Türen ins Nichts: Andrea Breths wirre Collage „Ich hab die Nacht geträumet“

Ensemble-Szene mit (v. li.) Günther Weidmann, Rebecca MacCallion, Frank Michael Jork, Martin Rentzsch, Heidrun Schug, Sonia Wagemans, Tomoya Kawamura, Birgit Heinecke. (Foto: © Ruth Walz / Berliner Ensemble)

In einem alten Volkslied heißt es: „Ich hab die Nacht geträumet / wohl einen schweren Traum, / es wuchs in meinem Garten / ein Rosmarienbaum“. Der Kirchhof wird zum Garten, das Blumenbeet zum Grab, ein goldener Krug zerfällt in tausend Stücke: „Was mag der Traum bedeuten? / Ach Liebster, bist du tot?“ Diese wundersamen Zeilen haben die Regisseurin Andrea Breth bewegt und berührt.

Wäre es nicht spannend, der Welt der Träume, in denen alles möglich, das Leben stets gefährdet und der Tod ein ständiger Begleiter ist, auf den Bühnen-Grund zu gehen und alles, was Dichter und Denker, Musiker und Maler über das Abseitige, Ungefähre und Unerklärliche zu sagen und zu singen haben, mit einer Theater-Collage zu umzingeln und dingfest zu machen?

Eine tolle Idee. Gerade, wenn Andrea Breth, die für einfühlsame Figurenzeichnungen, subtile Spracherkundungen und psychologische Tiefbohrungen bekannt ist, sich der Sache annimmt. Doch leider ist ihr irgendwann die Fantasie abhanden gekommen und die Puste ausgegangen: Aus einem viel versprechenden Abenteuer ins Ungewisse wurde am Berliner Ensemble eine gähnend langweilige und langatmige Schlafkur. „Ich hab die Nacht geträumet“ nennt Andrea Breth, die eine Zeitlang die Berliner Schaubühne leitete und viele Jahre am Burgtheater Wien als Hausregisseurin tätig war, ihren aus Musik- und Literatur-Fundstücken zusammen gebastelten Abend, der kein Zentrum und kein Tempo hat, der weder recht zündet noch irgendwann richtig abhebt.

Alles bleibt klumpig und klebrig, zerfasert und zerdeppert in Einzelteile, die sich nicht miteinander verbinden. Mit Texten, Bildern und Filmschnipseln, die Breth bei Herta Müller und Adorno, Ingeborg Bachmann und Wolfgang Borchert, Meret Oppenheim und Stanley Kubrick, Erich Fried und David Lynch gefunden, mit Musik-Häppchen, die sie bei Robert Schumann und Elvis Presley, Franz Lehár und Gioachino Rossini aufgeschnappt hat, will sie der „widersinnigen Logik von Träumen“ auf die Spur kommen, eine „Kunstpause in einer übermäßig lauten Welt“ erschaffen, offen sein „für das Schöne, Zärtliche und Gemeinsame“.

Klingt super. Nur sieht und hört man davon nichts auf der ganz in Grau gehaltenen Bühne, die einem kafkaesken Alptraum gleicht. Überall Türen, die ins Nichts führen, Gänge, die sich im Nirgendwo verlieren. Johanna Wokalek und Corinna Kirchhoff, Peter Luppa, Martin Jentzsch und Alexander Simon müssen mit gymnastischen Macken und verbalen Marotten, mit viel ironischem Pathos und manieriertem Getue sich durch Text und Musik hangeln. Adam Benzwi bearbeitet dazu das Klavier. Manchmal umschleicht auch ein vielköpfiger Chor das sinnlose Treiben, das immer lethargischer wird und mit seinen aus der Zeit gefallenen Attitüden und Kostümen befremdlich und altbacken anmutet.

Nach nach drei zähen Stunden ist endlich Schluss: „Gib mir den letzten Abschiedskuss“. Aber gern doch. Andrea Breth sagt, sie sei angesichts der aktuellen politischen Probleme „ratlos und sprachlos“ und unterzeichnete das „Manifest für den Frieden“ von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer. Anstatt der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung und Eigenständigkeit abzusprechen, hätte Breth vielleicht lieber mehr Fantasie in ihre völlig missratene Szenen-Collage stecken sollen.

Berliner Ensemble, nächste Vorstellungen am 28., 29. März, 25., 26. April, Karten unter 030/284 081 55, theaterkasse@berliner-ensemble.de 

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