„Himmlische Juwelen“: Donna Leons Krimi auf den Spuren eines Barock-Komponisten

Caterina Pelligrini teilt das Schicksal vieler Akademiker der Generation Praktikum. Sie weiß zwar alles über Händel und Bach, Mozart und Haydn, aber als hoch spezialisierte Musikwissenschaftlerin findet sie keine feste Anstellung.

Ihr schlecht bezahlter Job in Manchester hat zudem den Nachteil, dass sie weder England noch die postindustrielle Metropole besonders mag. Die Sonne Italiens, das Essen und das wuselige Chaos fehlen ihr. Als eine Stiftung ihr eine Arbeit in ihrer Heimatstadt Venedig anbietet, verdrängt sie schnell alle Zweifel und kehrt in die geliebte Lagunenstadt zurück.

Dass die Stiftung kaum arbeitsfähig ist, noch nicht einmal einen eigenen Computer besitzt, findet sie zwar etwas seltsam. Doch Caterina ist wie geblendet von ihrer Aufgabe, soll sie doch herausfinden, ob sich in den Truhen, die auf mysteriöse Weise ihren Weg aus den Archiven des Vatikans nach Venedig gefunden haben und die den Nachlass des Komponisten und Kirchenfürsten Agostino Steffani beherbergen, womöglich Schätze von großem Wert befinden.

Donnaleon

Die zwei geldgierigen Cousins, die sich um den Nachlass ihres Vorfahrens streiten und sich von einem zwielichtigen Anwalt beraten lassen, hoffen jedenfalls, dass Caterina wertvolle Notenblätter oder gar kostbare Edelsteine zutage fördert. Und ist nicht in den Briefen Steffanis tatsächlich von „Himmlischen Juwelen“ die Rede?

Jahr für Jahr veröffentlicht die in Venedig lebende amerikanische Autorin Donna Leon einen neuen Kriminalroman. Ihr ebenso sympathischer wie melancholischer Commissario Brunetti hat nun schon 20 Fälle gelöst, sich mit Menschenhandel und Mafia, Atomschmuggel und Giftmüll herumgeschlagen. Brunetti ist Liebhaber der klassischen Literatur und Musik. Eigentlich schade, dass er nicht dabei sein darf, wenn Donna Leon sich unter dem Titel „Himmlische Juwelen“ auf Spurensuche nach dem fast vergessenen Komponisten Agostino Steffani (1654-1728) begibt. Aber wahrscheinlich hätte der gewiefte Brunetti die Sache mit den geheimnisvollen Truhen sofort durchschaut.

Weil die Biografie des Komponisten Agostino Steffani bis heute Rätsel aufgibt und es möglich ist, dass er ein Spion und Kastrat war, kann man aus dem historischen Dunkel kriminalistischen Honig saugen. Genau das ist die Aufgabe von Donna Leon, die ohnehin ein Faible für Barockmusik hat und keine Premiere einer Händel-Oper verpasst. Also wühlt sich ihre Musikwissenschaftlerin Caterina durch die Archive, rekonstruiert das Leben des Komponisten, der in Bayern kurfürstlicher Geheim-Diplomat und Kammermusik-Direktor war, in Hannover zum Minister aufstieg, als Bischof die Rekatholisierung des protestantischen Nordens vorantreiben sollte und, so wollen es Gerüchte, in ein Mordkomplott verstrickt war.

Genug Stoff also für einen Krimi, der den Bogen vom Gestern ins Heute schlägt. Dass er diesmal nicht ganz so spannend ist, liegt daran, dass die Steffani-Erben im Roman reichlich einfältig sind und dass historische Dokumente manchmal ziemlich verstaubt sein können.

Donna Leon: „Himmlische Juwelen“. Roman. Diogenes Verlag, Zürich. 298 Seiten, 22,90 Euro.

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