Dienstbereit bei Tag und Nacht – Buch über die ersten 390 Folgen der „Tatort“-Reihe

Von Bernd Berke

„Tatort“-Experten, bitte mal herhören! Wer kennt die Kommissare Bergmann und Sander? Wer weiß, für welche ARD-Sender sich die Ermittler Schnoor, Bock, Enders und Kasulke ins Zeug gelegt haben? Harte Nüsse, nicht wahr? Nun ja, am nächsten Sonntag kommt bereits der 400. „Tatort“-Fall ins Erste Programm. Da verliert man den Überblick.

Zumal, wenn es sich um Kommissare handelt, die (wie die Genannten) nur einen einzigen oder gerade mal zwei Auftritte hatten und die man daher längst vergessen hat.

Beileibe nicht jeder war eben ein Götz George alias „Schimanski“ (29 Einsätze bis 1991, darin exakt 51 Flüche mit dem Kraftwort „Sch . . .“) oder ein Manfred Krug, der als „Stöver“ (NDR) mit 34 Fällen den Reihen-Rekord hält.

Der Erinnerung hilft jetzt das Buch „Tatort – Krimis, Köpfe, Kommissare“ (Henschel Verlag, 272 Seiten, 39,90 DM) auf die Sprünge. Lexikalischer Fleiß war hier am Werk, denn der Fan mag’s gern komplett: Autor Holger Wacker hat die Archive durchkämmt und liefert knappe Inhaltsangaben sowie Besetzungslisten zu den ersten 390 „Tatort“-Sendungen, und zwar stets, ohne Täter zu verraten. Schließlich gibt’s ja in jeder Woche mehrere Wiederholungen.

Einleitende Beiträge (viel zu hochtrabend „Essays“ genannt) skizzieren einige „Tatort“-Grundlinien. Beispiel: Die bisher 62 Kommissare, darunter lediglich sechs Frauen, waren stets Tag und Nacht dienstbereit. Kein Wunder, daß kaum eine(r) in traditioneller Ehe lebte. Scheidungen und mehr oder weniger wechselhaftes Single-Dasein waren und sind die Regel.

Erik Ode als „Der Kommissar“ im ZDF war seinerzeit so quotenträchtig, daß die ARD händeringend nach einer Antwort suchte. Und so gab s am 29. November 1970 mit Kommissar Trimmel und seinem „Taxi nach Leipzig“ das Debüt des Dauererfolgs, der nicht zuletzt seine Kraft aus regionaler Vielfalt bezieht. Ein „Bulle“ in Bayern ist eben anders als einer in Kiel, Duisburg oder Essen. Übrigens: Dezentere Leute wie Klaus Schwarzkopf als „Finke“ und Hansjörg Felmy als „Haferkamp“ zählten zu den allerbesten. Ist jemand anderer Meinung?

In Sachen Zeitgeist höchst ergiebig wäre eine vergleichende Untersuchung etwa zum Wandel der Kleidung und Möblierung, der Rauch-, Trink- und Tischsitten oder zum Umgang mit den Chefs im „Tatort“. Wann gibt’s dazu ein Buch?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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