars Haferkamp zum Tragen: Er ist ein Einzelgänger.

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Rundschau-Wochenendbeilage

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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