Alpiner Kraftakt: Gabriel Feltz gibt seinen Einstand als neuer Dortmunder GMD

Die Alpen (Foto: Demirsoy)

Die Alpen (Foto: Demirsoy)

Kaum ein Dirigent habe länger als fünf Jahre in Dortmund gearbeitet: So behauptete Jörg Stüdemann, Kulturdezernent der Stadt, kurz nachdem er Generalmusikdirektor Jac van Steen in einem 15-Minuten-Gespräch hinausgeworfen hatte. Was der Politiker trotzig zur Normalität erklärte, ist freilich eher Teil eines spezifisch Dortmunder Problems. Seit den Dekaden von Rolf Agop und Wilhelm Schüchter sahen die städtischen Philharmoniker ihre Chefs in rascher Folge kommen und gehen, während die Dirigenten der Nachbarstädte kontinuierliche Aufbauarbeit leisteten.

Nunmehr sind Fakten geschaffen: Gabriel Feltz ist erwählt, an die kurzatmige Kette derer anzuknüpfen, die sich um das Musikleben der Stadt verdient machten. Sein Einstand in Dortmund steht im Zeichen von Naturgewalten. Wie schon 2004 bei seinem Antritt in Stuttgart, beginnt der 1971 in Berlin geborene Dirigent mit seinem Lieblingswerk, der Tondichtung „Eine Alpensinfonie“ von Richard Strauss. Dieser lässt er die 6. Sinfonie von Ludwig van Beethoven voran gehen, bekannt unter dem Beinamen „Pastorale“. Wir hören mithin Programm-Musik, klingende Abbilder der Natur, die uns am Bach mit lieblicher Idylle umfängt und im Sturm mit wütender Gewalt begegnet. Was bei Beethoven stets zu innerem Glücksleuchten und klassischer Ausgewogenheit zurück führt, formt Strauss zum wehmütigen Sinnbild für den Kreislauf des Lebens. Aus dem Dunkel zum Zenit aufsteigend, muss alles wieder hinunter, hinab in ewige Nacht.

Feltz wagt also den alpinen Kraftakt. Greift in die Vollen, strebt zum Gipfel. Dort kommt das Orchester unter seiner Leitung auch glücklich an. Mit imposanter Kraft halten sich die Blechbläser in der Höhenluft. Wenn die Philharmoniker beim Anstieg kurzatmig wirken, liegt das vor allem an Feltz’ Eigenart, lange Fortissimo-Strecken nicht durchzuformen. Statt das Orchester unter Spannung zu halten, lässt Dortmunds neuer GMD immer wieder die Zügel nach. Regelmäßig nimmt er die Lautstärke zurück, setzt dann zu neuem Crescendo an. Schon beim Sonnenaufgang wird es in Schüben hell. Der Berg wird in vielen kleinen und größeren Anläufen erobert.

Nur phasenweise magisch

Daneben gibt es gelungene Momente: das feine Oboensolo vor der Gipfelekstase, das finale Hinabsinken der Nacht, in der die Zeit schier zum Stillstand kommt. Das atmet eine Magie, die andernorts schmerzlich fehlt. So geht es auf der Alm trotz Kuhglocken-Geläut fast erschreckend geschäftsmäßig zu. Feltz hebt Details heraus, zeigt jeden Einsatz mit Akribie, blickt wie ein gütiger Vater lächelnd auf die Musiker herab. Aber wo Strauss’ Musik zum großen Gleitflug abhebt, bleibt vieles kleinteilig oder blockhaft, letztlich dem Handwerk verhaftet. In Beethovens „Pastorale“ deutet sich das bereits an. Vieles plätschert hier flott dahin, ohne Spannung oder größere Innerlichkeit zu erreichen. Bachgeriesel, Bauerntanz und Sturmeswut ziehen viel zu folgenlos an uns vorüber, um die „dankbaren Gefühle“ im Finalsatz zu motivieren. Ein Gewitter? War da was?

Der Zauber des Anfangs wird in Dortmund durch manche Unbeholfenheit getrübt. Dazu mag das noch nicht ausgereifte Format der öffentlichen Konzerteinführung ebenso zählen wie der Versuch einer künstlerischen Beurteilung durch Jörg Stüdemann beim Empfang. Immerhin wünschte der Kulturdezernent dem neuen GMD Glück für die kommenden Jahre. Dem wollen wir uns gerne anschließen. Gabriel Feltz wird es brauchen.

(Der Text ist zuerst im Westfälischen Anzeiger erschienen)

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